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Zeitschrift für interkulturelle Germanistik - 11. Jahrgang, 2020, Heft 1: GiG im Gespräch 2020 / 1

Zeitschrift für interkulturelle Germanistik - 11. Jahrgang, 2020, Heft 1

GiG im Gespräch 2020 / 1

GiG im Gespräch 2020 / 1

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

liebe Mitglieder der Gesellschaft für interkulturelle Germanistik,

sehr geehrte Leserinnen und Leser der Zeitschrift für interkulturelle Germanistik,

von der GiG-Tagung im vergangenen Jahr, die am Fachbereich Translations-, Sprach- und Kulturwissenschaft in Germersheim (Universität Mainz) stattfand und unter anderem für die Verleihung der ersten beiden GiG-Preise einen ganz besonderen Rahmen bot, konnte ich bereits in der letzten Ausgabe der ZiG 2019 / 2 berichten. Das Protokoll der Mitgliederversammlung, die ebenfalls in Germersheim abgehalten wurde, haben wir inzwischen verschickt.

Nun geht es also um die nächste GiG-Tagung, die unter der Leitung des Kollegen Tomislav Zelić an der Universität Zadar in Kroatien organisiert wird. Wir sind deswegen schon länger im Gespräch und er hat vor geraumer Zeit mit den Vorbereitungen begonnen. Es wurde auch der Termin festgelegt und in der Mitgliederversammlung bekannt gegeben. Vor dem Hintergrund der turnusmäßig ursprünglich für 2020 vorgesehenen IVG-Tagung in Palermo war für unsere Planung der GiG-Tagung die Erfahrung leitend, dass es für uns alle kaum machbar ist, im selben Jahr die Teilnahme an beiden Tagungen in terminlicher und finanzieller Hinsicht zu realisieren. Auch der DAAD signalisierte uns, dass er es mit Blick auf eine Förderung überaus begrüßen würde, wenn unsere nicht im selben Jahr wie die IVG-Tagung stattfände.

Inzwischen hat sich vieles aufgrund der pandemischen Situation verändert. Wie Sie bestimmt erfahren haben, musste die IVG-Tagung vor dem Hintergrund der derzeitigen Ungewissheiten um ein Jahr verschoben werden.

Wir haben im Vorstand der GiG die Dinge nun in alle Richtungen erneut abgewogen und uns schließlich im Austausch mit dem Kollegen Tomislav Zelić darauf verständigt, die GiG-Tagung ebenfalls um ein Jahr zu verschieben. Eine ganz wesentliche Voraussetzung für diese Entscheidung haben wir besonders sorgfältig abgeklärt und dabei die Expertise eines Notars in Anspruch genommen, denn bei der nächsten Tagung stehen im Rahmen der Mitgliederversammlung der GiG wieder Gremienwahlen an. Es hat sich ergeben, dass auch in dieser Hinsicht einem neuen Termin nichts entgegensteht.

Die nächste GiG-Tagung wird nunmehr vom 19. bis zum 22. April 2022 in Zadar stattfinden.

Den Call for Papers u.a. mit der Einreichungsfrist für Ihre Beitragsvorschläge (15. April 2021) sowie dem Termin der Bekanntgabe der Annahme der Beiträge (15. Juni 2021) finden Sie schon hier im vorliegenden Heft der ZiG. Alle Termine haben wir so austariert, dass Sie gegebenenfalls schon im Herbst 2021 ihre Flüge buchen können, denn zu diesem Zeitpunkt sind die Tarife besonders günstig.

Die Tagung in Zadar im Jahr 2022 wird das Thema Interkulturelle Räume. Historische Routen und Passagen der Gegenwart unter besonderer Berücksichtigung des Mittelmeerraums fokussieren. Wie bei den GiG-Tagungen üblich, changiert das Thema zwischen den besonderen Schwerpunkten des Tagungsortes einerseits und ihren übergreifenden fachlichen Dimensionen andererseits. Im Fall unseres fachlichen Austauschs in Zadar wird es darum gehen, Interkulturalität in und zwischen unterschiedlichen Räumen im Ausgang von der deutschen Sprache, Literatur und Kultur vom Altertum in langen zeitlichen Perioden, nämlich über das Mittelalter bis zur Neuzeit und Gegenwart, zu beleuchten. Der Mittelmeerraum ist hierfür ein ausgezeichnetes Beispiel; aber auch Beiträge zur sprachlichen, literarischen, kulturellen, sozialen, politischen, ökonomischen, ökologischen Interkulturalität mit Bezug auf andere Regionen und Räume generell werden erbeten.

