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Aspekte der luxemburgischen Syntax: 2 Linguistik des Luxemburgischen

Aspekte der luxemburgischen Syntax

2 Linguistik des Luxemburgischen

2 Linguistik des Luxemburgischen

20Die Linguistik des Luxemburgischen ist ein sehr junges Forschungsfeld, in dem es noch viele offene Forschungsfragen gibt. Als eine der jüngsten europäischen Sprachen ist die Erschließung der Sprachstruktur des Luxemburgischen noch sehr lückenhaft.

21In diesem Grundlagenkapitel möchte ich zuerst auf den politischen und soziolinguistischen Aspekt des Luxemburgischen eingehen (Kapitel 2.1). Hierzu gehören unter anderem der Sprachstatus des Luxemburgischen, die Luxemburgischkompetenz der Wohn- und Arbeitsbevölkerung sowie die soziale und sprachliche Diversität des Landes. Im Anschluss (Kapitel 2.2) werden die wichtigsten Sprachbeschreibungen zur luxemburgischen Sprachstruktur gezeigt, von den Anfängen im 19. Jahrhundert bis heute (2018). Durch die Auflistung unterschiedlicher Grammatiken soll ein Gesamtbild der „innerluxemburgischen“ Forschungstradition gezeichnet werden. Im Anschluss wird dieser Gesamtüberblick auf das Thema „Syntax des Luxemburgischen“ reduziert, sodass am Ende deutlich gemacht werden kann, welche Erkenntnisse zu diesem Thema bislang vorliegen. Diese Zusammenfassung der Forschungsliteratur wird daraufhin problematisiert (in Bezug auf Forschungskontext und Zielpublikum). Zudem wird auf Werke verwiesen, welche die luxemburgische Syntax als Exkurs oder kontrastiv einsetzen. Auf diese Weise können zusätzliche interessante Theorien und Aspekte für die Erschließung der syntaktischen Muster gewonnen werden. Des Weiteren lohnt sich auch ein Blick auf syntaktische Beschreibungen benachbarter bzw. verwandter Varietäten, um strukturelle Eigenschaften zu vergleichen oder einfach um weitere methodische Aspekte zu berücksichtigen (dies betrifft in erster Linie die breit angelegten syntaktischen Atlanten der vergangenen 15 Jahre, vgl. Kapitel 2.3).

2.1 Luxemburgisch: eine junge europäische Sprache

22Das Luxemburgische (Lëtzebuergesch [ˈlətsəbuəjəʃ])2 ist die Nationalsprache des Großherzogtums Luxemburg (2586 km2). Durch die geografische Lage des Landes zwischen Belgien, Deutschland und Frankreich (vgl. Abbildung 1) sowie aufgrund diverser historischer Ereignisse pflegt das Land eine Dreisprachenpolitik: Als offizielle Amtssprachen gelten Deutsch und Französisch, als Nationalsprache gilt Luxemburgisch (vgl. Gilles & Moulin 2003: 303).3 Dieser politische Status als Sprache hat zwar keine direkte Auswirkung auf den Sprachgebrauch, stärkt jedoch die Position des Luxemburgischen, vor allem als Schriftsprache (vgl. Berg 2006: 320), worauf im weiteren Verlauf noch eingegangen wird.

Abbildung 1: Geografische Lage Luxemburgs
Abbildung 1: Geografische Lage Luxemburgs

23Luxemburg ist ein Land mit einer sehr hohen Migrationsrate, was sich auch in seiner Mehrsprachigkeit widerspiegelt. Die folgende Tabelle zeigt die Staatsangehörigkeiten der in Luxemburg wohnhaften Bevölkerung (563 000 Einwohner). Fast die Hälfte der Einwohner Luxemburgs verfügt nicht über die luxemburgische Staatsbürgerschaft. Vor allem romanischsprachige Ausländer machen einen großen Anteil der Einwohner aus.

NationalitätAnzahl Einwohner
Luxemburger304 300
Ausländer (total)258 700
...Portugal92 100
...Frankreich39 400
...Italien19 500
...Belgien18 800
...Deutschland12 800
...Großbritannien6 000
...Niederlande4 000
...Andere EU-Länder29 600
...Andere Nicht-EU-Länder36 500
Gesamtbevölkerung563 000
Tabelle 1: Einwohnerzahlen Luxemburgs nach Nationalität (Stand 1.1.2015, vgl. Statec 2015)

24Im luxemburgischen Alltag trifft man neben den zwei Amtssprachen Deutsch und Französisch sowie der Nationalsprache Luxemburgisch ebenfalls auf Portugiesisch und Italienisch. Auch das Englische ist Teil der luxemburgischen Mehrsprachigkeit. Die nachfolgende Statistik zeigt die im Alltag gesprochenen Sprachen (Umfrage aus dem Jahr 2011 mit 458 900 befragten Personen). Luxemburgisch scheint demnach die am häufigsten verwendete Sprache zu sein, gefolgt von Französisch, Deutsch und Englisch (Mehrfachnennungen möglich).

