Skip to main content

Zeitschrift für interkulturelle Germanistik – 8. Jahrgang, 2017, Heft 1: Das »fremde Gift aus Europa« – Nationalismus, Rassenlehre und Führertum in Franz Werfels Die vierzig Tage des Musa Dagh (Elke Pfitzinger)

Zeitschrift für interkulturelle Germanistik – 8. Jahrgang, 2017, Heft 1

Das »fremde Gift aus Europa« – Nationalismus, Rassenlehre und Führertum in Franz Werfels Die vierzig Tage des Musa Dagh (Elke Pfitzinger)

Das »fremde Gift aus Europa«

Nationalismus, Rassenlehre und Führertum in Franz Werfels Die vierzig Tage des Musa Dagh

Elke Pfitzinger

Abstract

Franz Werfel’s novel Die vierzig Tage des Musa Dagh (1933) criticizes nationalism and racism as the causes of the Armenian genocide of 1915 / 16 and as the destructive results of a one-sided European modernity, but does so in an ambivalent way by offering blood, Volksgemeinschaft, and a Führer as contrasting positive values. This paper focuses on how the novel adopts these principles and links its approach to contemporary conservative movements which make the novel part of a reactionary modernity.

Title:

»Alien Poison from Europe«. Nationalism, Racial Ideology and the Leader in Franz Werfel’s »Die vierzig Tage des Musa Dagh«

Keywords:

alterity; culturalism; modernity; racism; Werfel, Franz (1890-1945)

Millionen schuldloser Menschen – die Zahlen zu nennen oder gar darüber zu feilschen, ist bereits menschenunwürdig – wurden planvoll ermordet. Das ist von keinem Lebendigen als Oberflächenphänomen, als Abirrung vom Lauf der Geschichte abzutun, die gegenüber der großen Tendenz des Fortschritts, der Aufklärung, der vermeintlich zunehmenden Humanität nicht in Betracht käme. Daß es sich ereignete, ist selbst Ausdruck einer überaus mächtigen gesellschaftlichen Tendenz. […] Der Völkermord hat seine Wurzel in jener Resurrektion des angriffslustigen Nationalismus, die seit dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts in vielen Ländern sich zutrug. (Adorno 1997: 675)

Theodor W. Adorno bindet hier die geplante und weitgehend durchgeführte Vernichtung der europäischen Juden im Nationalsozialismus an ein gesellschaftliches Phänomen: den Nationalismus als das Streben von Nationen, sich voneinander abzugrenzen. Dieser Nationalismus nun entstand im Zuge der Modernisierung des politischen und sozialen Lebens in Europa als ein übernationales Phänomen. Entsprechend verweist Adorno auf einen anderen Völkermord, der »sehr charakteristischerweise in Deutschland kaum bekannt zu sein scheint, obwohl ein Bestseller wie ›Die vierzig Tage des Musa Dagh‹ von Werfel seinen Stoff daraus zog« (ebd.): die Ermordung rund einer Million Armenier im Osmanischen Reich 1915 / 16.

Um die literarische Verarbeitung der Schattenseiten der Moderne geht es im Folgenden. So gedeutet ist selbst ein Genozid keine Irritation im fortschreitenden Zivilisations- und Aufklärungsprozess einer humanen Neuzeit, kein Atavismus vormoderner Barbarei, kein Rückfall hinter das bereits erreichte Niveau, sondern Bestandteil dieser Moderne: »Der Holocaust ist ein legitimer Bewohner im Haus der Moderne, er könnte in der Tat in keinem anderen je zu Hause sein.« (Bauman 1992: 31) Geboten ist daher, die Bedingungen sichtbar zu machen – nicht zu erklären –, unter denen diese Massenverbrechen stattfanden, und die Ergebnisse »in die vorherrschenden Theorien der Moderne und des Zivilisationsprozesses aufzunehmen.« (Ebd.: 13; Hervorh. i.O.) Diese Bedingungen sollen hier für Die vierzig Tage des Musa Dagh sichtbar gemacht werden, dessen Schilderung der Deportationen und der drohenden Vernichtung rückblickend die NS-Verbrechen geradezu voraussah. Gleichwohl bedient sich der Roman einer Blut-und-Boden-Rhetorik, die einzuordnen der Literaturwissenschaft bislang schwerfiel.

Nach einer Skizze der Thesen des Soziologen Zygmunt Bauman zur Dialektik der Moderne soll daher im Folgenden untersucht werden, welches Modernebild der Roman entwirft, welches Verhältnis zu Nationalismus und Rassismus zutage tritt, wie Völker und Kulturen entworfen werden und wie das Unfassbare mittels Personifikationen erzählerisch zu fassen versucht wird. Am Ende wird sich dabei zeigen, inwieweit Werfels Auseinandersetzung mit der Ideologie des Genozids diese Ideologie zu einem strukturellen Teil des Romans macht.

1. Ambivalenzen: rationale und reaktionäre Moderne1

Modernisierungen sind Umbruchphasen. Für die Beteiligten und Betroffenen stellen sie die Frage nach (Neu-)Orientierung: Aufgrund politischer, sozialer, technologischer, wirtschaftlicher Neuerungen verlieren bisherige Kategorien der Sinnstiftung ihre Fähigkeit, Orientierung zu verleihen. Eine solche Umbruchphase bildet die Zeit nach 1900, speziell die 1920er-Jahre mit ihren Irritationsmomenten, die die individuellen Lebensentwürfe wie die kollektive Identität herausforderten. Die als Zerfall wahrgenommene Differenzierung der offiziell demokratischen Gesellschaft verlangt eine Antwort auf die Frage nach der individuellen Zugehörigkeit, aber auch nach der Abgrenzung von Gruppierungen, die in der Folge als fremd, fremdartig und bedrohlich eingeordnet werden. Hier setzt Baumans These, der Holocaust sei an die Moderne gebunden, an.2 Denn der Holocaust war kein spontaner Gewaltexzess, kein Pogrom, wie es die europäische Geschichte kennt. Spezifisch modern sei er insbesondere aufgrund seiner Abhängigkeit von der Bürokratie. Sie erlaubte es, den Vernichtungsprozess in zahlreiche einzelne Teilschritte aufzuspalten, die Verantwortung auf ebenso viele Einzelne zu delegieren und so den Einzelnen von der Verantwortung für die eigenen Taten zu entlasten. Im Zuge dessen werden individuelle ethische Grundsätze entwertet beziehungsweise auf das vorgegebene gesellschaftliche Ziel hin umgelenkt.

Betrachtet man den Holocaust als komplexe, zielgerichtete Operation, so trägt er durchaus Züge eines Paradigmas moderner bürokratischer Rationalität. Alle Maßnahmen, die zur Vernichtung führten, waren auf größtmöglichen Nutzen bei möglichst geringen Kosten ausgerichtet. Bei allem, was getan wurde, sollten, so weit es ging, die Kenntnisse und die Erfindungsgabe der Beteiligten genutzt werden, wobei dies selbst die Opfer der geplanten Aktion einschloß. […] Die Organisation des Holocaust hätte ein Musterbeispiel wissenschaftlicher Organisation abgeben können. (Bauman 1992: 164f.)

Ebenso gewichtig ist die Tatsache, dass die Nationalsozialisten die geplante Vernichtung der Juden nicht als negativ und destruktiv begriffen, sondern als positiven und produktiven Beitrag zur Beseitigung gegenwärtiger Missstände, zur kollektiven Wiedergeburt als Nation und zur Erschaffung des neuen Staates, des versprochenen ›Tausendjährigen Reiches‹: »Der moderne Genozid verfolgt ein höheres Ziel. Die Beseitigung des Gegners ist ein Mittel zum Zweck, eine Notwendigkeit, die sich aus der übergeordneten Zielsetzung ergibt: Dieses Ziel ist die Vision einer besseren, von Grund auf gewandelten Gesellschaft.« (Ebd.: 106 [Hervorh. i.O.]) In dieser Denkweise kann ein Völkermord nicht nur von strikt rationalen Überlegungen geleitet sein, sondern er kann als ein geradezu »schöpferisches Werk« (ebd.: 107) gedeutet werden.