Da die nächste GiG-Tagung nun allerdings in weitere Ferne gerückt ist als bisher geplant, möchte ich schon heute und an dieser Stelle die auf Kulturregionen bezogene Forschung etwas ausführlicher skizzieren – gewissermaßen im Sinn eines anregenden Ausblicks auf die kommende Tagung ebenso wie auch, um unsere nächsten Gastgeberinnen und Gastgeber und ihre Arbeit in Zadar vorzustellen. Dass sie sich in ihrer Forschung intensiv mit interkulturell-germanistischen Zugängen zu ihrer Region, dem Mittelmeerraum, befassen, macht dies besonders interessant.

Und zwar wird in diesem Zusammenhang der Begriff der ›Euromediterranen Germanistik‹ verwendet, der mit verschiedenen theoretischen Grundlagen in Verbindung gebracht werden kann. Vor dem Hintergrund der Aufnahme Kroatiens in die EU im Jahr 2013 fanden inzwischen mehrere Tagungen statt, in denen der Mittelmeerraum als historische ebenso wie gegenwärtige Region der Interkulturalität unterschiedlicher Kulturen, aber auch als kulturgeschichtlicher Raum mit einer besonderen Tradition der Europaidee reflektiert wurde.

Zu den historischen Vordenkern einer Mediterranistik bzw. der Fokussierung eines geographischen Raums in der Geschichtsforschung gehört zunächst ohne Frage Fernand Braudel mit seinem Hauptwerk La méditerranée et le monde méditerranéen à l’époque de Philippe II, zuerst 1949 erschienen.

Die Entwicklung des Begriffs und Konzepts einer ›Euromediterranen Germanistik‹ wurde weiterhin angeregt durch das von Paul Michael Lützeler begründete Modell der ›Transatlantischen Germanistik‹, das Prozesse kultureller Wechselbeziehungen unterschiedlicher Qualitäten im Sinn von »Komplementarität, Konkurrenz und Antagonismus« (Lützeler 2013: IX) akzentuiert. Zu den Grundannahmen dieses transkontinentalen und interkulturellen Modells, die auch für die ›Euromediterrane Germanistik‹ gelten, gehören die Akzentuierung des Transfers in mehrere Richtungen sowie die Berücksichtigung verschiedener Wissenschaftstraditionen beziehungsweise Diskurse in den Germanistiken der Mittelmeerregion. Ein Unterschied besteht hingegen darin, dass der Mittelmeerraum von einer ganzen Reihe von Sprachen und somit von Philologien geprägt ist, so dass der Zugang der ›Euromediterranen Germanistik‹ nur einer unter verschiedenen ist und sich deswegen bewusst als Teil dieses Spektrums begreift, zu dem die maghrebinischen und ägyptischen sowie levantinischen Germanistiken zumindest teilweise gerechnet werden können.

Interessanterweise werden wichtige Impulse auch auf literarische Autoren zurückgeführt. Hierzu gehört Hermann Broch, dessen Beforschung maßgeblich von Paul Michael Lützeler geprägt wurde. Zu der jüngeren Generation der Broch-Forscherinnen und -Forscher gehört Tomislav Zelić. In Zusammenarbeit mit Zaneta Sambunjak haben Paul Michael Lützeler und Tomislav Zelić überzeugend entwickelt, dass Hermann Brochs Denken in seiner Einbettung in den Kontext der Donaumonarchie des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts zu sehen sei und seine Auseinandersetzung mit dem Zerfall der Werte hiervon nicht abgelöst werden dürfe (vgl. Zelić / Sambunjak / Lützeler 2018). In der Suche nach Ursprüngen Europas wurde auch von Hermann Bahr auf die euromediterrane Tradition verwiesen und Dalmatien sogar als Vorbild für Österreich anempfohlen (vgl. Bahr 1909; Zelić 2016).

In jüngerer Zeit hat Dieter Heimböckel den Begriff des ›Mediterranismus‹ in die Diskussion eingebracht und sich dafür stark gemacht, ihn als Denkfigur zur Erforschung des ›südlichen Blicks‹ zu akzentuieren (vgl. Heimböckel 2017). In seinem programmatischen Artikel in der ZiG zeigt er entsprechende begriffliche und konzeptuelle Grundlagen auf und plädiert für die Weitung fachlicher Grenzen, um dem komplexen Gegenstand gerecht werden zu können. Damit macht er dankenswerterweise zugleich mit Bezug auf das Forschungsfeld der philologischen Mediterranistik die unhintergehbaren Verbindungen von Interkulturalität und Inter- bzw. Transdisziplinarität kenntlich.

