Das Versprechen der Globalisierung
Kulturwissenschaftliche Perspektiven im interdisziplinären Handbuch Globalisierung
Wie ein literarisches Manifest des Aufbruchs ins Globale liest sich ein 1992 erstmals veröffentlichtes Protokoll von Christoph Ransmayer über eine Lastwagenfahrt auf Java. Während der strapaziösen Fahrt auf der Ladefläche inmitten einheimischer Händler macht der Fremde durch eine hervorgezogene indonesische Zeitung mit dem Bericht über ein Fußballspiel die spontane Erfahrung einer durch das »Labyrinth der Kulturen« und Sprachen hindurchführenden weltgesellschaftlichen Verständigung (vgl. Ransmayr 1997: 221–227).
Ransmayrs Text spiegelt sehr gut die in den 1990er Jahre anhebende Globalisierungseuphorie wider, die u.a. von visionären Weckrufen, wie dem vom »global village«,1 inspiriert worden war. Indes sind die epochalen Erwartungen einer Phase der Desillusionierung gewichen. Schon werden die ersten Nachrufe auf ein ›Zeitgeist‹-Phänomen verfasst: »The ›age of globalization‹ is unexpectedly over« heißt es apodiktisch (Rosenberg 2005: 3). Etwas zurückhaltender äußern sich die beiden Herausgeber des in der verdienstvollen Reihe interdisziplinärer Handbücher des Metzler-Verlags erschienenen Handbuchs Globalisierung,2 die Philosophen Andreas Niederberger und Philipp Schink. »Rückblickend«, so leiten sie ihren Band ein, sei ›Globalisierung‹ um die Jahrtausendwende herum »eines der Schlagwörter im wissenschaftlichen und öffentlichen Diskurs« gewesen (1). Der Band stellt somit nicht nur ein Resümee der mit dem Metabegriff verbundenen Erwartungen, Möglichkeiten und Enttäuschungen in Aussicht. Die mutmaßliche Zäsur im Globalisierungsdiskurs wirft auch die Frage auf, inwieweit die Vorbehalte eher einem Unbehagen an der Bezeichnung gelten oder auch die darunter versammelten ökonomischen, politischen, sozialen und kulturellen Transformationsprozesse selbst betreffen. Die Skepsis, ob angesichts von Krisen, weltzonalen Fragmentierungen und der Zunahme globaler Ungleichheiten »die allgemeine Rede von der Globalisierung« (22) noch zutreffend sei, teilen nicht wenige Artikel. Allerdings stellt der Band indirekt auch klar, dass eine von Modernisierungstheoretikern in ähnlich gelagerten Fällen gerne genutzte Pluralisierung von Leitbegriffen wenig Sinn machen würde: Von ›Globalisierungen‹ ist, soweit ersichtlich, nirgends die Rede. Wie andere »Metaphern der Gesellschaft« lebt ›Globalisierung‹ vom »imaginären Surplus« einer »Einheitssemantik« (Lüdemann 2004: 17), die in diesem Fall ›aufs Ganze‹ zielt und auf die höchste Ebene von Welterfassung verschoben worden ist.
Beim Aufbau des Bandes haben sich die Herausgeber erhebliche Beschränkungen aufgelegt, um gegen den Gebrauch einer polarisierenden Metaphorik die »deskriptiven, analytischen und normativen Leistungen« (6) des Globalisierungsdiskurses in den Blick zu bekommen. In den Großkapiteln I. Phänomene, II. Forschung und III. Kernthemen spüren über 50 Autorinnen und Autoren der Reichweite dieses Diskurses für ihr jeweiliges Spezialgebiet in diachroner wie synchroner Hinsicht nach, ein Fluchtpunkt bildet dabei die Finanz- und Wirtschaftskrise seit 2007/08. Tatsächlich dominiert in den sich beschleunigenden Krisenstadien zunehmend ein Verständnis von Globalisierung als Symptom eines ökonomisch-autoritären Politjargons. Die Korrumpierung der Globalisierungssemantik wirft allerdings auch Fragen nach den Strukturen und Diskursivitäten medial-journalistischer Globalisierungsszenarien und deren Bedeutung für die wissenschaftliche Beobachtung auf, die im Band leider unberücksichtigt geblieben sind.
»Evidenzen« der Globalisierung werden von den Herausgebern vorrangig in der Ökonomie, in der Politik und dem Recht vermutet, da diese Funktionssysteme »in der allgemeinen Wahrnehmung« als »Kernbereiche der Globalisierung« (6) aufgefasst werden. Entsprechend stehen Globalisierungsprozesse in diesen drei Sparten im Großkapitel Phänomene an erster Stelle. Spiegelbildlich folgen im Großkapitel Forschung zunächst Beiträge zu den Globalisierungsansätzen in Wirtschaft-, Politik- und Rechtswissenschaften. Auch im dritten Kernthemen-Teil nehmen diese sich vielfach überlappenden drei Bereiche breiten Raum ein.3
Für Laien dürfte der Gewinn der Beiträge zu diesen »Kernbereichen« vor allem in den notwendigerweise stark komprimierten Einführungen in wesentliche spezialdiskursive Problemstellungen liegen. Es empfiehlt sich, die Beiträge aufeinander bezogener Themenfelder wenigstens in den Kapiteln I. und II. zusammenzulesen, um einen Überblick über den nicht immer friktionsfreien Diskussionsstand zu bekommen. So konterkarieren Einsichten in den historischen Verlauf der ökonomischen Globalisierung die Annahmen des gegenwärtigen »wirtschaftswissenschaftlichen Mainstream[s]« (96). Während wirtschaftshistorisch Globalisierung beobachtet wird als »diskontinuierlicher und nichtlinearer Prozess […], in dem sich Phasen und Schübe der Globalisierung und der De-Globalisierung abwechseln« (10), beschreibt der erst seit Mitte der 1980er Jahre in den ökonomischen Fachdisziplinen aufkommende, stark normbildende Begriff einen kaum weiter hinterfragten, »quasi naturwüchsigen« Prozess des stetigen »Anwachsens grenzüberschreitender Ströme und Aktivitäten« (95).