Neben der Aktualisierung der historischen Judenfeindlichkeit religiösen Ursprungs ist hier die als Wissenschaft behandelte Rassenlehre zentral, deren wichtigste Entwicklungsstufen kurz skizziert seien. Die Rassenlehre errichtet zwischen den einzelnen, aufgrund gemeinsamer Abstammung als ›Rassen‹ zusammengefassten Völkern ab dem 18. Jahrhundert biologische, sprachliche und mentale Grenzen und kategorisiert die ›Menschenrassen‹ im Zuge der wissenschaftlichen Erschließung der Welt.3 Diese Unterschiede werden als natürlich gegeben, ahistorisch, ursprünglich und unveränderlich betrachtet, dienen freilich mit der fraglosen Vorrangstellung der Europäer nicht zuletzt den eigenen weltpolitischen Interessen. Angereichert mit (sozial-)darwinistischem Gedankengut erreicht die Rassenlehre im späten 19. Jahrhundert mit Arthur Comte de Gobineau (1816-1882) und Houston Stewart Chamberlain (1855-1927) ihre populärste Formulierung und richtet sich auf den Kampf der ›Rassen‹ unter- und miteinander um das Überleben aus. Damit verbindet sich die Notwendigkeit, eine ›Rasse‹ rein zu halten. Derart von seiner deskriptiven Bedeutung gelöst, enthält der Begriff nun »Aktionsmetaphern« (Giesen 1999: 282): Das Überleben der ›Rasse‹, der Nation, des Volkes als Ganzes steht auf dem Spiel. Diesem Interesse ist folglich das einzelne Mitglied untergeordnet, verschiedene ›Rassen‹ stehen einander per definitionem feindlich gegenüber, die größte, da subversive Gefahr ist die ›Rassenmischung‹.

Als »grenzdefinierendes Vehikel« (Bauman 1992: 93) wurden in Europa die Juden entworfen, die den anderen ›Rassen‹ aufgrund ihrer eigenen Unterlegenheit feindselig gegenüberstünden. Bei dem antisemitischen Feindbild handelt es sich um ein Konstrukt, das bis auf den Namen ›Juden‹ einer realen Grundlage entbehrt. So konnten die Juden in der antisemitischen Propaganda gleichzeitig als Verkörperung des Kapitalismus und des Kommunismus eingesetzt werden. In dieser Einheit von Gegensätzen wirkt die innere Folgerichtigkeit des Rassismus:

Die Nazis handelten wirklich so, als ob die Welt von Juden beherrscht sei und einer Gegenverschwörung bedürfe, um gerettet zu werden. Die Rassedoktrinen waren nicht mehr eine Theorie höchst zweifelhaften wissenschaftlichen Wertes, sondern wurden jeden Tag innerhalb einer funktionierenden Welt realisiert, in deren Rahmen es höchst »unrealistisch« gewesen wäre, ihren Realitätswert zu bezweifeln. (Arendt 1986: 573)

Der Nationalsozialismus schuf sich so eine eigene Realität mit eigener Logik. Die veränderte Rationalität, die sich in diesem System darstellt, erscheint nur von außen betrachtet irrational oder unlogisch. Daher gilt es nicht, einzelne antisemitische Behauptungen zu widerlegen, sondern ihre Zwecke zu erkennen. Als Antagonisten entworfen, wurden die Juden zur Verkörperung alles dessen, was man an Moderne und Gegenwart ablehnte. Diese Moderne wurde wahrgenommen »als seelenlos, dekadent, parasitär, unnatürlich und krisenhaft und wurde der Verantwortung für das Ganze, dem schöpferischen Geist und der natürlichen Wahrheit, dem tiefen Gefühl und der neuen echten Frömmigkeit entgegengesetzt.« (Giesen 1999: 196)

In dieser Tradition steht auch das einflussreichste Werk des Kulturpessimismus, Oswald Spenglers Untergang des Abendlandes (1918 / 19), welches, angefüllt mit den »standard antimodernist complaints« (Herf 1984: 57), einen Untergang verkündet – den der städtischen, finanzkapitalistischen, intellektuellen, materialistischen, demokratischen Zivilisation –, indes zugleich eine Erneuerung in Aussicht stellt: »Am Ziele angelangt, enthüllt sich endlich das ungeheure, immer unsinnlicher, immer durchscheinender gewordene Gewebe […]. Darunter aber erscheint wieder das Früheste und Tiefste, der Mythos, das unmittelbare Werden, das Leben selbst.« (Spengler 2006: 553f.)

So setzt diese Strömung der als abstrakt kritisierten eine andere, eine reaktionäre Moderne entgegen, in der die Nation als ganzheitliche, durch Blut und Seele verbundene Volksgemeinschaft neu ersteht und die staatspolitische Utopie verwirklicht. Es sei betont, dass nicht jede Moderne- und / oder Kulturkritik des frühen 20. Jahrhunderts zwangsläufig im Nationalsozialismus mündete: »Kulturkritik lässt sich nicht auf eine reaktionäre Linie mit dem Tiefpunkt 1933 festschreiben.« (Bollenbeck 2007: 10) Auch Oswald Spengler selbst stand den Nationalsozialisten fern. Die Tatsache, dass gemeinsame Inhalte und Überzeugungen existieren, erzeugt freilich ein Unbehagen. Dennoch: Zum Weltbild der reaktionären Moderne gehört etwa Ablehnung von Demokratie und Multikulturalismus, dazu gehört der Gedanke der Volksgemeinschaft, dazu gehört nicht in jedem Fall das Vorhaben, die eigenen Feinde auszumerzen. Im Nationalsozialismus als einer Ausprägung der reaktionären Moderne traf Letzteres zu, und dass das mit modernsten technischen und bürokratischen Mitteln vollzogen wurde, zeigt die Vorwärts- und Rückwärtsgewandtheit dieses Weltbildes.

2. Hintergründe: Genozid und Roman

All diese oben genannten Faktoren – Umbruchprozesse, die daraus resultierende Verunsicherung kollektiver und individueller Identitäten, die aggressiven Nationalismus und Rassismus förderte, die Mechanismen der rational-bürokratischen Distanzgewinnung von den eigenen Handlungen – stützten im NS-Staat den Völkermord. Eine ähnliche Konstellation begleitet von tiefgreifenden sozialen und politischen Wandlungen fand sich wenige Jahrzehnte früher im Osmanischen Reich, wo sich »inmitten und an einem Schlüsselpunkt der Entwicklung eines modernen europäischen Bewußtseins« (Dabag 1998: 155) ein von offizieller staatlicher Seite bis heute geleugneter »›modernisierende[r]‹ Völkermor[d]« (ebd.: 203) ereignete. Die historischen Hintergründe sind folgende:

Seit dem späten 19. Jahrhundert versuchte die Bewegung der »Jungtürken«, das Osmanische Reich durch Reformen und eine Verfassung nach europäischem Vorbild zu modernisieren und den Einfluss der europäischen Großmächte zurückzudrängen. 1908 zwingt ein von den Jungtürken unterstützter Aufstand den seit 1876 regierenden Sultan Abdul Hamid II. (1842-1918), Wahlen zuzulassen, die die Jungtürken gewinnen. Ihr politisches Ziel ist ein Zentralstaat, in dem alle auf türkischem Staatsgebiet lebenden ethnischen Gruppierungen gleich und gleichberechtigt als ottomanische Bürger leben sollen. 1913 führen massive Gebietsverluste in den europäischen Landesteilen im Zuge des Ersten Balkankrieges indes zu einer Regierungskrise, in der sich das »Komitee für Einheit und Fortschritt« (»Ittihad ve Terakki Cemiyeti«), der radikale Flügel der Jungtürken, an die Macht putscht. Der Staat entwickelt sich nun »zu einem radikalisierten Parteienstaat« (Mann 2007: 193), der sich zunehmend einem »Ethnonationalismus« (Hosfeld 2015a: 106) verschreibt und fürchtet, Minderheiten wie die religiös und sprachlich eigenständigen Griechen und Armenier könnten mit ausländischen Mächten, insbesondere dem Russischen Reich, paktieren. Der Erste Weltkrieg – das Osmanische Reich ist Verbündeter der Mittelmächte – steigert diese Befürchtungen: Staatliche Repressionen nehmen zu, die Einheit von Volk, Nation und Staat soll durch Aggression nach innen hergestellt werden.4 Im Frühjahr 1915 ordnet das regierende Triumvirat aus Ismail Enver Pascha (1881-1923), Cemal Pascha (1872-1922) und Mehmet Talaat (1872-1921) die Umsiedlung der als illoyal geltenden Armenier aus ihren Siedlungsgebieten in Anatolien, Kilikien und Nordsyrien an. Prominente Politiker und Intellektuelle werden verhaftet, die Landbevölkerung in die syrische Wüste deportiert. Auf diesen Märschen, in Lagern und durch Massaker sterben mindestens eine Million Menschen.