SpracheHäufigkeitProzent
Luxemburgisch323 55770,5 %
Französisch255 66955,7 %
Deutsch140 59030,6 %
Englisch96 42721 %
Portugiesisch91 87220 %
Italienisch28 5616,2 %
Sonstige Sprachen55 29812,1 %
Tabelle 2: Statistik der verwendeten Sprachen im Alltag in Luxemburg, Zahlen aus dem Jahr 2011 (vgl. Fehlen et al. 2013)

25Das Luxemburgische genießt sehr hohes Prestige bei der einheimischen Bevölkerung und wird – hauptsächlich als identitätsstiftender Faktor – als eigenständige Sprache betrachtet (Gilles 2000: 201). Dies führt auch dazu, dass Standarddeutsch und Luxemburgisch als zwei getrennte Systeme wahrgenommen werden, wobei strukturelle Ähnlichkeiten aufgrund der nahen Verwandtschaft nicht zu vernachlässigen sind.

26Aus genealogischer Perspektive ist das Luxemburgische ein moselfränkischer Dialekt, der sich zu einer Ausbausprache entwickelt hat (Kloss 1978). Die folgende Karte aus Paul (2007: § E 5) verortet das Land Luxemburg im moselfränkischen Sprachgebiet innerhalb des Westmitteldeutschen.

Abbildung 2: Gliederung des Westmitteldeutschen (Karte nach Paul 2007: § E 5)
Abbildung 2: Gliederung des Westmitteldeutschen (Karte nach Paul 2007: § E 5)

27Auf einer Landesfläche von 2586 km2 zeichnen sich in Luxemburg vier Dialektgebiete ab: eine Leitvarietät im Zentrum des Landes (Gebiet um die Hauptstadt Luxemburg) sowie drei Gebiete, die sich im Norden (Ösling), Osten (entlang der Mosel und Sauer) und Süden (Minett) daran anschließen (vgl. Gilles & Moulin 2003). Ziel der vorliegenden Untersuchung ist eine syntaktische Beschreibung des Gemeinluxemburgischen (d. h. der supraregionalen Leitvarietät), sodass dialektale Ausprägungen eine untergeordnete Rolle spielen. Darüber hinaus wurden viele Ortsdialekte zugunsten dieser Leitvarietät abgebaut (vgl. Gilles 1999; 2000; 2006a).

28Insgesamt wird die Zahl der Luxemburgischsprecher auf etwa 400 000 geschätzt, wobei sowohl L1- als auch L2-Sprecher berücksichtigt werden (vgl. Fehlen & Heinz 2016). Nahezu alle Personen mit Wohnsitz in Luxemburg und luxemburgischer Staatsbürgerschaft sprechen Luxemburgisch – bei der ausländischen Wohnbevölkerung ist es nur etwa die Hälfte. Bei den Grenzpendlern hängt die Kompetenz vor allem davon ab, ob sie aus dem deutschen oder französischen Sprachraum kommen. Fehlen (2009, zit. nach Fehlen & Heinz 2016: 29) legt dabei die folgenden Zahlen vor (Ergebnisse aus dem Jahr 2008).

WohnbevölkerungAnzahlAnteil der Luxemburgischsprecher
Luxemburger278 00098 %
Ausländer200 60054 %
Grenzpendler
...aus Frankreich73 00018 %
...aus Belgien38 00029 %
...aus Deutschland35 00074 %
Tabelle 3: Statistik zur Sprachkompetenz im Luxemburgischen der Wohn- und Erwerbsbevölkerung (vgl. Fehlen 2009, zit. nach Fehlen & Heinz 2016: 29)

29Die soziolinguistische und die politische Situation des Luxemburgischen hat sich seit Mitte des 20. Jahrhunderts deutlich verändert. Drei zentrale Punkte sind hier hervorzuheben (vgl. Gilles & Moulin 2003: 310):

30
  • der Ausbau des Gemeinluxemburgischen als supraregionale Varietät (dialect levelling)
  • der offizielle Status als Nationalsprache im Jahr 1984 (loi du 24 février 1984 sur le régime des langues)
  • der Ausbau und die damit einhergehende Stärkung des Luxemburgischen im Schriftbereich (primär ausgelöst durch mobile Kommunikation)

31Der letzte Punkt bietet eine große Chance für die empirische Sprachbeschreibung, da durch den Ausbau im Schriftbereich immer mehr Daten entstehen, die u.a. für die linguistische Forschung verwendet werden können.

2.2 Die Grammatikografie des Luxemburgischen: Forschungsstand und -desiderate

32Dieses Kapitel skizziert die Geschichte der Forschung zur luxemburgischen Grammatik von den Anfängen bis heute (2018). Der Fokus liegt auf der strukturellen Sprachbeschreibung (Kerngrammatik: Phonologie, Morphologie, Satzbau) – allgemeine Wörterbücher und rein phonologische Abhandlungen werden hier nicht besprochen. Der Großteil dieser Beiträge und Volksgrammatiken ist in Luxemburg entstanden bzw. von Luxemburgern verfasst.4 Das nachfolgende Kapitel 2.3 nimmt expliziten Bezug auf die Forschung zur luxemburgischen Syntax, auch aus internationaler Perspektive. Die „innerluxemburgische“ Perspektive des vorliegenden Kapitels ermöglicht es, die zentralen Werke der luxemburgischen Grammatik in ihrem Entstehungskontext zu beschreiben und die Beschreibungslücke zur luxemburgischen Syntax aufzuzeigen.