Gute Gründe für historische Betrachtungsweisen liefern Vergleiche wie die, dass der Grad an ökonomischer Globalisierung im 19. Jahrhundert nicht geringer, wenn nicht sogar größer war als heute, zumal die bis vor Kurzem forcierte Liberalisierung der Kapitalmärkte im scharfen Kontrast steht zur internationalen Migration von Arbeitskräften, die »so restriktiv wie nie zuvor in der Geschichte« (99) gehandhabt wird. Überhaupt zeichnen sich viele Beiträge durch eine explizite Berücksichtigung der mit den Globalisierungsprozessen verbundenen Kehrseiten aus. Die früheren unverhohlenen Gewaltverhältnisse und heutigen subtileren Ausgrenzungsmechanismen treffen insbesondere die südlichen Länder. Vor allem die Machtverhältnisse in der Welthandelsorganisation führen dazu, dass »über 100 Staaten der Erde […] lediglich Zaungäste der ökonomischen Globalisierung« (21) sind.
Die politische Globalisierungsdebatte erscheint weniger deutlich konturiert, da sie stark von ökonomischen, soziologischen sowie rechtlichen Faktoren abhängt. Vorstellungen wie die von einer »Weltgesellschaft« oder etwa die Umkodierung des internationalen Rechts »von Koexistenz auf Kooperation« (34) zwingen den politischen Diskurs, überkommene Leitunterscheidungen, so von ›Freund‹/›Feind‹, neu zu überdenken. Der zunehmend globalen Gesellschaft kommt die Feindschaft erzeugende Außenseite abhanden. Politisch-mediale Figurationen wie die des ›Terroristen‹ decken nicht zuletzt den nach wie vor vorhandenen Bedarf an Erscheinungsformen des kategorial Fremden ab.
In dem Maße, in dem Globalisierung im 20. Jahrhundert als »Prozess der Entstehung einer einzigen, negativ und positiv integrierten Weltgesellschaft« (28) an Plausibilität gewinnt, wächst schließlich die Aufmerksamkeit für neue politische Räume im Spannungsfeld zwischen nationalstaatlicher Souveränität und den Regulationsmechanismen der Global Governance (vgl. 111). Allerdings wäre es missverständlich, das hauptsächlich durch den Filter der luhmannschen Systemtheorie geläufige Konzept der Weltgesellschaft mit einem eindimensionalen Globalisierungsbegriff in Verbindung zu bringen. Den Ausführungen Hauke Brunkhorsts im Politik-Artikel zufolge bezieht sich das Konzept in erster Linie auf den Umstand, dass es Kriterien der Abgrenzung partikularer Gesellschaften nicht gibt und dass sozialen Systeme, die Lebenswelt insgesamt, an politisch gezogenen Grenzen nicht haltmachen. Andeutungen über ein dem Politischen offensichtlich vorgelagertes »kulturelles Hintergrundwissen […], das für die Weltgesellschaft im Ganzen konstitutiv ist« (27) – bei Luhmann formal als kommunikative Einheit der Menschheit gedacht –, bleiben an dieser Stelle jedoch vage.
Nicht nur innerhalb des politikwissenschaftlichen Diskurses schlägt sich die Ausrichtung auf eine Weltgesellschaft, sei sie empirisch verstanden oder als Regulativ gesetzt, in erster Linie als Modifikation von Forschungsprämissen nieder. Wiederholt greifen die Beiträge auf Ulrich Becks Vorwurf des »methodologischen Nationalismus« (z.B. 118) zurück, um fachdisziplinäre Defizite auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Diese betreffen neben den Politikwissenschaften insbesondere die Soziologie und die Geschichtswissenschaften, wobei gerade hier, ungeachtet pointierter neuerer Ansätze, wie dem von Jürgen Osterhammel (2009), nach wie vor »ein Unbehagen am Globalisierungsparadigma« (157) präsent ist.