Den diesen Verbrechen zugrunde liegenden Nationalismus und seine Ursprünge prangern Die vierzig Tage des Musa Dagh an. Der Roman ist eine Anklage gegen den Völkermord an den Armeniern durch die jungtürkische Regierung, eine Gedächtnisschrift und eine Warnung vor dem Umgang totalitärer Staaten mit Minderheiten. Franz Werfel begegnete 1930 in Syrien Nachkommen armenischer Flüchtlinge, deren Leid und deren Berichte ihn den Entschluss fassen ließen, »das unfaßbare Schicksal des armenischen Volkes dem Totenreich alles Geschehenen zu entreißen« (Werfel 2002: 9) und von dem Leid des Genozids zu erzählen, insbesondere von dem Widerstandskampf, den die etwa 5000 Bewohner umliegender Dörfer auf dem Musa Dagh, dem »Mosesberg«, leisteten, sowie von ihrer Rettung durch ein französisches Kriegsschiff. Zwei Jahre intensiven Quellenstudiums folgten, in denen Werfel Augenzeugenberichte, juristische Dokumente und Untersuchungsprotokolle auswertete und kulturgeschichtliche Quellen zu Handwerk, Architektur und Vegetation Armeniens heranzog.5

Als Roman erzählbar wird der massenhafte Genozid, indem Werfel ihn personalisiert. Mit dem Verteidigungskampf einer Minderheit greift er ein Einzelereignis heraus, das er an eine Hauptfigur knüpft, den fiktiven Gabriel Bagradian, der nach 23 Jahren in Paris mit seinem Sohn und seiner französischen Ehefrau Juliette nach Yoghonoluk, in das Dorf seiner Kindheit, zurückgekehrt ist, als die Deportation der Armenier beginnt. Mitsamt seiner Familie darf er Yoghonoluk aufgrund politischer Bestimmungen nicht mehr verlassen und findet sich so in derselben Situation wie seine Landsleute, von denen er sich durch den Europaaufenthalt entfremdet fühlt. Als Anführer dieser Zwangsgemeinschaft organisiert Gabriel den Widerstandskampf. Nach vierzigtägiger Belagerung versäumt er die Abfahrt des rettenden Schiffes und wird von türkischen Soldaten erschossen.

Werfels Arbeit an dem fast 1000 Seiten zählenden Monumentalwerk dauerte von Juli 1932 bis Mai 1933. Dabei hinterließen die politischen Ereignisse in Deutschland ihre Spuren: Wohl um Veröffentlichung und Verkauf des Romans nicht zu gefährden, unterschrieb Werfel am 19. März 1933, als die Repressionen gegen die jüdische Bevölkerung Deutschlands begonnen hatten, eine Loyalitätserklärung der Preußischen Akademie der Künste gegenüber der NSDAP, die die Schriftsteller zur Mitarbeit an der NS-Kulturpolitik verpflichtete (vgl. dazu Jungk 1987: 207-214). Angesichts des Romaninhalts, der ja eine derartige Politik verurteilt, erstaunt die Naivität Werfels. Das gilt ebenso für seinen Mitgliedsantrag im Dezember 1933 an den Reichsverband deutscher Schriftsteller – dessen Satzung Juden selbstverständlich ausschloss. Im Februar 1934, zwei Monate nach seinem Erscheinen, wurde der Roman erwartungsgemäß verboten, die unverkauften Exemplare beschlagnahmt.

Nun ist Werfel in seinen Bemühungen, seine literarische Existenz auf dem deutschen Buchmarkt fortzusetzen, keine Nähe zum Nationalsozialismus zu unterstellen, indes weist der Roman Züge des reaktionären Modernismus auf, der auch die Ideologie des Nationalismus speiste. Insofern ist bei allen Unterschieden die Distanz geringer, als Inhalt und Intention zunächst vermuten lassen. Denn damit sind Weltanschauung und Wertauffassung dieses Romans betroffen, der Leser und Forschung irritiert, indem er bei aller unstreitig humanitären Stoßrichtung um die Themen »Rasse«, »Blut«, »Heimat« und »Führertum« kreist und sie ebenso unstreitig positiv bewertet.

So zählt Norbert Eke diese konfligierenden Inhalte »zu den unauflösbaren Widersprüchen« (Eke 1997: 715) des Romans, und Eugenio Spedicato exkulpiert Werfel damit, er habe »sich von der pseudogenetischen Terminologie der Zeit nicht befreien« (Spedicato 2014: 163) können. Fraglos ist das Vokabular der 1930er-Jahre ein anderes als das gegenwärtige und selbstverständlich war etwa die Rassenlehre präsenter; dennoch verhält es sich nicht so, dass »[a]ngesichts der moralischen Integrität des Autors und angesichts des furchtbaren Ernstes der im Roman geschilderten Ereignisse […] ideologische Besserwisserei und stilkritische Beckmesserei fehl am Platze« (Buch 1990: 28)6 wären. Es ist wesentlich, auch ideologisch belastete Begriffe und Konzepte ernst zu nehmen und ihre Aussagekraft zu untersuchen. Ein Unbehagen, diese Kategorien in der Analyse anzuwenden, ist verständlich – keine Interpretation des Romans kann es vermeiden, die darin gültige Einteilung der Menschen in ›Rassen‹ wahrzunehmen, sie in der Auseinandersetzung nachzuvollziehen und so dem rassistischen Begründungszusammenhang für die Dauer der Beschäftigung Aktualität und Gültigkeit zu verleihen. Das gilt für die historische Forschung, das literarische Werk, die literaturwissenschaftliche Analyse, und eben das geschieht im nächsten Abschnitt.

3. Einteilungen: Menschen, Völker und ›Rassen‹

Der »Todeszuckung eines Volkskörpers, dem der Rassenfeind jeden Nerv einzeln durchschnitten hatte« (Werfel 2002: 901), gleichen die Verhältnisse im Flüchtlingslager des Musa Dagh nach einem Brand. Dieses Zitat, eines der drastischsten des Romans, weist auf ein organizistisches Konzept von Völkern hin sowie auf als primordial entworfene Gegensätze und Feindschaften zwischen ihnen. Und doch sind die Einteilungen der Völker, Kulturen und ›Rassen‹ im Musa Dagh weder so strikt noch so eindeutig, wie sie auf den ersten Blick scheinen.