33Das Luxemburgische rückt erst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in das Interesse verschiedener luxemburgischer Lehrer und Philologen.5 Den Anfang macht ein promovierter Mathematiker: Antoine Meyer veröffentlicht 1829 erstmals einen Gedichtband auf Luxemburgisch. Das Vorwort beinhaltet grundlegende Regeln und Reflexionen zur Verschriftlichung seiner Muttersprache. Im Anschluss an die Texte schreibt der Autor gemeinsam mit Heinrich Gloden eine neunseitige Kurzübersicht zu den „grammatischen Mechanismen von unserer Mundart“. Peter Klein, Lehrer für Deutsch und Französisch in Luxemburg, schreibt 1855 eine Übersicht zum luxemburgischen Lautsystem und ermittelt aus diachroner Perspektive die Zugehörigkeit des Luxemburgischen zu den deutschen Mundarten. Auf knapp 60 Seiten beschreibt er Vokalismus und Konsonantismus, im Anschluss widmet er sich auf wenigen Seiten dem Flexionssystem und der Rechtschreibung. Am Ende gelangt der Autor zum Fazit, dass man das Luxemburgische u.a. mangels „grammatischer Bestimmtheit“ – im Vergleich zur deutschen Schriftsprache – als deutsche Mundart charakterisieren muss.

34Im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts erscheinen noch weitere kleinere Abhandlungen zu Phonetik, Morphologie und Orthografie, wie etwa die Arbeiten von Joseph Weber (1890-1899), mit denen er wichtige Vorarbeit zur Erarbeitung einer Orthografie sowie eines Wörterbuchs leistet.

35Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts ist gekennzeichnet durch unterschiedliche Ortsgrammatiken bzw. deren Teilaspekte. Zu nennen wären hier etwa Alfred Bertrangs „Syntax der Areler Mundart“ (1921) oder Hélène Palgens Arbeiten zur Mundart von Echternach (1931; 1932). Es versteht sich von selbst, dass diese Werke aufgrund ihres Entstehungskontextes nicht mit heutigen Beschreibungen vergleichbar sind. Allein die Beispiele und die damaligen Überlegungen der Autoren können für die heutige Wissenschaft oder auch für die Wissenschaftsgeschichte interessant sein.

36Robert Bruch arbeitet als promovierter Romanist und Germanist vor allem sprachhistorisch und liefert mit seiner 1955 erschienenen Grammatik einen wichtigen Beitrag zur Dokumentation der luxemburgischen Sprachstruktur.6 Das Werk zeigt alle Kapitel auf Deutsch und Französisch und liefert zahlreiche luxemburgische Beispielsätze. Bruch (1955) beginnt sein Werk mit einer 40seitigen Beschreibung der Orthografie. Im Anschluss folgt ein Kapitel zur Flexionsmorphologie (S. 41-87) und – erstmals in der luxemburgischen Grammatikschreibung – ein Kapitel zum Satzbau (S. 88-108), in dem er auf verschiedene Aspekte der Wortstellung und die Nebensatztypen eingeht. Auf den letzten Seiten seiner Grammatik beschäftigt sich der Autor mit dialektgeografischen Phänomenen (u.a. Lokalmundarten) und zeigt auf 16 Sprachkarten die Variation von Flexionsendungen und Pronomen. Bruch ist der erste Autor, der für seine linguistischen Ausführungen zahlreiche Beispiele aufführt, wobei die genaue Herkunft der Beispielsätze unklar bleibt. Die Grammatik von Bruch (1955) beinhaltet keine Paradigmen, dafür aber diachrone Erklärungen und Sprachvergleiche (in erster Linie mit den Standardsprachen Deutsch, Französisch und Englisch). Somit ist Bruchs Monografie keine „Gebrauchsgrammatik“ im engeren Sinn. Es ist auch kein Werk, das außerhalb eines akademischen Kontextes herangezogen wird oder in den Buchhandlungen des Landes auffindbar ist.

37Der Schweizer Rudolf Ernst Keller veröffentlicht 1961 eine Monografie mit dem Titel „German Dialects“. In diesem Zusammenhang entsteht auch sein etwa 50seitiger Artikel zur Struktur des Luxemburgischen, von denen die letzten 20 Seiten jedoch nur Textsammlung und Glossar darstellen. Der Autor bietet dabei ein solides Formeninventar zu den wichtigsten Wort- und Funktionsklassen im Luxemburgischen. Keller ist sozusagen der erste Wissenschaftler, der sich „von außen“ mit dem Luxemburgischen beschäftigt.

38Knapp 20 Jahre nach Veröffentlichung von Bruchs Grammatik (1955) erarbeitet Christophory (1974) eine kleine Flexionslehre des Luxemburgischen, basierend auf Bruch (1955), und ergänzt diese durch Bilder, Lieder, Gedichte und Gesprächssequenzen. Doch auch dieses Werk wird trotz der mehrsprachigen Ausrichtung (Englisch, Französisch, vereinzelt mit deutschen Übersetzungen) nur wenig rezipiert (dennoch wurde 2008 ein unveränderter Nachdruck veröffentlicht). Obwohl Christophorys Buch den Untertitel „Bilingual Guide to Grammar and Reading“ trägt, erhält der Leser wenig „Führung“ durch die Grammatik des Luxemburgischen und sein Werk wirkt inhaltlich und gestalterisch unausgereift (zudem liefert es neben einem neuen Layout nur einen geringen Erkenntnisgewinn neben Bruchs Grammatik von 1955).

39Russ veröffentlicht 1996 eine knapp 30seitige Kurzgrammatik zum Luxemburgischen. Nach einer kurzen Einführung zu Lautung und Orthografie geht der Autor besonders auf Morphologie und Syntax ein. Erneut wird hier in erster Linie Wert auf den Formenbestand und weniger auf die Diskussion oder die funktionale Verteilung der Formen eingegangen.