Als Gegenstück zum »methodologischen Nationalismus« nimmt das Konzept des »Kosmopolitismus« in den Beiträgen des Bandes breiten Raum ein. Es umfasst einerseits eine ethische Theorie des Weltbürgertums, andererseits das Postulat einer Entkoppelung politisch-rechtlicher Strukturen von nationalstaatlichen Gegebenheiten. Bereits in ihrer Einleitung verweisen die Herausgeber auf das Gründungsdokument, auf Kants Schrift Vom ewigen Frieden (1795), derzufolge es zu den wesentlichen Bedingungen des »ius cosmopoliticum« gehört, dass die »die Rechtsverletzung an einem Platz der Erde an allen gefühlt wird« (Kant 1981: 216). Verfolgt werden die Metamorphosen des Kosmopolitismus-Konzepts bis hin zu Becks Verständnis von Globalisierung als Logik einer »cosmopolitanisation« (110), in der das Globale und Lokale reziprok aufeinander bezogen bleiben, und Jürgen Habermas’ Vorstellung vom »kosmopolitischen Republikanismus« (258) als Reaktion und Gegengewicht zur ökonomischen Eigendynamik und einer Vielzahl an Menschenrechtsverletzungen.
Deutlich wird dabei aber auch, wie selbstverständlich die Fluchtlinien globalisierter, das Souveränitätsaxiom des Nationalstaates aushebelnder, politisch-rechtlicher wie philosophisch-moralischer Standpunkte in einer westlich-liberalen Denktradition stehen. Auf der einen Seite erscheint das Modell insgesamt zwingend, zumal dann, wenn man, wie Hauke Brunkhorst im Politik-Artikel vorschlägt, die Globalisierungsdiagnosen auf der Ebene sozialer Evolution betrachtet. Demnach gehören die »in politische Programme, ins positives Recht und kulturelle Selbstverständlichkeiten einer entstehenden Weltbürgergesellschaft« umgesetzten »kosmopolitischen Ansprüche […] schon lange zum semantischen Vorrat der Evolution« (40), die diskontinuierlich Globalisierungsschübe hervortreibt. Als wichtiges Ereignis gilt hier die Erweiterung des römischen Zivilrechts durch Erfindung eines »ius gentium« als Grundlage des im mittelalterlichen Kirchenstaat neugeschaffenen kanonischen Rechtskorpus, wodurch es überhaupt erst möglich wurde, »jede Sorte von Konflikten […] in einen Rechtsfall zu verwandeln.« Insofern, merkt Brunkhorst zutreffend an, »ähnelt die Ordnung der heutigen Europäischen Union der hochmittelalterlichen Klerikalverfassung Europas« (39). Gerade diese entwicklungsgeschichtlichen Verbindungslinien sind in letzter Zeit als Einsatzpunkte für globalisierungskritische Theorien in Anspruch genommen worden. Für Michael Hardt und Antonio Negri gehören sie zur Genealogie des »Empire« (Hardt/Negri 2002: 24ff.) und für den Rechtstheoretiker Pierre Legendre beginnt mit der christlichen Übernahme des römischen Rechts jenes rechtspositivistische Vernunftsverständnis, das als »hegemoniales Amalgam aus Technik, Wissenschaft und Wirtschaft« das heutige Verständnis von Globalisierung dominiert (Mein 2010: 9; vgl. Legendre 2010: 26f.). Selbst Habermas’ neuerliche Warnungen vor einem »postdemokratischen Zeitalter« rekurrieren auf diese Kehrseite westlicher Institutionalisierungsprozesse, die sich ihrer kosmopolitischen Maximen zu entledigen scheinen (vgl. Habermas 2011).
Im Band bleibt dieser Aspekt der unilateralen Auslegung von Globalisierungsprozessen dann doch eher im Hintergrund. Der im Soziologie-Artikel erwähnte Versuch von Anthony Giddens, den Hegemonie-Vorwurf mithilfe einer kasuistischen Unterscheidung zu begegnen, nach der Globalisierung explizit nicht als »Verwestlichung, sondern als Übersetzung der institutionellen Muster der westlichen Moderne in einen globalen Kontext« (133) zu verstehen ist, erscheint wenig überzeugend. Es kann durchaus, worauf im Artikel Recht hingewiesen wird, »im anthropologischen Rahmen des Multikulturalismus […] zu einer absoluten Unvergleichbarkeit zwischen verschiedenen Rechtssystemen« kommen, da es »Rechtsbereiche in einigen Kulturen und Regionen der Welt gibt, die von westlichen Beobachtern nicht als Teile des Rechtssystems anerkannt werden« (46). In vielen Fällen vermag sich dann eine institutionelle Autorität westlicher Rechtspositionen durchsetzen. Die jüngste Debatte um ›Beschneidungen‹ in Deutschland liefert hierfür reichlich Studienmaterial. Ein anderes, mehr auf den weltbürgerlichen Habitus bezogenes Beispiel für den westlichen Hegemonieanspruch stellt der gegenwärtige Zustand einer sich auf kosmopolitische Grundsätze berufenden »globalen Zivilgesellschaft« dar. Faktisch besteht diese zu einem nicht geringen Teil »aus selbst ernannten transnationalen Elitenetzwerken von Missionaren, Moralunternehmern und Lobbyisten […], die weder besonders demokratisch noch repräsentativ, niemandem rechenschaftspflichtig, meist westeuropäisch dominiert und häufig nicht besonderes progressiv« sind (366). Offensichtlich stößt hier die auf Rousseau zurückgehende Vorstellung, »dass die Partizipation von Fremden einzelstaatliche Borniertheiten überwinden hilft« und sukzessive zu einer »Universalisierung von Beteiligungsrechten« führt, an Grenzen (286).