Bei dem Versuch, die in den Vierzig Tagen des Musa Dagh vorgenommenen Einteilungen der Menschen nachzuvollziehen, ist zuallererst die Gegenüberstellung der Europäer und der Orientalen zu nennen, welche Türken und Armenier gleichermaßen bezeichnen, sowie das westliche Stereotyp des passiven, handlungsunfähigen, schicksalsergebenen Orients: »Machtlos sind wir. Den Kopf müssen wir hinhalten. Schreien dürfen wir vielleicht.« (Ebd.: 97) Jedoch steht nicht der Gegensatz zwischen Europäern und Orientalen als gleichförmigen Einheiten im Zentrum des Romans. Deutliche Unterschiede zwischen den Bewohnern des osmanischen Vielvölkerstaates werden durch den unverhohlenen Nationalismus und Rassismus der jungtürkischen Regierung markiert, wie sie der Kriegsminister Enver Pascha im Streitgespräch mit Pastor Johannes Lepsius verkündet und die direkt aus der Zeit herausgegriffen scheinen, in der der Roman entstand: Die Armenier seien Fremde, bedrohten die osmanische Nation, sie seien Deserteure und Verräter (vgl. ebd.: 158), weshalb die »schwerkämpfende, durch eine Welt von äußeren Feinden belagerte Nation« sich von ihrem »inneren Feinde« (ebd.: 161) befreien müsse:

Das Volk der Türken zählt vierzig Millionen. […] Ist es nicht ein großer und würdiger Plan, diese vierzig Millionen zusammenzufassen und mit ihnen ein nationales Reich zu gründen, das in Asien dereinst die gleiche Rolle spielen wird wie Deutschland in Europa. Das Reich wartet. Wir müssen es nur ergreifen. Unter den Armeniern gibt es gewiß eine beängstigende Menge von Intelligenz. Sind sie wirklich ein Freund dieser Art von Intelligenz, Herr Lepsius? Ich nicht! Wir Türken besitzen von dergleichen Intelligenz wenig. Dafür aber sind wir die alte heroische Rasse, die zur Errichtung und Beherrschung des großen Reiches berufen ist. Über Hindernisse werden wir deshalb hinwegsteigen. (Ebd.: 164f.)

Die Suada gipfelt in der Aussage: »Zwischen dem Menschen und dem Pestbazillus […] gibt es keinen Frieden.« (Ebd.: 165) Die Argumentation Envers folgt strikt der am Überleben der ›Rassen‹ orientierten Logik des Rassismus, die den als feindlich eingestuften Anderen das Recht auf Leben und die Menschlichkeit abspricht. Mit dem Begriff »Pestbazillus« bewegt die Figur Enver sich exakt im Rassismus und Sprachgebrauch des frühen 20. Jahrhunderts, das das »Volk als biologisch-rassische, von Parasiten oder Schädlingen bedrohte hierarchisch gegliederte Einheit« (Schmitz-Berning 2007: 667)7 in den Begriff »Volkskörper« fasste. Und aus dem soll hier ein Teil ausgesondert werden, um den Rest im Sinne eines Selbstreinigungsprozesses zu stärken. Diese medizinisch-organizistische Metapher »hat immer etwas potentiell Genozidales an sich« (Hosfeld 2015a: 99) und verdeutlicht, wie hoffnungslos die politische Lage der Armenier ist: Ihnen »winkte kein Schutz, keine Hilfe, keine Hoffnung. Sie waren keinem Feinde in die Hände gefallen, der aus Gründen der Gegenseitigkeit das Völkerrecht achten mußte. Sie waren einem weit schrecklicheren Feinde in die Hände gefallen: dem eigenen Staat.« (Werfel 2002: 117) Und der hat – in einer »genuin modernen Destruktionsdynamik« (Honold 2014: 112) – einen modernisierenden Völkermord begonnen: »Sie wollen ein neues Reich gründen, Exzellenz. Doch der Leichnam des armenischen Volkes wird unter seinen Grundfesten liegen.« (Werfel 2002: 165)

Diese Zitate zeigen, dass »Werfel’s true prescience […] lies in his understanding of the mentality which licences genocide.« (Robertson 1992: 265) Treibendes Motiv ist die nationale Erneuerung des Osmanischen Reiches und dabei die Reinigung der Nation, wie es auch historisch den Ittihadisten »zunächst nicht um die Gestalt des Staates, sondern um die Definition und die Identität des Staates und seines Staatsvolkes selber« (Dabag 1998: 166 [Hervorh. i.O.]) ging. Begriffen und inszeniert ist diese Herstellung eines homogenen Staatsvolkes im Sinne des Rassismus als Teil eines »universalen Überlebensprozesses« (Geulen 2004: 375).

Quer zur eben dargelegten verläuft eine weitere Unterteilung der Menschen: Die Alttürken, der Derwischorden der Herzensdiebe oder der türkische Bauer, der Stephan und Haik bei ihrem Versuch, das amerikanische Konsulat zu erreichen, unterstützt, sind keine Ausnahmen, mit denen Werfel seine Mahnung an sich selbst »Nicht gegen Türken polemisieren«8 befolgt und Schwarz-Weiß-Zeichnungen vermeidet. Die folgende Passage zeigt eine gänzlich andere, aus der alltäglichen Lebensweise abgeleitete Einteilung:

Während in den Selamliks, Cafés, Bädern, Versammlungsorten der Provinz die moderne Welt (das heißt alles, was Zeitungen las, einen bescheidenen Fremdwörterschatz besaß, anstatt Karagöz, dem türkischen Schattenspiel, in Smyrna oder Stambul ein paar französische Komödien gesehen hatte und ansonsten den Namen Bismarck und Sarah Bernhardt kannte), während also diese Gebildeten, dieser fortgeschrittene Mittelstand sich restlos hinter Envers Armenierpolitik stellte, verhielt es sich mit den einfachen türkischen Menschen, mochten es nun Bauern oder das niedere Straßenvolk sein, durchaus anders. Oft staunte der Müdir auf seinen Rundreisen, wenn in einem Dorfe, wohin er den Austreibungsbefehl gebracht hatte, sich Türken und Armenier zusammenscharten, um miteinander zu weinen. […] Und er konnte erleben, daß sich seine eigenen Volksgenossen vor seine Füße warfen und ihn anflehten:

»Laß sie bei uns! Sie haben nicht den richtigen Glauben, aber sie sind gut. Sie sind unsere Brüder. Laß sie hier bei uns!« (Werfel 2002: 180f.)

Die Spaltung der Einwohner der Türkei erfolgt hier nach ihrem sozialen Stand, als Stadt- und Landbevölkerung beziehungsweise nach ihrem Kontakt mit Europa. Er ist im angeführten Zitat in all seiner ironisch herausgestellten Oberflächlichkeit in der Mittel-, Ober- und Regierungsschicht als Zeichen für Modernität und Fortschritt positiv konnotiert und führt dort zu einem Gefühl der Überlegenheit, das die Absonderung und letztlich die Vernichtung der Armenier gutheißt. In der Verkürzung und ironischen Pointierung dieses Absatzes erweist sich die europäische Zivilisation als die eigentliche Verantwortliche der Deportationen,9 da »der Nationalismus, der heute bei uns herrscht, ein fremdes Gift ist, das aus Europa kam.« (Ebd.: 665)

Das Europa, aus dem dieses Gift stammt, ist beherrscht von der imperialistisch-chauvinistischen Selbsteinschätzung, als westliche Nation Vertreter der Zivilisation zu sein, der der Rest der Welt als barbarisch gilt. Diesen kulturellen und zivilisatorischen Gegensatz betont unter den Figuren besonders die Französin Juliette:

Ihr seid ein altes Volk […] Ein Kulturvolk! Meinetwegen! Aber wodurch beweist ihr eigentlich, daß ihr ein Kulturvolk seid? Nun ja, ich weiß schon. Die Namen, die ich immer wieder hören muß: Abovian, Raffi, Siamanto! Aber wer kennt diese Leute? Außer euch niemand auf der Welt. Eure Sprache kann ein europäischer Mensch nie begreifen und sprechen. Ihr habt keinen Racine und Voltaire gehabt. Und ihr habt keinen Catulle Mendès und keinen Pierre Loti. (Ebd.: 210)

Nicht zuletzt als persönlicher Angriff auf Iskuhi formuliert, mit der sie sich bald in einem Konkurrenzkampf um Gabriel befinden wird, erfolgt Juliettes kulturelle Abgrenzung hier über die französische Aufklärung, die Literatur und deren Bekanntheitsgrad, wobei anzumerken ist, dass die diesen Ausführungen zugrunde liegende Ausgabe des Fischer Verlags keinen der drei armenischen Autoren einer Erläuterung für würdig befindet (vgl. ebd.: 982).10 Juliette führt zudem zwei zeitgenössisch aktuelle Schriftsteller an, mit Mendès einen Ästhetizisten, mit Loti einen Vertreter des Exotismus und des Orientalismus, wie ihn Edward Said herausgearbeitet hat.11 Beide stehen somit in scharfem Kontrast zur armenischen Literatur und Kultur. Der Erzähler bewertet dieses Verhalten einerseits als »nicht gerade nobel«, anderseits »wars nicht unverständlich« (ebd.: 211), da er es in einer aggressiven Verteidigung motiviert sieht, die aus Juliettes Isolation als einzige Europäerin in Yoghonoluk resultiert.