40Die Arbeiten von François Schanen legen den Schwerpunkt vermehrt auf die Morphologie und die Syntax des Luxemburgischen. Im Jahre 1980 vollendet François Schanen seine über tausendseitige Thèse d’Etat (ähnlich wie Habilitationsschrift) zur Syntax von Schengen (Originaltitel: Recherches sur la syntaxe du luxembourgeois de Schengen). Die in erster Linie theoretischen Ausführungen basieren auf der Dependenzgrammatik nach Tesnière und wirken aus heutiger Perspektive unnötig kompliziert und ohne echten Erkenntnisgewinn. Die Arbeit, die leider nicht publiziert worden ist, beschäftigt sich stark mit den semantischen Zusammenhängen von Teilsätzen und funktionalen Satzgruppen, wobei der allgemeine Aufbau des Werkes sehr intransparent bleibt. Zwar beinhaltet das Werk zahlreiche Passagen mit Erklärungen, doch es kann aufgrund der fehlenden Überblicksdarstellungen und der geringen Anzahl an Beispielsätzen nicht als Ortsgrammatik gewertet werden.

411984 schließt Pierre Schmitt seine „Untersuchungen zur luxemburgischen Syntax“ ab. Auch er orientiert sich an der Dependenzgrammatik von Tesnière, präsentiert daneben mehrere (gemeinluxemburgische) Flexionsparadigmen sowie Übersichten zu den Tempora und Funktionsverben. Durch die Anlehnung an diese Schule sind viele Seiten gefüllt mit (semantischen) Satzbauplänen und Dependenzstrukturen. Der Aspekt der Wortstellung oder die allgemeine syntaktische Variation finden nur wenig Beachtung. Obwohl die empirische Herangehensweise mit einem Korpus sowie die unterschiedlichen Paradigmen positiv hervorzuheben ist, ist der Erkenntnisgewinn im Vergleich mit Bruchs Grammatik (1955) oder Kellers Beitrag (1961) nur gering. Insgesamt wird dieser Beitrag auch nur wenig rezipiert.

42Neben kleineren Abhandlungen und Arbeiten im Bereich Deutsch als Fremdsprache veröffentlicht Schanen (2004) ein Taschenbuch mit dem Titel „Parlons Luxembourgeois“ ‚Lasst uns Luxemburgisch sprechen’, in dem er sich mit dem „Gemeinluxemburgischen“ beschäftigt. Dieses Buch besteht aus drei Teilen: Eine 40seitige Einführung in die soziokulturellen Zusammenhänge des Landes, eine 160 Seiten umfassende Übersichtsgrammatik (mit Fokus auf Phonetik, Orthografie, Wortartenbeschreibung) sowie ein Anhang, bestehend aus Sätzen für Alltagsgespräche und einem kleinen Lexikon mit 5000 Einträgen.

43Zusammen mit der luxemburgischen Übersetzerin Jacqui Zimmer veröffentlicht Schanen 2006 eine aktualisierte Form seiner 2004 erschienenen Übersichtsgrammatik in neuer Aufmachung. Das dreibändige französische Werk bietet zahlreiche Paradigmen und Beispielsätze, deren genaue Herkunft allerdings ungeklärt bleibt. Es beinhaltet auch Übungen mit Lösungsschlüssel für didaktische Zwecke. Die drei Bände setzen sich aus drei Themen zusammen: Verbalgruppe (Volume 1: Le groupe verbal, 2005, 111 Seiten), Nominalgruppe (Volume 2: Le groupe nominal [et les autres groupes], 2006, 151 Seiten) und Rechtschreibung (Volume 3: L'orthographe [avec index et bibliographie], 2006, 138 Seiten). 2012 erscheint eine komplette Ausgabe dieser drei Bände (Lëtzebuergesch Grammaire Luxembourgeoise, 475 Seiten). Diese Gesamt-Grammatik von Schanen & Zimmer (2012) stellt das bislang umfassendste und aktuellste Werk zur luxemburgischen Sprachstruktur dar. Ähnlich wie bei Bruch (1955) nimmt auch in diesem Werk die Orthografie einen erheblichen Teil ein, wobei lediglich orthografische Normen abgebildet werden. Obwohl das Werk über eine kleine Bibliografie verfügt, enthalten die einzelnen Kapitel keine Verweise auf andere Werke oder Theorien. Zudem bleiben viele Ausführungen und Beispiele unkommentiert.

44Auch wenn die Autoren selbst das Werk als Referenz- und Gebrauchsgrammatik verstehen, wird der Anspruch des Buches beim Lesen nicht ganz klar. In meinen Augen ist die Grammatik durch die ungewohnte Kapitelaufteilung in verschiedene syntaktische Gruppen und die teilweise unkonventionelle terminologische Handhabung wenig anwenderfreundlich. Der Aufbau der Grammatik ist angelehnt an Schanens in Frankreich publizierten DaF-Grammatiken, die in Luxemburg und Deutschland allerdings kaum rezipiert werden. Auch der wissenschaftliche Nutzen der 1,2,3 Lëtzebuergesch Grammaire wird durch den ungewohnten Aufbau und die unkonventionelle Terminologie eingeschränkt. In vielen Fällen muss man das Buch als Ganzes durchlesen, um die einzelnen Bausteine eines Themas zusammenzutragen. Hinzu kommt, dass das Buch nur selten Fragen zu Varianten aufwirft und multifaktorielle Erklärungen häufig vernachlässigt.