Wünschenswert wäre eine systematische, in einem Artikel komprimierte und dadurch sicher auch zugespitzte Auseinandersetzung mit dem Kosmopolitismus gewesen, die bereits bei den Ambivalenzen der Maxime des »ius cosmopoliticum« hätte ansetzen könnte. Zweifelsohne gehört das gemeinschaftliche Gefühl angesichts einer Rechtsverletzung zu den sittlichen Grundlagen der Menschenrechte, andererseits wären aber auch die Verformungen des Kantischen Postulats hin zu einer fragwürdigen grenzenlosen Einfühlung ohne Handlungsfolgen im Zeitalter globaler Medienkultur zu berücksichtigen.
In spezieller kulturwissenschaftlicher Sicht erscheint der Aufbau des Handbuchs durch die Trennung von »Kernbereichen« der Globalisierung und nachgeordneten, ›weichen‹ Randbereichen eher unbefriedigend. Die Anordnung ähnelt stark einer Setzung von Invariablen und Variablen wie man sie von Wallersteins Weltsystemtheorie her kennt. Aber auch wenn man diese Gewichtungen akzeptiert, bleiben eine Reihe von Themensetzungen unklar. So wird gerade für den Komplex kultureller Globalisierung in den Großkapiteln I. und II. der Ansatz von Korrespondenzen zwischen »Phänomenen« und »Forschung« nicht konsequent weiter verfolgt. Es gibt Artikel zur Literaturwissenschaft und zur Medien- und Kulturwissenschaft, aber weder ›Medien‹ noch ›Literatur‹ finden vorher als »Phänomene« von Globalisierung Berücksichtigung. Ein auf ›Stadt und Raum‹ Bezug nehmender Korrespondenzartikel zur Geographie findet sich erst in Kapitel III. 4. 4 (Urbanisierung und Stadtflucht). Und schließlich fällt auf, dass der Grundlagenartikel Kultur nicht im vorderen Teil unter den Kernphänomenen von Globalisierung subsumiert wurde, sondern weit hinten unter der Rubrik Globalisierungskritik (III. 6.), wo er direkt nach einem Artikel über den Postkolonialismus den Darstellungsteil des Bandes beschließt.
Dabei stellt sich zunächst die Frage, ob das Universalisierungspotenzial von ›Kultur‹ als ein wichtiger Bestandteil des lebensweltlichen Erfahrung von Globalisierung nicht eine eigene Betrachtung verdient hätte. Selbst die konzisen wie umsichtigen Ausführungen zu diesem Zauberwort von Claus Leggewie und Dariuš Zifonun führen ungeachtet der globalisierungskritischen Vorzeichen, unter denen ihr Artikel gestellt wurde, mit einem Abschnitt über »World Music« vor, dass entsprechende Phänomene nicht gleich mit dem kulturpessimistischen Lamento der ›McDonaldisierung‹ belegt werden müssen. In der »affektiv-kommunikativen Atmosphäre des globalen Jammings« (384) kommt die ansonsten dubios anmutende »Annahme einer für die Weltgesellschaft im Ganzen konstitutiven Weltkultur« (27) dann doch eher wie nebenbei zum Vorschein. Nicht nur in den politisch-rechtlichen Diskursen, sondern ebenso im Bereich des »Globalen Populären« (zu dessen Theoriefähigkeit vgl. Stäheli 2000), der profanen Kommunikation (Sport, Filme, Musik etc.), aber eben auch in der Literatur – wie sich an dem eingangs erwähnten Reisetext von Christoph Ransmayr zeigen ließe – sind Bausteine für kosmopolitische Identitätskonstruktionen aufzufinden.
Ungewiss ist, ob die Platzierung des Kultur-Artikels an den Schluss als Zeichen für einen unabgeschlossenen Diskussionsprozess und auf eine – ähnlich wie in den 1990er Jahren – neuerliche »Refokussierung auf die kulturellen Dynamiken der Gesellschaft« (132) verstanden werden darf. Dagegen spricht, dass im darauf folgenden Glossar und im Sachregister weitere Prädikationen und Anschlussbegriffe von »Kultur« bis auf zwei knappe Ausnahmen (Postkolonialismus; Kulturelle Konflikte) nicht lemmatisiert worden sind, obwohl viele Beiträge doch von kulturwissenschaftlichen Begrifflichkeiten Gebrauch machen. Über »Weltkultur« würde man sich gerne ebenso rasch im Band orientieren wie über »Interkulturalität«. Im Kultur-Artikel wird der für alle Globalisierungsdebatten so grundlegende Komplex ›Sprachenproblematik und Sprachenpolitik‹ zumindest angerissen (382); eine gesonderte Auseinandersetzung mit diesem brisanten Thema fehlt im Handbuch völlig.
