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Aspekte der luxemburgischen Syntax: 1 Ziel und Aufbau der Arbeit

Aspekte der luxemburgischen Syntax

1 Ziel und Aufbau der Arbeit

1 Ziel und Aufbau der Arbeit

9Das Ziel dieser Arbeit ist eine empirische und systematische Beschreibung ausgewählter syntaktischer Phänomene im Luxemburgischen. Im Vordergrund der deskriptiven Analyse stehen vier Themenbereiche: Kasussyntax und -funktionen (Genitiv, Possession, Partitiv), Pronominalsyntax (Syntax und Semantik von Personalpronomen), Verbcluster (2-, 3- und 4-gliedrige Cluster im Nebensatz) sowie die syntaktischen Eigenschaften von Nebensatzeinleitungen (Kongruenz und Verdopplungen). Die Arbeit soll einerseits dazu beitragen, die luxemburgische Sprache in ihren strukturellen Eigenschaften besser verstehen zu können und andererseits die (syntaktische) Erschließung des Kontinentalwestgermanischen weiter voranbringen. Somit liefert diese Dissertation einen wichtigen Beitrag in der derzeit aufblühenden Forschungsrichtung der linguistischen Luxemburgistik und ordnet sich gleichzeitig in die allgemeine westgermanische Syntaxforschung ein.

10Ein wichtiger Punkt bei der vorliegenden syntaktischen Analyse ist die phänomengebundene Herangehensweise, da hierdurch die linguistischen Kategorien objektiv – d. h. ohne spezifisches Theoriemodell – beschrieben werden können und somit eine übersichtliche, leicht zugängliche Studie gewährleistet werden kann. Dies schließt jedoch nicht aus, dass phänomenrelevante Einzeltheorien in den entsprechenden Kapiteln besprochen werden.

11Zu Beginn der Arbeit (Kapitel 2) werden die wichtigsten Informationen zur luxemburgischen Sprache (Genealogie, Sprachbenutzung und nationale Mehrsprachigkeit) sowie zum Forschungsstand der strukturellen Beschreibung des Luxemburgischen (innerhalb und außerhalb des Landes) genannt. Da sich die Arbeit in den Kontext der allgemeinen westgermanischen Syntaxforschung einreiht, werden auch die wichtigsten Arbeiten der vergangenen 20 Jahre vorgestellt (u.a. die großen Projekte zum Schweizerdeutschen, Niederländischen und Hessischen). Auf viele der in Kapitel 2 vorgestellten Werke (luxemburgische Grammatiken sowie Syntaxprojekte) wird im Laufe der Arbeit immer wieder zurückgegriffen.

12In Kapitel 3 wird das empirische Herzstück vorgestellt: das Korpus. Hier werden die wichtigsten Eckdaten der empirischen Grundlage aufgezeigt und die Charakteristiken einzelner Textsorten problematisiert. Da das Korpus nicht annotiert ist und als nicht standardisiertes und somit „rohes“ Textkorpus vorliegt, ergeben sich hier zusätzliche methodische Herausforderungen, die für die Analyse berücksichtigt werden müssen.

13Vor dem eigentlichen empirischen Hauptteil (Kapitel 5 bis 9) steht eine kleine, für diese Arbeit zusammengestellte Wortarten- und Flexionslehre (Kapitel 4), die einen Einblick in die luxemburgischen Wortarten und die wichtigsten Paradigmen gewähren soll. Dies hilft einerseits den Nichtmuttersprachlern, einen guten Zugang zur luxemburgischen Sprachstruktur zu finden und andererseits können hier die (morphologischen) Grundlagen definiert werden, die für die anschließenden empirischen Kapitel zu den syntaktischen Themen benötigt werden.

14Die Auswahl der syntaktischen Themen beruht auf drei Leitgedanken: Erstens wurden „traditionelle“ Themen aus der Syntaxforschung aufgenommen, wie etwa Possessivkonstruktionen (Ausdruck von Relationsverhältnissen), die Abfolge von Pronomen oder Verbcluster (vgl. Phänomenkataloge bei SADS, SAND, SyHD). Zweitens sollen im Zuge der Korpusanalyse auch Annahmen aus der Forschungsliteratur sowie aus luxemburgischen Grammatiken überprüft werden, wie etwa der Status des Genitivs im Luxemburgischen oder die Kategorisierung des s-Morphems bei „flektierenden“ Komplementierern (Typ: wann s de mengs ‚wenn {s} du meinst’). An dritter Stelle stehen schließlich noch allgemeine syntaktische Besonderheiten wie doppelt besetzte Nebensatzeinleitungen des Typs wéini dass hien do ass ‚wann dass er da ist’ oder Partitivkonstruktionen des Typs ech hunn nach däers Kéis doheem ‚ich habe noch solchen/von diesem Käse zuhause’.