45Zwar gelingt es den Autoren, viele wichtige Themen anzusprechen und zahlreiche Beispiele zu liefern, doch sie verpassen es, einen transparenten Aufbau zu wählen, um einen leichten Zugang zur Sprachstruktur des Luxemburgischen zu ermöglichen. Unklar ist auch, weshalb das Buch auf Französisch publiziert worden ist, da es für frankophone Personen sicherlich noch schwieriger ist, die hohe Anzahl an Beispielsätzen sowie die knappen Erläuterungen der Themen nachzuvollziehen. Für das luxemburgische Publikum hingegen wäre eine luxemburgische oder deutsche Metasprache sicherlich hilfreicher. Alles in allem erhält man beim Lesen dieser „Gebrauchsgrammatik“ den Eindruck, dass es für einen Laien zu schwierig und für einen Sprachwissenschaftler zu ungenau ist.

46Die ebenfalls französischsprachige Grammatik von Braun et al. wird 2005 vom Bildungsministerium für den Bereich der Erwachsenenbildung herausgegeben und umfasst 155 Seiten. Die fünf Autoren widmen sich zunächst der Lautung, dann der Orthografie und schließlich den unterschiedlichen Wortarten (kein expliziter Syntaxteil). Trotz der teilweise stark vereinfachten Themenkomplexe liefert das Buch eine gute Übersicht zum luxemburgischen Formeninventar. An vielen Stellen wird jedoch deutlich, dass das Buch primär als Unterrichtsgrundlage konzipiert worden ist, da es zum Selbststudium oder als Nachschlagewerk nicht differenziert genug ist.

47In vielen Grammatiken des Luxemburgischen fällt auf, dass der Bereich der Syntax deutlich unterrepräsentiert ist. Bei Schanen & Zimmer (2012) werden zwar zahlreiche syntaktische Themen angesprochen, aber leider nur selten substantiiert. Die Syntax bildet jedoch neben Phonologie und Morphologie den Kern der Sprachstruktur und sollte dementsprechend eine vergleichbare Aufmerksamkeit in der Sprachbeschreibung erhalten. Gerade beim Abbilden unterschiedlicher Wortarten und Paradigmen stellt sich die Frage, welche Funktionen diese Formen im Satz übernehmen können. Vor allem verfügt das Luxemburgische über unterschiedliche syntaktische Besonderheiten, die es zu erklären gilt. Als Referenzpunkte für die vorliegende Arbeit gelten an erster Stelle die mehrsprachige Grammatik zum Luxemburgischen von Bruch (1955), die auch häufig von anderen Autoren rezipiert wird (vgl. Zwart 1996; Glaser 2006; Nübling 2005; 2006), sowie die Grammatik von Schanen & Zimmer (2012).

48Bevor ich nun zur syntaktisch orientierten Forschungslage übergehe, werden alle wichtigen Werke nun noch einmal in einer Tabelle zusammengefasst.

JahrAutorMeta-spracheBemerkungen
1829MeyerDGedichtband "E' Schrek ob de' Lezeburger Parnassus", orthografische Überlegungen im Vorwort und kurze Übersicht zu den “grammatikalischen Mechanismen von unserer Mundart” (S. 45) im Anhang
1845GlodenDkurze Einleitung in Meyers Gedichtband „Luxemburgische Gedichte und Fabeln“ zur Grammatik und dialektalen Ausdrücken
1855KleinDdiachrone und diatopische Übersicht zu Phonologie und Flexion
1895BourgDAbhandlung zu Phonetik, Morphologie und Orthografie
1899WeberDVorarbeiten zur luxemburgischen Orthografie und Grammatikschreibung
1921BertrangDBeschreibung der Mundart von Arlon (Belgien)
1933PalgenDphonetische Abhandlungen, Dialekt von Echternach (Moselnähe)
1936-1940GodefroidDkleine Laut- und Wortlehre (Paradigmen) des Luxemburgischen
1955BruchD/FRbreit angelegte Grammatik mit diachronen Beschreibungen
1961KellerENKurzgrammatik (Phonetik und Morphologie), Formeninventar, kein luxemburgischer Autor
1974ChristophoryFR/ENFormeninventar und Textsammlungen, 2008 neu aufgelegt
1980SchanenFRSyntaxbeschreibung angelehnt an die Dependenzgrammatik von Tesnière (Habilitationsschrift)
1984SchmittDFlexionsparadigmen, Fokus auf Funktionsverben und Valenzen von Vollverben, angelehnt an die Dependenzgrammatik von Tesnière
1996RussENAufsatz mit grammatischer Kurzübersicht, viele Parallelen zu Keller (1961), kein luxemburgischer Autor
2004SchanenFRÜbersichtsgrammatik im Taschenbuchformat
2005Braun et al.FRÜbersichtsgrammatik (herausgegeben vom luxemburgischen Bildungsministerium)
2012Schanen & ZimmerFR2005/2006 als dreibändige Grammatik erstmals erschienen, als Einzelgrammatik 2012 neu aufgelegt
Tabelle 4: Übersicht zur Grammatikografie des Luxemburgischen (innerluxemburgische Publikationen)

49Am Ende stellt sich noch die Frage, was eine Gebrauchsgrammatik des Luxemburgischen leisten können muss. Durch das wachsende Interesse an der luxemburgischen Sprache – innerhalb und außerhalb der akademischen Welt – wird auch die Nachfrage an strukturellen Sprachbeschreibungen immer größer. Die derzeitigen luxemburgischen Grammatiken weisen jedoch deutliche Schwächen auf und werden weder der Textsorte noch den Bedürfnissen der Benutzer gerecht. Auch auf der Meta-Ebene spielen Sprachwahl (Deutsch, Französisch oder auch Luxemburgisch) sowie Terminologie und Aufbau eine wichtige Rolle.