Diesem Anspruch an eine Hochkultur steht keine rationale Argumentation entgegen, sondern die schlichte Aussage »Wir haben alte Gesänge, die sehr schön sind« (ebd.), gefolgt von den Beispielen eines Arbeits- und eines Liebesliedes, die sich durch unmittelbaren Lebensbezug auszeichnen – Iskuhi singt das erste Lied für Gabriels Sohn Stephan, »als sei es ihre Pflicht, diesen entfremdeten Knaben in seine und in ihre Welt zurückzuführen« (ebd.), das zweite will sie nicht wiederholen, als Gabriel, in den sie sich verliebt hat, das Zimmer betritt (vgl. ebd.: 213).

In dieser Episode stecken zahlreiche Elemente, die der Roman als typisch für Kultur, Charakter und Tradition der Armenier begreift und inszeniert: Alter und Ursprünglichkeit, direkter Bezug zu Personen und ihrer Lebenswelt und nicht zuletzt Irrationalität und eine mythisch-religiöse Aura, die Iskuhis Gesang »priesterinnenhaft« (ebd.: 211) macht. All das deutet auf eine als zeitlos imaginierte Verbundenheit der Armenier mit ihrer Heimat hin. Eben diese Verbundenheit lässt die Dorfbewohner ferner bei ihrer Flucht auf den nahegelegenen Musa Dagh Erde aus Yoghonoluk mitnehmen, damit die dort zu erwartenden Toten »dann nicht ganz verlassen in der herzlosen Wildnis liegen, sondern ein Häuflein altgeweiht-ewiger Erde unter den Kopf mitbekommen.« (Ebd.: 325) Die Verbindung zur lokalen Heimat soll nicht abreißen.

Neben dem Boden spielt das Blut im Roman eine wichtige Rolle. Dieses mythisch überhöhte Symbol, das die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft bestimmt, ist näher zu beleuchten. Mit dem Rückgriff auf Abstammung und Geburt als bestimmende Faktoren werden Verantwortung und Einfluss des Einzelnen auf sein Leben eingeschränkt und es einem quasinatürlichen Zwang unterstellt. Genau das zeigt sich bei Gabriels Sohn Stephan:

Binnen so kurzer Zeit schienen von Stephan die vierzehn Jahre Europa, sein ganzes Leben also, wie weggewaschen zu sein. Er sank, wenn man es so nennen darf, in sein Volk zurück, und dies zehnfach tiefer und gründlicher noch als sein Vater. (Verwunderlich bleibt auch der Gedanke, daß dieses Kind, das, wäre es nicht durch ein geheimnisvolles Schicksal nach Syrien verschlagen worden, wahrscheinlich niemals von seiner Blutzugehörigkeit etwas Lebendiges erfahren hätte und dadurch auch nichts von seinem innersten Selbst.) (Ebd.: 404)

Diese »Blutzugehörigkeit« ist auch der Grund für die andauernde Distanz zwischen Gabriel und Juliette: »Ehe ist keine Blutsverwandtschaft« (ebd.: 369). Zwar konnten sie in Frankreich vergessen, »was nicht zu überbrücken war« (ebd.: 377),12 jedoch treten auf dem Musa Dagh »die Schärfen der Blutsverschiedenheit« (ebd.: 441) klar zutage, was Juliettes Isolation in der Dorfgemeinschaft erklärt und schließlich beide in den Ehebruch führt. Die Gemeinschaft und die Gesetze, an die das Blut bindet, sind klar umgrenzt.13 Die Einteilung der Menschen in die großen Gruppen Europäer, Türken, Armenier besteht nur oberflächlich in derart grober Weise. So ist Juliette nicht lediglich Vertreterin Europas, sondern der unflexiblen Franzosen: »Die Romanen sind […] innerlich unbeweglich und abgeschlossen. […] Juliette teilte diese Starrheit ihrer Rasse in hohem Maße.« (Ebd.: 441)

Dies nun ist eine Einteilung der Menschen, die der Roman nicht allein abbildet, sondern vollzieht. Mit der genannten starren, erstarrten Kultiviertheit werden Europa weiterhin Abstraktion, Intellekt und Fortschritt im Sinne einer Entfremdung von sich selbst zugeordnet. Der Roman fasst dies in das wiederkehrende Bild der Maschine (vgl. z.B. ebd.: 297). In einer massiven Zivilisations- und Modernekritik ist das Grauen des Genozids ein Ausläufer des Ersten Weltkrieges, denn Europa

beschäftigte sich freilich zur selben Zeit mit einem Gemetzel, dagegen alles Ähnliche als stümperhafte Zufälligkeit anmutete, wurde es doch mit allem Komfort der Neuzeit, nach den letzten Ergebnissen des Wissenschaftsfortschrittes, nicht mit dem harmlosen Blutdurst der Leidenschafts-Bestie, sondern der mathematischen Gründlichkeit der Intelligenz-Bestie exakt durchgeführt. (Ebd.: 331)

Verantwortlich ist letztlich auch hier die seelenlose moderne Rationalität, die sich im Ersten Weltkrieg offenbart. Den Gegensatz dazu bilden die Armenier als von der westlichen Zivilisation noch kaum berührtes ›primitives‹ Naturvolk beziehungsweise die Orientalen, die diesen Einfluss gerade bewältigen (vgl. ebd.: 505f.). Mit dieser Zuordnung entlang der kulturellen, nicht der nationalen oder ›rassischen‹, Achse verbunden ist der befremdliche und teilweise drastische Sprachgebrauch des Erzählers, der zwischen Abscheu, Furcht und Faszination schwankt, wenn etwa von Haiks »fast unmenschliche[r] Naturvertrautheit« (ebd.: 698f.) und Satos »gar nicht menschlicher Art« (ebd.: 831) die Rede ist oder festgestellt wird, dass die Schäfer aus Yoghonoluk »sich der Schafnatur angeglichen« (ebd.: 759) hätten.

Bei der Wertung dieser bedenklichen Zuschreibungen ist zu beachten, dass sie aus einer europäischen Warte vorgenommen werden – durch den Erzähler, der die »affenhaft geschmeidigen« (ebd.: 405) Kinder im Flüchtlingslager in »ihrer dumpfen Triebhaftigkeit« mit »einem erregten Tierrudel« (ebd.: 407) vergleicht, oder unter den Figuren durch Juliette, der die Armenier am Ende als »schmutzig[e] Tier[e] erscheinen, vor denen sie erschauderte und die sie haßten« (ebd.: 952). Das mildert die Problematik des Sprachgebrauchs freilich nur bedingt, denn die so herausgestellte ›Primitivität‹ ist nicht eigentlich negativ gemeint. Obwohl den Figuren an diesen und anderen Stellen die Menschlichkeit abgesprochen wird, zeigen sie sich u.a. durch die dabei betonte Intellektferne14 unter den Bedingungen des Dorf- und Berglebens den »Kulturmenschen« überlegen (vgl. ebd.: 404-408). Zwar sollte das von einem humanen Standpunkt aus zutiefst kritikwürdig erscheinen, indes wird diese Rhetorik im Musa Dagh nicht reflektiert. Die Dorfbewohner hier als un- oder vorbewusste, instinktgeleitete Masse unter der »Diktatur der Umwelt« (ebd.: 406) zu betrachten, bedeutet für den Roman keinen Widerspruch zur Kritik des rassischen Nationalismus.15 Beide Deutungen stammen aus der Moderne, die weder mit Humanität noch mit Inhumanität gleichzusetzen ist, sondern einen reaktionären Flügel besitzt, der sich historisch unterschiedlich aktualisiert hat.