Was zunächst die besondere Relation zwischen Globalisierung und Literatur betrifft, so hat diese gegenüber den digitalen Medien ihre Rolle als kulturelles Leitmedium zwar längst eingebüßt, sie zehrt aber weiterhin von ihrem Ruf, frühzeitig eine kulturelle Globalisierungssemantik entwickelt zu haben. Jörg Kreienbrock verfolgt im Artikel Literaturwissenschaft die Auslegungen von Goethes Konzept der Weltliteratur, das doch mehr partikularen als universellen Interessen gedient hat und eng mit der Herausbildung der Komparatistik verbunden gewesen ist. In einem Zitat René Welleks zeigt sich, dass die »deutschnationale Fehllektüre« (165) der goetheschen Weltliteratur ihr Pendant auf europäischer Ebene hatte: »›Zumindest die westliche Literatur bildet eine Einheit, ein Ganzes‹« (166), schrieb Wellek 1973, und bekräftigte damit wenige Jahre vor Edward Saids 1978 erstmals erschienener Orientalism-Studie im Grunde noch einmal das »europäische Definitionsmonopol von Weltliteratur« (171). Es wäre hier aber auch noch Harold Blooms vieldiskutierte Verteidigung des Western Canon (1994) zu erwähnen gewesen, der zu dieser Zeit durch die Studien von Homi Bhaba schon brüchig wurde und seitdem von Gayatri Chakravorty Spivak offen bestritten wird.
Literaturwissenschaftliche Aspekte der Globalisierung fallen bei Kreienbrock wie selbstverständlich in den Zuständigkeitsbereich der Komparatistik und der Postcolonial Studies.4 Dass die aus der Germanistik entstandene interkulturelle Literaturwissenschaft, die sich Kulturverflechtungen auch jenseits kolonialer Kontexte widmet, keine Berücksichtigung gefunden hat, dürfte nicht zuletzt der mangelnden direkten Auseinandersetzung mit dem Globalisierungsparadigma, vielleicht auch einem »methodologischen Nationalismus« in diesem Forschungsgebiet geschuldet sein. Überhaupt hat die Literaturwissenschaft bislang weder die neuen globalen Bedingungen, unter denen heute Literatur produziert, distribuiert und rezipiert wird, noch das besondere Erkenntnispotenzial literarischer Diskurse für die aus der Globalisierung entstandenen gesellschaftlichen Verwerfungen systematisch in den Blick genommen.5 Es spiegelt allerdings auch den prekären Stellenwert von Literatur in der global ausgerichteten Wissenskultur, dass man nach dem spezifischen Beitrag der Literaturwissenschaften zur Globalisierungsforschung fragen kann, ohne die Literatur selbst als Phänomen eigens thematisieren zu müssen.
Bei den durch die Anlage des Bandes besonders betonten globalisierungskritischen Aspekten von Kultur handelt es sich bei genauerer Betrachtung eher um eine Revision simplifizierender Einstellungsmuster, die allerdings kaum auf den einen Kultur-Artikel beschränkt bleibt. Bündelt man die kulturwissenschaftlich orientierten Beiträge (vor allem: Soziologie, Religionswissenschaft, Geschichtswissenschaft, Literaturwissenschaft, Medien- und Kulturwissenschaft, Geographie, Postkolonialismus sowie Kultur), so stehen sich zwei unterschiedliche, komplexitätsreduzierende bzw. komplexitätssteigernde Positionen gegenüber. Eine häufig genannte Reizfigur ist Samuel Huntington, der den gesamten Prozess der Globalisierung sowieso als Veranstaltung von Eliten verdächtigt hate.6 Dennoch tut man sich, etwa in den Artikeln zur Religion und Religionswissenschaft, schwer mit einer Zurückweisung seiner populärwissenschaftlichen Thesen, die zu einem guten Teil nach dem Prinzip einer Self-fulfilling prophecy funktionieren. So wie man sich einerseits gegen die Behauptung essenzieller Kulturunterschiede à la Huntington absetzen will, so will man sich andererseits auch nicht der Vorstellung einer stetigen Homogenisierung von Lebensformen ergeben, wie sie in Teilen des »Kernbereichs« noch vorherrschen.7 Gerade hier wird Globalisierung oft noch als – wie es Andreas Eckert im Artikel Geschichtswissenschaft formuliert – »gewendete Modernisierungstheorie« begriffen. Zu Recht warnt Eckert davor, »das Konzept der Globalisierung zu verabsolutieren und zu einem Metanarrativ zu stilisieren, das die Schwächen des früheren Modernisierungsbegriffs, inklusive seiner Teleologie reproduziert.« (159)8
Die globalisierungskritische Dimension von »Kultur« ist jenseits der Alternative von Globalisierungsverweigerung und -anpassung eher in einer Perspektivenverschiebung zu suchen, die in gewisser Hinsicht den Status quo kulturwissenschaftlicher Globalisierungsforschung bestimmt. In dieser Perspektivenverschiebung liegt im Grunde auch die Antwort auf die von den Herausgebern als Leitfaden aufgeworfene und in den Beiträgen zum »Kernbereich« häufig abschlägig beschiedene Frage nach dem »phänomenal Neue[n]« (6), das die gegenwärtige Globalisierungsphase von früheren unterscheidet und eine Globalisierungsforschung erst rechtfertigt.