50Insgesamt ist es jedoch unerlässlich, fundierte Studien mit transparenter Empirie und klaren Argumentationen vorzulegen. Diese können dann den Grundstein für eine empirisch solide grammatische Beschreibung des Luxemburgischen legen. Alles in allem ist es keine leichte Aufgabe, ein solches Gesamtwerk am Ende zusammenzutragen. Diese Problematik, eine Grammatik zu konzipieren, die gleichermaßen leicht verständlich, fundiert und präzise ist, wird von Zifonun (1986: 14) auf den Punkt gebracht:

Es ist nicht ganz leicht, diese Ideale einer ‚wissenschaftlichen’ Präsentation der Urteile mit den Prinzipien der Übersichtlichkeit, des Aufbereitetseins, der Komprimiertheit, die sich aus der Tradition der Textsorte grammatisches Handbuch herleiten, zu vereinbaren. (Zifonun 1986: 14)

51Zudem muss für das Luxemburgische die Frage gestellt werden, inwieweit Variabilität oder auch Normativität in die Grammatikbücher aufgenommen werden kann, was gerade im Hinblick auf den derzeitigen Standardisierungsprozess des Luxemburgischen und die öffentliche Aufmerksamkeit der Sprache besonders spannend ist (vgl. Moulin 2006).

2.3 Mikro- und Makroebene der kontinentalwestgermanischen Syntaxforschung

52Dieses Kapitel bietet eine Übersicht zur Forschungslage der luxemburgischen Syntax (Mikroebene) und weist darüber hinaus auf allgemeine Forschungsprojekte und -ziele in der derzeitigen Syntaxforschung zum Kontinentalwestgermanischen hin (Makroebene). Die Beschreibung der Mikroebene dient als Zusammenfassung der bisherigen Erkenntnisse zur luxemburgischen Syntax. Da die Zahl an Publikationen zu diesem Thema überschaubar ist, lohnt sich ein Blick „über den Tellerrand hinaus“ auf die Makroebene der Syntaxforschung.

53Der luxemburgischen Syntax wurde bislang verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Im Grunde genommen gibt es zwei Textsorten, in denen sie thematisiert wird: luxemburgische Grammatiken (vgl. Kapitel 2.2) und sprachvergleichende Studien, die vorrangig aus einer germanistisch orientierten Perspektive stammen. In den sprachvergleichenden Studien werden luxemburgische Beispiele meist kontrastiv oder als Exkurs verwendet (u.a. zu Verbclustern bei Lötscher 1978 oder Relativsätzen bei Fleischer 2005). Dass Luxemburgisch im Zentrum einer Analyse steht, ist verhältnismäßig selten der Fall. Dabei kommt Nübling (2005: 166) zu dem Schluss, dass „[d]ie Erforschung der lëtzebuergeschen Sprache [...] die allgemeine Linguistik nicht nur bereichern, sondern zu einigen Revisionen und Neubewertungen herausfordern [würde].“

54Viele Arbeiten zur luxemburgischen Syntax befassen sich vorrangig mit Themen der Morphosyntax, wobei an prominenter Stelle Studien zu Hilfsverben und Grammatikalisierungspfaden zu nennen sind (u.a. Dammel 2006; Nübling 2006b; Schanen 2006; Lenz 2007). Zentral für die vorliegende Arbeit ist der Aufsatz von Glaser (2006) – basierend auf ihrem Aufsatz von 2005 – mit dem programmatischen Titel: „Zur Syntax des Lëtzebuergeschen: Skizze und Forschungsprogramm“. Im Rahmen ihrer vergleichenden Syntaxforschung kennzeichnet die Autorin besondere Phänomene im Luxemburgischen, die weiterer Forschung bedürfen.

55
  • Nominalbereich: Setzung des Artikels bei Eigennamen, Ausdruck von Relationsverhältnissen (Possessivkonstruktionen), Kasusdifferenzierung (Nom/Akk)
  • Pronominalbereich: Stark-schwach-Distinktion bei Artikeln und Pronomen (+Klitisierung), Einsatz und Verteilung von Indefinitpronomen, Partitivpronomen, pronominale Serialisierung, Pronominaladverbien (Erweiterungen des Typs do dermat ‚da damit’)
  • Verbalbereich: Verbcluster (vor allem in Kombination mit Modalverben und AcI-Konstruktionen), Passiv- und Inchoativkonstruktionen (und andere „Verbalperiphrasen“), Ersatzinfinitivstrukturen
  • Satzverknüpfungen: Doppelmarkierung der Nebensatzeinleitung, Einleitungen für Relativsätze, flektierende Nebensatzeinleitungen, Anschluss von Infinitivkonstruktionen (u.a. final)
  • weitere Phänomene: analytische Komparativbildung, Infinitivanschluss (mit oder ohne ze) bei Verben wie ufänken ‚anfangen’, léieren ‚lehren’ oder brauchen ‚brauchen’.