Eine dieser Ausprägungen unternimmt eine Klassifikation der Menschen in naturgegebene – oder als naturgegeben konstruierte – ›Rassen‹, die in Konkurrenz zueinander stehen, eine andere nimmt kulturpessimistisch eine graduelle Einteilung vor, die davon abhängt, wie sehr die Menschen jeweils der – freilich in Europa entstandenen – rationalen Moderne ausgesetzt waren. So ist es möglich, dass die türkische Landbevölkerung, für die dieselbe Unmittelbarkeit und »Primitivität« gilt, sich mit den Armeniern solidarisch zeigen kann. Die beiden im Roman vorgeführten Einteilungen der Menschen sind analoge Reaktionen auf Entwicklungstendenzen der Moderne.

Der Doppelung der Moderne entsprechend, die als nationalistische im Geist der kritisierten Moderne und als volksgemeinschaftliche als Ausdruck der reaktionären Moderne erscheint, finden sich zwei fabricatores doli im Musa Dagh, die sich diesen Einteilungen verweigern. Die Rede ist von Gonzague Maris und Sato, Zentralfiguren des ins Privat-Persönliche ausgreifenden Handlungsstrangs des Romans, in dem es zum doppelten und kulturspezifischen Ehebruch kommt: Gabriel mit der Armenierin Iskuhi, Juliette mit dem Kosmopoliten Gonzague.

Der Journalist Gonzague, mit griechischem Vater, französischer Mutter und amerikanischer Staatsbürgerschaft (vgl. ebd.: 72), sieht die Flucht auf den Musa Dagh als karrierefördernd: »Eine Gelegenheit wie diese kommt für einen Berichterstatter kein zweites Mal.« (Ebd.: 275) Sato wiederum, die den doppelten Ehebruch ent-, aber nur Juliettes aufdeckt, ist eine Waise mit »Anfälle[n] von Vagabundiersucht« (ebd.: 133) und »geniale[r] Erfindungskraft an Bosheit und Schadengier in Schrecken« (ebd.: 134), die kaum artikuliert sprechen kann und bei anderen »körperlichen Ekel« (ebd.) hervorruft.

Beide Figuren bezeichnen Leerstellen in den angebotenen Klassifikationsweisen, da sie mit deren auf Abstammung und Gemeinschaft zielenden Instrumentarien nicht zu erfassen sind, und erlauben es, Verbindungen zu ziehen. So lässt sich der nur im Augenblick lebende Gonzague, der »alles Gewesene mit einer verächtlichen Geste abzutun schien« (ebd.: 214), der westlichen intellektuell-libertinen Rationalität zuordnen: »[I]ch gehöre nirgends hin, ich bin kein Armenier, kein Franzose, kein Grieche, kein Amerikaner, sondern wirklich und wahrhaftig nichts und daher frei.« (Ebd.: 563) Sato dagegen, in deren »lallende[s] und ziellos bildernde[s] Gehirn […] sich nicht einmal das Alphabet und das Einmaleins stanzen« (ebd.: 599) ließen, die dafür Tiere und Wahnsinnige versteht (vgl. ebd.: 597f.), bildet eine extreme Ausprägung der den ›Kulturmenschen‹ gegenübergestellten und vom Instinkt beherrschten ›Primitiven‹. Diese beiden Außenseiter lassen sich klar jeweils einer der vorgestellten Erscheinungsweisen der Moderne zuordnen.

4. Führertum: Personifikation des Volkswillens

Bereits das den Vierzig Tagen des Musa Dagh unmittelbar vorausgegangene Werk Werfels, das Drama Das Reich Gottes in Böhmen (1930), befasst sich mit dem Kampf verschiedener Weltanschauungen und spitzt sie auf eine einzige, herausgehobene Person zu, trägt es doch den bezeichnenden Untertitel Tragödie eines Führers. Auch dieses Thema behandelt und vertieft der Musa Dagh, denn der zentrale Konflikt der Kulturen wird in Gabriel Bagradian ausgetragen, der sich nach seiner Rückkehr nach Yoghonoluk dort auf mehrfache Art und Weise als fremd und entfremdet erfährt. Das gründet in seiner europäischen Bildung, in seiner quasiadligen Herkunft als Erbe eines reichen Handelsunternehmens, als »Sohn des Mesrop, Enkel des Awetis Bagradian, des großen Wohltäters und Kirchenstifters« (ebd.: 968), sowie in seinem Charisma, das ihn zum Anführer der Aufständischen werden lässt. Die beiden letzten Merkmale bestimmen Gabriel im Laufe der Handlung immer stärker.

Gabriel Bagradian, im Selbstbild und laut Erzähler »ein Denker, ein abstrakter Mensch, ein Mensch an sich« (ebd.: 17), wird zum Retter der 5000 Dorfbewohner. Grund dafür ist seine Ausbildung zum Offizier in der türkischen Armee. Die Idee, Widerstand zu leisten, geht auf ihn zurück und er organisiert die Verteidigung der Belagerten. Entscheidend sind, wie wiederholt betont wird, seine militärischen Erfahrungen und Fähigkeiten, zudem hebt ihn aber »die Überlegenheit systematischen Denkens, wie er es in Europa gelernt hatte, […] hoch über die dumpfen und ergebenen Häftlinge des Verhängnisses.« (Ebd.: 245) Damit liegt die Einschätzung nahe, dass nicht nur das die Vernichtung der Armenier ermöglichende Gedankengut, sondern »auch die Rettung in spezifischer Weise aus dem Westen (dem modernen Europa)« (Eke 1997: 711) kommt und dass Gabriel eine Synthese der besten Eigenschaften beider Kulturen ist.16 Was Gabriel befähigt, die Dorfbewohner zu retten, ist seine Entschlusskraft, die ihn von der orientalistischen Passivität, aber auch von den ›abstrakten‹ Intellektuellen abhebt. Das bedeutet, dass er nicht lediglich »in zahllosen Szenen zum Inbegriff eines Heldenklischees ausgestaltet« (Bartl 2012: 73) wird. Die zeitgenössische Sprache bietet dafür den Begriff und das Konzept »Führer« an. Demnach ist damit »eine Persönlichkeit« gemeint,

die den gemeinsamen Willen einer Gruppe oder Masse lenkt und ihm zur Verwirklichung verhilft. Der F. hat die Aufgabe, die Mittel und Wege zu finden, die zur Erreichung der jeweiligen Gruppenziele geeignet sind, während die Geführten im Rahmen des von der Führung entworfenen Planes ihre Kräfte einsetzen. Die Bedeutung des F. liegt nicht in der Aufstellung der Ziele, die ihm durch den Willen der Gruppen gegeben werden, sondern darin, daß er eine von den vielen Möglichkeiten zur Verwirklichung ergreift und zur Reife bringt. (O.A. 1930: 670 [Hervorh. i.O.])

Als ein solcher zu einem bestimmten Zweck mit der geführten Gruppe verbundener Führer entpuppt sich Gabriel. Es ist dieser Zusammenhang und letztlich mythische Zusammenhalt, der das Überleben der Dorfbewohner sichert, »das Festhalten an einer überkommenen hierarchischen Ordnung […], die eines erlesenen Helden als Führer bedarf.« (Kugler 2000: 137) Obwohl die Regierung des Musa Dagh mit einem gewählten Führerrat, als dessen Oberhaupt mit letzter Entscheidungsgewalt der Priester Ter Haigasun fungiert, eher als »constitutional monarchy« (Robertson 1992: 259) angelegt ist, entwickelt sich Gabriel zunehmend zu dem Führer im Singular, was nicht nur mit seiner dauerhaft relevanten Rolle als Kommandant der Verteidigung zusammenhängt, sondern mit einer bestimmten Persönlichkeitsstruktur und vor allem mit persönlicher Autorität. Diese wird nicht erworben, sie setzt sich, falls nicht von Anfang an klar erkennbar, mit der Zeit durch und bedeutet das Kriterium, das diese menschliche Ausnahmeerscheinung von ihren Mitmenschen, beziehungsweise der Masse, unterscheidet. Freilich ist Gabriel »a most unheroic leader thrust into a position he never sought actively but into which he was catapulted by events beyond his control« (Steiner 1992: 280), indes füllt er diese Position aus, als wäre er für sie geschaffen.