Alle diese Fäden, in denen die Interkulturalitätsforschung in Bezug auf einen besonderen Raum enggeführt wird, kulminierten sogar schon in der Begründung einer Zeitschrift: 2019 ist das erste Heft der neu lancierten GEM (Germanistica Euromediterrae) in Zadar erschienen. Herausgegeben wird die GEM von Tomislav Zelić, Anita Pavić Pintarić und Zaneta Sambunjak, die in der Abteilung für Germanistik der Universität Zadar tätig sind und auch die Organisation der GiG-Tagung 2022 in ihren Händen haben. Die GEM hat sich zum Programm gemacht, die germanistische Forschung zum Mittelmeerraum zu repräsentieren und dies sowohl in historischer Tiefe vom Mittelalter bis zur Gegenwart als auch in fachlicher Breite mit linguistischen, literaturwissenschaftlichen und kulturwissenschaftlichen Beiträgen. Dies entspricht im Übrigen auch der germanistischen Interkulturalitätsforschung, wie sie in der GiG vertreten wird. Mit diesem – gewissermaßen zweidimensional angelegten – Fächer der historischen Tiefe und fachlichen Breite verspricht die GEM, sich als wichtiges Organ zu profilieren, indem eine facettenreiche Auseinandersetzung mit der Mittelmeerkultur auch im Sinn einer Heuristik etabliert wird. Insofern kann diese Zeitschrift durchaus Modellcharakter für vergleichbare weitere wissenschaftliche Journale und Jahrbücher erhalten.

Im ersten Band, der übrigens auch graphisch und im Layout professionell und besonders ansprechend gestaltet ist, werden neun literaturwissenschaftliche und sechs sprachwissenschaftliche Beiträge von Kolleginnen und Kollegen aus dem Mittelmeerraum (Serbien, Griechenland, Bosnien und Herzegowina, Slowenien, Mazedonien, Kroatien) sowie Österreich und Deutschland präsentiert. Dabei werden u.a. Texte heute wenig beachteter Autorinnen und Autoren wie Paula von Preradović (Johann Georg Lughofer, Ljubljana) und Jako Philipp Fallmerayer (Stefan Lindinger, Athen), aber auch ›Höhenkammliteratur‹ wie Canettis Stimmen von Marrakesch (Branka Ognjanović, Kragujevac) sorgfältigen Analysen unterzogen. Unter den linguistischen Arbeiten finden sich solche, die sich durch anregende Fragestellungen und konzeptuelle Grundlagen auszeichnen, in denen linguistische Methoden mit kulturwissenschaftlichen Fragestellungen verbunden werden. So setzt sich etwa Alexa Mathias (Hannover) mit stereotypen Einstellungsmustern der mitteleuropäischen Gesellschaften gegenüber dem sogenannten Balkan auseinander.

Es würde mich freuen, wenn ich Ihr Interesse wecken konnte, denn Sie finden Nr. 1 online unter https://morepress.unizd.hr/journals/gem.

Mein ganz herzlicher Dank gilt den Kolleginnen und Kollegen in Zadar schon an dieser Stelle für ihre freundliche Bereitschaft, die GiG-Tagung nun im Jahr 2022 zu veranstalten. Ich freue mich schon jetzt auf das Wiedersehen mit Ihnen allen.

Mit herzlichen Grüßen und meinen ganz besonderen guten Wünschen für Sie verbleibe ich

Ihre

Gesine Lenore Schiewer

Literatur

Bahr, Hermann (1909): Dalmatinische Reise. Berlin.

Braudel, Fernand (1949): La méditerranée et le monde méditerranéen à l’époque de Philippe II. Paris.

Heimböckel, Dieter (2017): Mediterranismus oder vom Nutzen und Nachteil einer Denkfigur zur Erforschung des ›südlichen Blicks‹, in: Zeitschrift für interkulturelle Germanistik 8, H. 2, S. 73-85.

Lützeler, Paul Michael (2013): Transatlantische Germanistik. Kontakt, Transfer, Dialogik. Berlin.

Zelić, Tomislav (2016): Traditionsbrüche. Neue Forschungsansätze zu Hermann Bahr. Frankfurt a.M. u.a.

Ders. / Sambunjak, Zaneta / Lützeler, Paul Michael (2018): Hermann Broch im Kontext der Donaumonarchie. Tübingen.

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