15Aus diesen drei Leitgedanken resultieren nun die folgenden vier Kerngebiete, die sich in vielen Bereichen mit Glasers (2006) „Skizze und Forschungsprogramm“ zur luxemburgischen Syntax überschneiden:1

16
  • Kasussyntax und -funktionen (Kapitel 5): Status des Genitivs, adnominale Possession, Partitivkonstruktionen mit däers/es und där/der
  • Pronominalsyntax (Kapitel 6+7): Stark-schwach-Distinktion der Personalpronomen (semantische und syntaktische Eigenschaften), Abfolgetendenzen von Personalpronomen (Nom>Dat>Akk)
  • Verbcluster (Kapitel 8): 2-, 3- und 4-gliedrige Cluster im Nebensatz, IPP-Konstruktionen und Supina der Modalverben
  • Nebensatzeinleitungen (Kapitel 9): „flektierende“ und doppelt besetzte Nebensatzeinleitungen (inflecting COMPs, doubly filled COMPs)

17Diese Themenblöcke beinhalten jeweils eine ausführliche Einleitung zum Themenkomplex, in dem die wichtigsten Kategorien und Prinzipien erläutert werden. Ein zweiter Schritt ist die Analyse möglicher Variation. Neben der qualitativen Beschreibung des Phänomens spielen auch quantitative Aspekte eine wichtige Rolle, da häufig Frequenzeffekte beobachtet werden können, die Aufschluss über die Verteilung liefern. Leider ist das Korpus aufgrund seiner technischen Voraussetzungen nicht für jede Fragestellung geeignet, sodass sich die Interpretation der Daten in solchen Fällen auf strukturelle Hinweise und Tendenzen beschränken muss. In den empirischen Kapiteln sollen in erster Linie Kategorien erstellt und Varianten aufgezeigt werden, die sich aus der Exploration der Korpusdaten ergeben. Ergänzt wird jeder Themenblock durch einen Vergleich mit anderen westgermanischen Varietäten, wobei die herangezogenen Varietäten je nach Phänomen und vorhandener Forschungslage variieren können. Jedes empirische Kapitel wird am Ende mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse abgerundet.

18Die kleine Wortartenlehre aus Kapitel 4 sowie die empirischen Kapitel 5 bis 9 zeigen in mehrfacher Hinsicht Züge einer (morphosyntaktisch ausgelegten) Orts- bzw. Regionalgrammatik, einer Textsorte, die – in meinen Augen zu Unrecht – ein wenig in Vergessenheit geraten und zugunsten von großen, überregionalen Atlasprojekten abgelöst worden ist. Doch auch im Hinblick auf große Atlanten kann es durchaus sinnvoll sein, die unterschiedlichen Varietäten im Detail zu beschreiben, um den genauen einzelsprachlichen Ausprägungen der jeweiligen syntaktischen Eigenschaft gerecht werden zu können. Syntaktische Variation lässt sich schließlich nicht immer durch das Vorhandensein bzw. Nichtvorhandensein einer Eigenschaft darstellen, denn syntaktische Eigenschaften sind als Untersuchungsgegenstand sehr subtil und lassen sich häufig erst durch einen tieferen Einblick in die Sprachstruktur herausarbeiten (vgl. Kortmann 2010: 846). Der Anspruch liegt in diesem Kontext allerdings auf einer „modernen“ Regionalgrammatik – empirisch fundiert und aufbauend auf den Erkenntnissen der syntaktischen Forschung zum Westgermanischen.

19Das vorletzte Kapitel (Kapitel 10) rekapituliert die Ergebnisse aus dem empirischen Hauptteil, fasst die offenen Fragen der jeweiligen Themenblöcke zusammen und skizziert die darauf aufbauenden Forschungspfade für die Zukunft. Kapitel 11 ist mir ein besonderes Anliegen, denn es zeigt noch einmal die wichtigsten Erkenntnisse und Ergebnisse dieser Arbeit auf und ist dabei sowohl inhaltlich als auch äußerlich auf ein laienlinguistisches, luxemburgischsprachiges Zielpublikum abgestimmt.

Fußnoten

[1]

15Durchaus könnte man diese Liste noch erweitern oder einfach den Katalog von Glaser (2006) in seiner Gesamtheit umsetzen, doch ich möchte mich nur einer gezielten Auswahl widmen, um diesen Themen auch im Rahmen einer Doktorarbeit gerecht werden zu können. Die Liste von Glaser (2006) wird in Kapitel 2.3 gezeigt.

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