Zu den hierfür instruktiven Beiträgen gehören der von Friedrich Balke (Medien- und Kulturwissenschaften), der vor allem auf der medientheoretischen Präzisierung von ›Welt‹-Vorstellungen und der anthropologischen Dimension medialer Globalisierung insistiert sowie der bereits erwähnte Beitrag von Leggewie/Zifonun (Kultur), in dem eine Revision geläufiger Bestimmungen von ›Kultur‹ mit der nicht revidierbaren »intercultural condition« als »Conditio humana unserer Tage« (381) begründet wird. Beide Artikel entwickeln ihre Überlegungen auf der Grundlage intensiver Auseinandersetzungen mit einseitigen Auslegungen, binären Schematisierungen und scheinbar fest gefügten Ordnungsvorstellungen. Wissenschaftsintern entspringt diese erhöhte Selbstreflexivität zweifellos aus dem Umstand, dass die Kulturwissenschaften sich immer auch als Teilmoment ihres Gegenstandes begreifen. Hinzu kommen Effekte des Imports postkolonialer Theoriekonzepte in die ›westlichen‹ Kulturwissenschaften, wobei der Postkolonialismus in den kulturellen Globalisierungsdebatten insgesamt als Korrektiv »eurozentristischer ›Meistererzählungen‹« (374) fungiert.9
Entscheidend sind aber offenkundig Koppelungen mit den lebensweltlichen Transformationen von Kultur. Hier wirken sich mittlerweile direkte Konfrontationen mit den lange Zeit nationalkulturell verdeckten paradoxen Konstitutionsbedingungen aus, wonach das kulturell ›Eigene‹ ohne Bezugnahme auf das ›Andere‹ nicht zu haben ist (vgl. 171f.). Als Folge der extremen Verdichtung von Kulturkontakten durch weltumspannende Kommunikationsnetze entstehen Ambivalenzen und Uneindeutigkeiten, die dazu führen, dass »die Menschen als Handelnde in ihrem Alltag die Wirklichkeit stets als interkulturell erfahren« (381). Nationale wie regionale Kulturen, Identitätsentwürfe und Wissensbestände geraten unter Druck, weil sie mit Alternativen in ein und demselben lokalen Raum konfrontiert werden. Auch wenn die Subjekte überwiegend an überlieferten Lebensformen festhalten, können diese doch nicht mehr auf dieselbe Weise interpretiert werden, seit man um Alternativmöglichkeiten weiß. Man wird, ob man will oder nicht, der Kontingenz der eigenen Kultur gewahr, selektive Abgrenzungen zu anderen kulturellen Formen sind nicht auf Dauer fixierbar, sondern müssen immer wieder neu ausgehandelt werden.
Kennzeichen des gegenwärtigen Globalisierungsprozesses sind von daher vor allem sich verschärfende Differenzwahrnehmungen. In Hinblick auf kulturelle Homogenisierungstendenzen wirken diese sicherlich globalisierungskritisch. Sie sollten aber keinesfalls mit kategorialen Abgrenzungen und Frontstellungen gleichgesetzt werden, so als ob sich im Feld der Kultur eine analoge »De-Globalisierung« (103) abzeichnet wie in dem von Krisen gebeutelten ökonomischen Sektor. Viel eher treiben die Differenzwahrnehmungen neue Perspektiven hervor. Denn die Erfahrung paradoxaler Verfasstheit von Kulturen bedingt im Grunde auch die Erfahrung paradoxale Verfasstheit von Globalisierung, insofern die Imaginationen einer Einheit von ›Welt‹ zuallererst auf ihre Differenzen verweist und auch nur durch sie hergestellt werden kann.10
Aus dieser zweifellos vertrackten Bestimmung von Kultur im Globalisierungskontext ziehen die Beiträge ähnliche Schlussfolgerungen. Um der »Differentialität« von Kultur Rechnung zu tragen, plädiert Balke auf kulturtheoretischer Ebene dafür, den aus seiner Entstehungsphase längst herausgetretenen Kulturbegriff »von einem primär normativen auf einen kognitiven Erwartungsstil« umzustellen. Die Bedeutungen von Kulturen sollten nicht mehr in der »Verteidigung einer imaginären Herkunft«, sondern in ihren »zukünftigen Potentialen« gesucht werden (172). Anschlussfähig sind hier die Überlegungen von Leggewie/Zifonun zum »pragmatische[n] Verständnis von Interkulturalität« im postnationalen Zeitalter: Die aus dem Zwang zum multiplen Umgang mit Differenzen entstehenden Verunsicherungen und die Suche nach »neuen Formen der Normalität« (381) erfordern besondere »Ambivalenzbewältigungsstrategien« (385), derer sich die Kultur der Moderne verweigert hat.
Es fällt auf, dass Leggewie/Zifonun diese Strategien mit der aus dem Postkolonialismus bekannten »›dritten Position‹« (382) nur sehr allgemein theoretisch umreißen und stattdessen mit dem oben erwähnten Beispiel der »World Music« einer »konkreten Manifestation des Kulturellen« (382) sehr viel mehr Aufmerksamkeit widmen. Der Rekurs aufs Anschauliche mag der erhöhten Praxisverpflichtung in den Kulturwissenschaften geschuldet sein. Legt man jedoch den Soziologie-Artikel von Jörg Dürrschmidt daneben, der nicht nur durch eine exzellente Skizze der Globalisierungsdebatten besticht, so könnte man dahinter durchaus Symptomatisches vermuten. Denn mit den Beobachtungen von Veränderungen in der »diskursiven Logik von kultureller Reproduktion« und den Hervorbringungen »neuer kultureller Differenzierungen« (136) sind die immer schon stark von soziologischen Fragestellungen bestimmten Theorien an einem neuralgischen Punkt angekommen. Über eine Zusammenstellung wesentlicher (kultur-)soziologischer Ansätze hinaus fragt Dürrschmidt nach dem »analytischen Mehrwert« (132) des Globalisierungskonzepts für die Analyse der Gegenwartsgesellschaft und konstatiert »Ernüchterung« und »Unübersichtlichkeit« (135). Insgesamt ist die zunehmend disparat verlaufende Diskussion durch »analytische Überspanntheit« (132) geprägt. Angesichts der Komplexität differenztheoretischer Zugriffe fehlt »eine kraftvollen Zusammenschau und Synthese« (135), zu den vordringlichsten Desideraten gehöre daher ein »paradigmatische ›Globalisierungstheorie als Konzept für das 21. Jahrhundert« (139).