In seiner Führerfigur stellt der Musa Dagh zusätzlich die patriarchalische Tradition und mythische Tönung des Führerkonzeptes heraus. Denn in erster Linie geht es um die Durchsetzung der eigenen Autorität in einem streng hierarchischen Beziehungsgefüge. Die vierzig Tage des Musa Dagh kennen keine versöhnlichen Konfliktlösungen. Sehr gut illustriert dieses Vorgehen Gabriels Auseinandersetzung mit dem Deserteur Sarkis Kilikian: »Gabriel Bagradian wußte, daß von seiner Antwort alles abhing, daß er sich jetzt seinen Rang sichern mußte, daß seine Autorität für immer dahin war, wenn er in diesem Augenblick den kürzeren zog.« (Werfel 2002: 353) Mit Uniform, Helm, Stock und »bis zum Rand mit klarem und kaltem Willen angefüllt« (ebd.) erzwingt er Kilikians Einlenken. Ließe sich das noch als entschlossenes, psychologisch geschicktes Auftreten Gabriels deuten, so expliziert der Roman direkt im Anschluss:

Gabriel überlegte, ob er den Mann nicht völlig auf die Knie zwingen müsse, und zwar dergestalt, daß er ihn vor den versammelten Zehnerschaften zu flehentlicher Abbitte und einem verschärften Gehorsamsschwur verurteilte. Nicht nur Mitleid jedoch […], sondern ein innerster Instinkt rieten ihm davon ab. Es wäre eines überlegenen Führers unwürdig gewesen, den Sieg über einen Schwachen voll auszukosten und die eigene Front mit einem ganz und gar erniedrigten Feind zu belasten. […]

Der Triumph Gabriel Bagradians war so überwältigend, daß der Gemaßregelte militärisch grüßend an die Lammfellmütze griff, ehe er sich unauffällig davonmachte. (Ebd.: 356)

Diese Passage zeigt exemplarisch, dass keine rationale Überlegung, keine Ethik und kein emotionaler Impuls das situativ richtige Verhalten verantwortet, sondern ein »innerster Instinkt«. Insofern kann keine Rede davon sein, dass Gabriel »gezielte psychologische Unterwerfungsstrategien« (Bartl 2012: 74) entwickelt. Ein Führer entsteht nicht aufgrund persönlicher Reifung, sondern ist stets bereits gegeben und muss nur erkannt werden. Entsprechend reagieren die Umstehenden: »In manchem Auge stand zu lesen: Es zeigt sich doch, was ein geborener Herr ist.« (Werfel 2002: 356) Als »Herr«, der er ja auch aufgrund seiner Herkunft ist, befindet Gabriel sich in einer zusätzlichen sozialen Entfernung von den übrigen Bewohnern des Musa Dagh: »Dieses Grundverhältnis zwischen den Bagradians und dem ansässigen Volk drückte sich aber, trotz aller Siege, aller Bewunderung, Dankbarkeit, Verehrung noch immer zutiefst in dem Gefühle aus: Ihr gehört nicht zu uns.« (Ebd.: 595). Gabriels persönliche Sonderstellung unter den Figuren spiegelt sich auch in seiner gesellschaftlichen Stellung.

In der (Wieder-)Annäherung an Land und Kultur seiner Herkunft erweist Gabriel sich als den armenischen Dorfbewohnern, den europäisch beeinflussten Türken und den Repräsentanten Europas überlegen. Prüfstein dafür ist nicht etwa humanistische Bildung in gut aufklärerischer Tradition oder Nächstenliebe, wie sie Johannes Lepsius, Envers »moralische[r] Gegenpol« (Hosfeld 2015b: 84), vertritt, sondern Militär und Krieg: »Der Mensch weiß nicht, wer er ist, ehedenn er geprüft wird.« (Werfel 2002: 235) Zwar ließ bereits sein Militärdienst während der Balkankriege in den Jahren 1912 / 13 den in Gabriel verborgenen Führer erkennen (vgl. ebd.: 235f.), völlig prägt sich dieser jedoch erst während des Verteidigungskampfes auf dem Musa Dagh aus, wo Gabriel sich auch äußerlich verändert und körperlich leistungsfähiger wird (vgl. ebd.: 276f.). Das Fronterlebnis (grundlegend dazu Prümm 1976) wirkt als Katalysator: »Gabriel Bagradian hatte ohne Zweifel bewiesen, daß er, der Schöngeist, echte militärische Führerbegabung besaß, vom tödlichen Zwang an die Oberfläche geholt.« (Werfel 2002: 565)

Dabei handelt es sich um einen von purer Notwendigkeit bestimmten Vorgang und um die Erfüllung einer überlebensnotwendigen Aufgabe, denn Gabriel verfolgt keine persönlichen Ziele, keine Ideale und versucht nicht, das Leben der Dorfbewohner über die Organisation des Widerstands hinaus zu bestimmen. Freilich hat sich das gesamte, sich auf dem Musa Dagh herausbildende, alltägliche Leben diesem Zweck unterzuordnen – die wichtigste Regel des Führerrates lautet, »daß Zucht und Ordnung nicht verletzt werden dürfen« (ebd.: 779) –, dennoch erfüllt Gabriel gewissermaßen fremdbestimmt nur eine Funktion. Er ist kein schöpferischer Übermensch, kein Politik und Kunst verbindender »Superautor« (Hesse 1995: 499), der das ihm zur Verfügung stehende Material von Menschen und Gesellschaft formt.

Stattdessen formt seine Funktion ihn. Gabriel durchlebt keinen Akkulturationsprozess wie sein Sohn Stephan. Zwar steht Stephan ebenfalls zwischen den Kulturen beziehungsweise zwischen seiner französischen Erziehung und seiner »Blutzugehörigkeit« (Werfel 2002: 404) zu Armenien, bei ihm verläuft die Anpassung an die neue Umgebung indes vergleichsweise schnell und unkompliziert: »Er war zum orientalischen Armenierjungen geworden, zu dem, was alle anderen Mitschüler um ihn herum waren. Der Grund? Er hätte sich anders unter ihnen nicht behaupten können.« (Ebd.: 405) Die Begründung aus der Notwendigkeit heraus ist dieselbe wie bei seinem Vater, im Gegensatz zu diesem ist Stephans Geschichte jedoch auch die eines Heranwachsenden, der seinen Platz unter Gleichaltrigen sucht – und daran scheitert. Der Vater-Sohn-Konflikt trägt zu diesem Scheitern bei, denn nachdem Gabriel Stephan öffentlich zurechtweist, ihn wie ein Kind behandelt, flieht er vom Musa Dagh (vgl. ebd.: 526 und 594) und wird dabei getötet. In Gabriels Konflikt zwischen Vater- und Führerrolle setzt sich dagegen Letztere durch.

So bedenkt er, als er Stephan bestraft, dass es sich »hier ja nicht um den bloßen Ungehorsam gegen den Vater, sondern um Insubordination gegen den höchsten Führer« (ebd.: 527) gehandelt habe. Gabriels Individualität wird zurückgedrängt. Die Gewaltsamkeit, mit der das geschieht, ergibt sich aus der Extremsituation der Belagerten, aus Notwendigkeit. Gabriel muss handeln, wie er handelt, er »verändert sich durch die Übernahme der Heldenrolle, er muss aufgrund seiner neuen Funktion täteranalog handeln und kommt damit ethisch wie emotional nicht zurecht.« (Bartl 2012: 74)17 Nach seiner emotionalen Entfernung von Juliette und nach Stephans Tod bleibt so kaum etwas von der Person Gabriel Bagradian übrig. Diese Entwicklung kulminiert auf der letzten Seite des Romans. Verbunden mit der organizistischen Metapher des »Volkskörpers«, die sich gegen Ende des Musa Dagh häuft, lässt sich der Führer Gabriel als Personifikation aller Armenier des Musa Dagh lesen – zumal der Roman ohnehin dazu auffordert, die Armenier politisch, historisch und ästhetisch als Einheit zu lesen. Besonders aus- und nachdrücklich geschieht das bei Situationen des Leidens: »Was einem einzelnen geschieht, ist allen geschehen.« (Werfel 2002: 100) Der Gedanke der Volksgemeinschaft ist hier wörtlich genommen.