56Glasers (2006) liefert somit einen soliden Phänomenkatalog, der in seinen wesentlichen Zügen als Orientierung für die vorliegende Arbeit dienen soll. Weitere Orientierungspunkte für die phänomenbasierte Auslegung dieser Arbeit sind Forschungsarbeiten zur Syntax in anderen westgermanischen Sprachen.

57Generell hat die Erforschung syntaktischer Variation in den letzten 15 Jahren einen deutlichen Aufschwung erfahren. Viele (umfassendere) syntaktische Beschreibungen von Orts- und Gebietsdialekten sind teilweise hundert Jahre alt (vgl. Glaser 2008: 85). Zu den neueren Arbeiten zählen vor allem große Syntaxprojekte wie die Arbeiten an den syntaktischen Atlanten der niederländischen Dialekte (SAND) und der deutschen Schweiz (SADS) sowie das Projekt zur Syntax des Hessischen (SyHD). Nach einer kurzen Vorstellung dieser drei zentralen Projekte werden im Anschluss die genauen Anknüpfungspunkte dargelegt.

58De Syntactische Atlas van de Nederlandse Dialecten (SAND)

59Das Ziel des SAND ist klar definiert: Barbiers et al. (2008a, b) wollen eine Datenbank, einen online verfügbaren und einen gedruckten Atlas zur syntaktischen Variation zusammenstellen. Dies soll für sämtliche niederländische Varietäten in den Niederlanden, Belgien und Frankreich durchgeführt werden (vgl. Barbiers & Bennis 2007: 53). Die Auswahl der Phänomene beruht auf vorherigen Beschreibungen in der Forschungsliteratur sowie auf der dialektologischen Kompetenz der Projektmitarbeiter. Die Phänomene umschließen vier syntaktische Komplexe: 1) linke Satzperipherie (Bsp.: double complementizers), 2) rechte Satzperipherie (Bsp.: IPP-Konstruktionen), 3) Negation und Quantifikation (Bsp.: Negationspartikeln), 4) Pronominalisierung (Bsp.: schwache und starke Pronomen) (vgl. Barbiers & Bennis 2007: 57).

60Neben den entsprechenden Dialektkarten werden im Rahmen des SAND auch zwei sehr hilfreiche Kommentarbände publiziert, in denen die Forschungsliteratur aufbereitet wird und die wichtigsten Ergebnisse kommentiert und problematisiert werden. Nicht nur, dass die areale Verteilung der Varianten auf den Atlas-Karten erklärt wird, auch das Phänomen wird in einem übersichtlichen Text adäquat beschrieben und um zahlreiche Literaturangaben ergänzt. Insgesamt liefert SAND sauber aufbereitete Ergebnisse und gute Erklärungen zu den Einzelphänomenen, die sehr übersichtlich in zwei großen Atlanten mit Karten und Kommentarband zur Verfügung stehen.

61Der syntaktische Atlas der deutschen Schweiz (SADS)

62Die Universität Zürich arbeitet seit 2000 an einem syntaktischen Atlas der deutschen Schweiz (vgl. Glaser & Bart 2016: 88). Das Projekt verfolgt drei Hauptziele: Die Erarbeitung syntaktischer Isoglossen (mit einer breiten empirischen Datengrundlage), die Vertiefung syntaktischer Theorien und Typologien auf Basis von Dialektdaten und die Etablierung einer Forschung der syntaktischen Mikrovariation bzw. Verfeinerung der Syntaxtheorie im Allgemeinen (vgl. Bucheli & Glaser 2002: 46-51). Die Zahlen des Projekts sprechen dabei für sich: vier Fragebögen (Fragetypen: Übersetzung, Satzkomplettierung, Multiple Choice) mit insgesamt 118 Fragen für 383 Orte bei 3187 Gewährspersonen, um 54 (morpho-)syntaktische Variablen zu überprüfen (vgl. Glaser & Bart 2016: 85). Hierunter fallen auch Phänomene, die in der vorliegenden Arbeit analysiert werden (u.a. Stellung von Pronomina und Klitika, Verbcluster oder doppelt besetzte Nebensatzeinleitungen). Seit Beginn des Projekts entstehen kontinuierlich Aufsätze zur Methodik sowie zu den unterschiedlichen elizitierten syntaktischen Phänomenen (bislang 60 Beiträge, vgl. SADS online 2017). Da die komplette Aufbereitung der Daten noch nicht abgeschlossen ist, können nur bestimmte Phänomene in den empirischen Kapiteln mit den schweizerdeutschen Daten abgeglichen werden.

63Syntax Hessischer Dialekte (SyHD)

64Zwischen 2010 und 2016 wird unter der Leitung von Alexandra N. Lenz (Universität Wien), Helmuth Weiß (Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main) und Jürg Fleischer (Philipps-Universität Marburg) erstmals ein deutsches, politisch eingegrenztes Dialektgebiet (Bundesland Hessen) syntaktisch erschlossen (vgl. Fleischer 2013; Fleischer et al. 2017). Die Projektziele sind eine systematische Dokumentation und Analyse syntaktischer Phänomene in den Dialekten Hessens (das Areal umfasst alle Mundarten, die innerhalb des Bundeslandes gesprochen werden, plus 12 außerhessische Erhebungspunkte). Das Erhebungsortsnetz umfasst 161 Ortspunkte, an denen die ausgewählten Phänomene zunächst anhand eines Fragebogens (indirekte Methode) elizitiert worden sind, um anschließend gezielte Interviews durchzuführen (vgl. Fleischer et al. 2017). Die getesteten syntaktischen Variablen lassen sich in fünf Gruppen zusammenfassen:

65
  • Verbalsyntax: Präteritum/Perfekt-Distribution, Konjunktivhilfsverben, Dativpassiv, Kopula, Progressivkonstruktionen, Ersatzinfinitiv
  • (Pro-)Nominalsyntax: Artikel bei Rufnamen, Indefinitartikel bei Kontinuativa, indefinit-partitive Pronomen, Reflexivpronomen, adnominale Possession
  • Kongruenz: Numerale „zwei“, Indefinitpronomen, Hybrid noun „Mädchen“, Neutrum für Personen, flektierte Konjunktion, doppelte Negation
  • Wortstellung: Verbalcluster, Pronomenfolge (SUBJ, OBJ, DO, IO), Pronominaladverb
  • Satzverknüpfung: Vergleiche, Relativsatz-Einleitung, w-Extraktion, w-Verdopplung, doubly filled COMP

66Die Ergebnisse sind mittlerweile online (mit Karten und sehr guten Übersichtsartikeln zu den Phänomenen und arealen Strukturen) und in zahlreichen Aufsätzen publiziert (vgl. SyHD 2016).

67Weitere Projekte zur arealen Erschließung syntaktischer Phänomene entstehen derzeit im alemannischen (SynAlm, Universität Konstanz) sowie im bairischen Sprachraum (SynBai, Universität Wien), zu denen es jedoch bislang nur wenige Informationen gibt. Die Internetseite von SynAlm weist bislang auf drei thematische Schwerpunkte hin: Infinitive, Adjektive und Relativsätze. Zudem besteht die Möglichkeit, als Dialektsprecher online einen Fragebogen auszufüllen.7 Neben den syntaktischen Großprojekten macht sich das „Aufblühen“ der Dialektsyntax auch in Einzelstudien bemerkbar, wie etwa die kürzlich abgeschlossene Dissertation zur Syntax des Moselfränkischen von Kallenborn (2016).8

68Der Blick auf die allgemeine Syntaxforschung zum Kontinentalwestgermanischen bietet für die Erschließung der luxemburgischen Syntax zwei Vorteile: Einerseits zeichnet sich beim Vergleich der erforschten Gebiete die Forschungslücke der Syntax des Luxemburgischen ab und andererseits können die Phänomenbeschreibungen sowohl als Orientierung als auch als Vergleich dienen.9

69Stellt man sich nun den Dialektraum der hier angeführten Projekte auf einer Karte vor, bilden sie von den Niederlanden über Hessen bis hin zum Alemannischen einen Halbkreis um das Luxemburgische (Luxemburg grenzt im Südwesten an primär französischsprachiges Gebiet). Die vorliegende Arbeit versucht nun, die luxemburgische Syntax auf empirischer Basis zu erschließen, um das Luxemburgische besser charakterisieren und verschiedene Aspekte der syntaktischen Typologie des Westgermanischen vervollständigen zu können. Über den typologischen Aspekt hinaus kann auch die Präsentation der Ergebnisse aus den angeführten Projekten als Orientierungspunkt herangezogen werden. So zeigt etwa der publizierte Kommentarband aus dem SAND, wie unterschiedliche Phänomene sinnvoll aufbereitet und unter variationslinguistischen Aspekten analysiert werden können. Bei SyHD sind vor allem die einzelnen Publikationen interessant, da hier auch unterrepräsentierte Phänomene wie Partitivkonstruktionen im Detail erschlossen werden (vgl. Strobel 2016).

Fußnoten

[2]

22Zur leichteren Lektüre wird im Folgenden immer der deutsche Ausdruck „Luxemburgisch“ verwendet.

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[3]

22Festgehalten wurde dies im Sprachengesetz vom 24. Februar 1984 (loi du 24 février 1984 sur le régime des langues).

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[4]

32In diesem Zusammenhang werden nur Personen vorgestellt, die einen Beitrag in Form eines Buches oder eines Aufsatzes zur luxemburgischen Sprachstruktur veröffentlicht haben. Journalisten, Lehrer oder Personen, die nur an der Ausarbeitung von Wörterbüchern beteiligt waren, werden nicht berücksichtigt.

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[5]

33Die Informationen zu den meisten Autoren stammen von der Seite <www.autorenlexikon.lu>. Die persönlichen Informationen zu Schanen finden sich unter <www.wikipedia.lu>, bei Newton wurde die Universitätswebseite aus Sheffield herangezogen <www.shef.ac.uk/german/staff/geraldnewton>.

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[6]

36Leider verstarb der Autor vier Jahre nach Veröffentlichung dieses Werkes.

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[7]

67Vgl. URL: http://cms.uni-konstanz.de/ling/syntax-des-alemannischen/projekt/ [Zugriff: 19.2.2017].

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[8]

67Die meisten der dort analysierten Variablen überschneiden sich jedoch nicht mit den für diese Arbeit gewählten Themen. Zudem ist die methodische Ausrichtung von Kallenborns Studie nicht direkt mit der deskriptiven Beschreibung im Luxemburgischen vergleichbar.

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[9]

68Es sollte allerdings beachtet werden, dass es sich bei den hier vorgestellten Projekten um groß angelegte Atlanten handelt, mit zahlreichen Mitarbeitern unterschiedlicher Universitäten.

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