Das Fehlen eines solchen Großentwurfs verweist zurück auf die Herausforderungen, die die Kategorie für das Selbstverständnis der Wissenschaftsdisziplinen und ihren auf Abgrenzung bedachten Verfahren bereithält. Denn offensichtlich überfordert die Suche nach Konstanten, Gesetzmäßigkeiten und Axiomen der Globalisierung die Kompetenzen jeder Einzelwissenschaft. Mit dem Begriff werden, wie die Herausgeber in der Einleitung betonen, »Diskurse strukturiert und Phänomene miteinander in ein Verhältnis zueinander gesetzt, die ansonsten (relativ) unverbundenen gesellschaftlichen Bereichen zugerechnet würden« (1). So verstanden rückt ›Globalisierung‹ als Chiffre für die Integration unterschiedlicher Teilbereiche der Gesellschaft in die Nähe eines interdiskursiven Paradigmas und eines Dispositivs, was im Grunde eine starke Aufwertung literatur- wie kulturwissenschaftlicher Verfahren bedeutet. Tatsächlich scheint auch die anfängliche Globalisierungseuphorie mit einem Versprechen verbunden gewesen zu sein, das als solches durchaus einer eingehenden Betrachtung wert wäre: dem Versprechen einer möglichen Überschreitung der Perspektive funktionaler Differenzierung, die aber doch gleichsam zur transzendentalen Bedingung von Globalisierung gehört. Diesem Dilemma unterliegt auch ein interdisziplinäres Handbuch, das sich auf ein Nebeneinander unterschiedlicher Ansätze beschränken muss und den Komplex ›Globalisierung‹ in das Raster dominanter bzw. nachgeordneter Funktionssysteme drücken muss.
Eine dem Gegenstand adäquate Theorie wäre demnach selbst eine »kritische Theorie der Globalisierung«, für die David Strecker im gleichnamigen Artikel wesentliche Voraussetzungen nennt. In Anbetracht der »Multiperspektivität in einer globalen Welt« bedarf es zwischen den Wissenschaftskulturen eines »Prozess[es] der wechselseitigen Perspektivenübernahme«, eines »gegenseitigen Rollenwechsel[s] der Akteure«, der die dringend erforderliche »Deflationierung des Expertenwissens« einleiten könnte (371). Diese wäre womöglich auch ein praktischer Schritt, um die im Artikel »Wissenschaft« beklagte Vorherrschaft ›westlicher‹ wissenschaftlicher Kommunikationsstrukturen neu zu überdenken (vgl. 85).
Sucht man nach Ansätzen für eine integrierende, gleichwohl wissenschaftlichen Standards genügende Globalisierungsforschung, so wären hier sicherlich Arbeiten von Peter Sloterdijk zu nennen. Insbesondere in seinem Essay Im Weltinnenraum des Kapitals. Für eine philosophische Theorie der Globalisierung hat Sloterdijk den Versuch unternommen, diverse fachwissenschaftliche Positionen durch eine ausgreifende philosophische Rekonstruktion des Globus-Motivs miteinander zu verknüpfen und damit eine Vielzahl von Komponenten für eine belastbare Theorie zusammengetragen. Allerdings findet Sloterdijk einzig in dem weitgehend auf die Kosmopolitismus-Debatte konzentrierten Philosophie-Artikel des Handbuchs eine denkbar knappe Erwähnung am Ende, was in etwa der Antipathie entspricht, die der akademische Betrieb Sloterdijk häufig noch entgegenbringt und die dieser mit Polemiken beantwortet, so auf die »Monopolisierung des Globalisierungsdiskurses durch Politologen und Sozialwissenschaftler, denen man die Fortsetzung des Journalismus mit griesgrämigen Mitteln verdankt« (Sloterdijk 2006: 18).
Welchen Trends folgt die (im weiteren Sinne: kulturwissenschaftliche) Globalisierungsforschung im Stadium ihrer (vorerst) verlorenen Illusionen? Ein richtungsweisendes, in diversen Artikeln exponiertes, aber weder ins Glossar noch ins Register übernommenes Stichwort lautet »Transnationalismus«. Die erneute Attraktivität des von Ulf Hannerz (1996) und Ludger Pries (1998) entwickelten und insbesondere in der Migrationsforschung (vgl. 252) aufgegriffenen Konzepts ist Folge eines »überambitionierten Gebrauchs des Globalisierungsbegriffs« (139), der sich an Interaktionen über große Distanzen orientiert. An die Stelle der weltumspannenden Zirkulation abstrakter ›Ströme‹ und ›Netzwerke‹ kommen damit Konstitutionsbedingungen und kulturelle Praktiken grenzüberschreitender ›imaginierter Gemeinschaften‹ in den Blick, die sich aus den Verschiebungen sozialräumlicher Bezüge ergeben, wobei der Einfluss nationaler Regularien bzw. nationaler Kulturen relativiert wird, aber noch gewahrt bleibt.11 Gegen den »diskursiven Siegeszug eines ›disembodied globalism‹« (140) rücken Fragen kultureller Zugehörigkeit – die ja keinesfalls mit Herkunft gleichzusetzen ist – als Folge, nicht als Kritik von Globalisierung in den Vordergrund. Die Aufmerksamkeit verlagert sich von den Eliten der globalen Kulturökonomie zu den Konfigurationen der »Transmigration« (251). Deutlich mehr Beachtung erfordert die Analyse der »unfreiwillige[n] innere[n] Globalisierung der Gesellschaft, die uns bereits unwiderruflich mit dem und gegen das Andere und die Anderen gemischt hat« (138) und zur weiteren Diffusität von Globalisierungsphänomenen geführt hat. Die Erfahrungen der Kontingenz kultureller Wissensbestände und Identitätsentwürfe konstituieren ein Gespinst von Globalisierungsnarrativen, das mit diskursiven sozialwissenschaftlichen Begriffen und Methoden nur unzureichend erfassbar ist. In dieser Richtung könnte die literatur- bzw. medienwissenschaftliche Interkulturalitätsforschung ihr Arbeitsfeld erweitern und für interdisziplinäre Anschlüsse sorgen.
Anmerkungen
1 »Die medialen Ausdehnungen des Menschen führen zur Menschwerdung des Planeten.« (McLuhan/Powers 1995: 127)
2 Niederberger, Andreas/Schink, Philipp (Hg.): Globalisierung. Ein interdisziplinäres Handbuch. Stuttgart/Weimar 2011 – Seitennachweise erfolgen in Klammern direkt nach den Zitaten.
3 Wobei sich in diesem letzten Großkapitel vor allem in III. 1. und III. 2. öfters der Eindruck redundanter Argumentationen zur »Genese« und den »Antriebskräften« der ökonomischen und politischen Globalisierung einstellt.
4 Im letzteren Fall werden von den Herausgebern Doppelungen mit dem späteren Postkolonialismus-Artikel (374-379) in Kauf genommen, der mit dem gleichen Kanon an Theoretikern die Machtaspekte kultureller ›Welt‹-Ordnungen erörtert.
5 Als ein Versuch sei hier der Sammelband Globalisierung und Gegenwartsliteratur: Konstellationen – Konzepte – Perspektiven von Amann/Mein/Parr 2010 genannt.
6 Vgl. das Interview mit Huntington unter dem Titel Das Gespenst der Immigration in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 30. Oktober 2005 (Nr. 43, S. 28). Zu den gelehrigsten Schülern Huntingtons gehört im übrigen Thilo Sarrazin. Der Hinweis von Kirstin Bunge im Artikel Religionswissenschaft, die Thesen Huntingtons hätten nur »in Europa im Gegensatz zu den USA ein breites Echo gefunden« (152), erscheint abwegig angesichts ihrer immensen Bedeutung für die ideologische Rechtfertigung des zweiten Irak-Krieges.
7 Dem widerspricht auch nicht das oben angesprochene universell wirkende »Globale Populäre«, das die partikularen Kulturen nicht bedroht, denn es »bezeichnet […] eine Form des globalen Umgangs mit semantischen Formen und Vergleichsstandards, nicht aber die Entwicklung einer globalen Kultur.« (Stäheli 2000: 103)
8 Der Komplex Globalisierungsdiskurs und Modernisierungstheorem wird verschiedentlich aufgegriffen, so unter Soziologie (134f.) oder unter Postkolonialismus (374). Zumindest im Sachregister hätte »Moderne« Berücksichtigung finden müssen.
9 Die aus der starken Orientierung am Dekonstruktivismus resultierende Theorielastigkeit des Postkolonialismus hat im Übrigen zu neuen Kontroversen geführt (vgl. Bayart 2010).
10 Diese für die Globalisierung insgesamt konstitutive Form der Differenzerfahrung hat Armin Nassehi – dessen prononcierte Studien zur Globalisierung im Sammelband leider keine Berücksichtigung gefunden haben – am Beispiel der »Weltgesellschaft« prägnant formuliert: »Nur weil die unterschiedlichen und ungleichen Teile der Weltgesellschaft voneinander wissen, nur weil sie sich als Komplement ihrer selbst wahrnehmen können und indem sie in dieser Weise beobachtend aufeinander bezogen sind, stehen sie überhaupt in Differenz zueinander. Die Differenzen und Inkompabilitäten von Lebensformen und Lebensverhältnissen und die antagonistische Wechselseitigkeit von Weltbildern ist eben keine Form sozialer Beziehungslosigkeit, sondern im Gegenteil: Diese Differenzen konstituieren jenes Beobachtungsschema, das Gesellschaft als Weltgesellschaft erscheinen lässt.« (Nassehi 2003: 197f.)
11 Inwieweit sich hier das aus Spivaks postkolonialistischem Konzept im Artikel Literaturwissenschaft herangezogene Theorem einer »›transnational literacy‹, die unablässig Grenzen überschreitet« (168), operationalisieren lässt, wäre zu prüfen.
Literatur
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