In diesem Zusammenhang erscheint Gabriels »bohrendes Einsamkeitsbedürfnis« (ebd.: 937), wegen dem er am Ende die Abfahrt der französischen Schiffe versäumt, in einem anderen Licht. Als die Dorfbewohner gerettet sind, hat er keinen Lebenszweck mehr, ist er gewissermaßen überflüssig.

Im ersten Augenblick der allgemeinen Rettung hatte ihn sofort die Ahnung angewandelt, daß es für ihn diese Rückkehr ins Leben nicht gebe, schon deshalb, weil der wahre Gabriel Bagradian, wie er in diesen vierzig Tagen entstanden ist, wirklich gerettet werden mußte. […] Mit unbeschreiblicher Sicherheit erfüllt ihn das Einzig-Mögliche. Er hat das Schicksal seines Blutes geteilt. Er hat den Kampf seines Heimatvolkes geführt. Ist aber der neue Gabriel nicht mehr als Blut? Ist der neue Gabriel nicht mehr als ein Armenier? Früher hat er sich zu Unrecht als ›abstrakter Mensch‹ als ›Mensch an sich‹ gefühlt. Er mußte zuerst durch jenen Pferch der Gemeinschaft hindurch, um es wahrhaft zu werden. Das ist es, darum fühlt er sich so unermeßlich frei. Kosmische Einsiedelei. Die Sehnsucht dieses Morgens. Nun ist sie gefunden, wie von keinem Sterblichen noch. Jeder Atemzug schwelgt in der trunkensten Unabhängigkeit. (Ebd.: 972f. [Hervorh. i.O.])

In den Vierzig Tagen des Musa Dagh ist das Schicksal der Armenier personalisiert, der Roman schildert Einzelschicksale und bezieht gerade bei Gabriel und Juliette das Private in die von der Moderne hervorgerufene Krise ein. Stefani Kugler fasst dies als Werfels »Strategie gegen den Prozeß der Objektivierung und Entpersönlichung, den er als Moment der Vernichtungspolitik begreift« (Kugler 2000: 145f.). Und doch geht Personalisierung, Personifikation stets mit Entpersönlichung einher, indem sie die einzelne Figur auf eine bestimmte Aussage reduziert. Der Roman nutzt die Personifikation ausgiebig: Gabriel wird als Führer zur Inkarnation der armenischen Widerständler, Iskuhi erscheint der fiebernden Juliette als »die große Fremdheit selbst« (Werfel 2002: 827), Sato ist »die verkörperte Unrast […] in Person« (ebd.: 596) und der Pastor Lepsius sitzt – in ein durchaus ironisches Bild gefasst – im Gespräch mit den den Armeniern wohlgesinnten Alttürken »als angeklagtes Europa auf seinen gekreuzten Beinen.« (Ebd.: 665)

5. Fazit: der Ausweg der Religion

Der Fokus auf Gabriel als Führer und zunehmend als Personifikation seines Volkes erlaubt es Werfel, »die Tragödie der Armenier in den archetypischen Bildern eines Heldenepos zu erzählen« (Eke 1997: 709), jedoch ist das mit jüdisch-christlichen Motiven durchsetzte Werk »ultimately a religious novel.« (Robertson 1992: 266)18 Ein äußeres Zeichen dafür bildet bereits der Titel, nach dem die Belagerung 40 Tage währt, obwohl in Werfels Quellen von 36 beziehungsweise 53 Tagen die Rede ist (vgl. Schulz-Behrend 1951: 123), und der damit eine biblische Dauer aufruft: 40 Jahre dauert der Auszug aus Ägypten, 40 Tage fastet Jesus in der Wüste. Die religiöse Deutung bezieht sich ebenfalls gleichermaßen auf Gabriel wie auf die Armenier als Volk:

Gabriel erfährt in dem oben zitierten Abschnitt eine Transzendierung, die ihn als Erlöserfigur erscheinen lässt, die ihr Leben für andere gegeben hat. Zudem sublimiert die religiöse Erfahrung die in Gabriel tätigen und widerstreitend gezeichneten europäischen und armenischen Kräfte. »Nur zwei sind da, Gott und Gabriel Bagradian. Und Gabriel Bagradian ist von Gottesgnaden, ist wirklicher als alle Menschen und Völker!!« (Werfel 2002: 973)

Die Armenier wiederum fasst der Erzähler zu einem gleichfalls religiös gefärbten Ganzen zusammen. Er macht ihre Geschichte zur Leidensgeschichte und sie zum Träger einer speziellen Bedeutung. Sie werden so auch ästhetisch zum Anderen, letztlich zu einem strukturellen Kollektivsymbol. Dabei handelt es sich um ein Symbol des (unschuldigen) Leidens, festgemacht an der so häufig auftauchenden Genitivmetapher »Armenieraugen«: »Armenieraugen sind fast immer groß, schreckensgroß von tausendjährigen Schmerz-Gesichten« (ebd.: 93). Nicht nur ihre Größe hebt die Augen hervor; in dem Kompositum werden die Augen durch etwas nicht Ausgedrücktes modifiziert, umschrieben von dem Determinans »Armenier-«, so dass das Possessiv- zu einem Determinativkompositum wird. Diese Zeichnung der Armenier verleiht ihnen ein überzeitliches Element, das alles Individuelle zurückdrängt und nicht allein bedeutet, »dass sich Leiden und Verfolgung genetisch in die ›Rasse‹ der Armenier eingeschrieben haben« (Spedicato 2014: 163): »Solche Augen haben nur Wesen, die den Kelch bis zur Neige leeren müssen. Jesus am Kreuz hat wohl ähnliche Augen gehabt.« (Werfel 2002: 150) Diese symbolische Bedeutung ist nicht nur von ihrem Träger ablösbar und auf einen anderen übertragbar – »Bekommen die deutschen Verwundeten und Sterbenden nicht auch armenische Augen?« (ebd.: 174) –, sondern sogar beinahe in der Lage, die Menschen, die sie tragen, vollständig zu überlagern, wie es bei ihrer Rettung ein englischer Offizier ausdrückt: »[D]iese Armenier! Ich habe den Eindruck, keine Menschen gesehen zu haben, sondern nur Augen.« (Ebd.: 946)

Als Konsequenz dieser zeichenhaft-symbolischen Besetzung der Armenier als Verkörperung des Leidens folgt freilich zwingend, dass ihre Verfolgung unter den Jungtürken eine Episode in der Leidensgeschichte darstellt, die ihre Existenz bedeutet. Diese schicksalhafte Lesart fügt dem literarischen Werk eine Deutungsschicht hinzu:

Religion und Religiosität pries Werfel bereits in zwei Vorträgen, die sich mit der geistigen und politischen Gegenwart befassen, als Mittel gegen die sinnentleerte Moderne, in der Nationalismus und Nihilismus um sich greifen.19 Die Vorträge Realismus und Innerlichkeit und Können wir ohne Gottesglauben leben?, gehalten am 6. Mai 1931 und am 3. März 1932 im Kulturbund Wien, sind von der Ablehnung materialistischer Rationalität in den zeitgenössisch aktuellen Ausprägungen des Kommunismus wie des Nationalsozialismus durchdrungen, setzen indes keinen neuen, sondern einen alten Wert dagegen: »Wenn alle Wege verstellt sind, so bleibt nur der Weg nach oben.« (Werfel 1975: 61) Werfel führt aus, dass eine Ethik, die ein dauerhaftes Fundament für das menschliche Zusammenleben legen soll, religiös motiviert sein muss, da nur sie dem blinden Überleben und »der praktischen Dumpfheit des bloßen Dahinlebens […] in einer gänzlich sinn-, grund- und konsequenzlosen Welt« (ebd.: 70 und 76.) einen höheren Sinn – vielmehr: überhaupt einen Sinn – entgegenzustellen vermag. Grundlage dafür ist die Anerkennung des Anderen als Subjekt, das größte Verbrechen und Ursache für die geistigen Missstände der Moderne ist demnach die Objektifizierung der Mitmenschen. Entsprechend reflektieren Die vierzig Tage des Musa Dagh,

wie sehr das Zerstörungswerk an den Seelenkräften das Mordwerk an den Leibern übertrifft. Nicht die Ausrottung eines ganzen Volkes war der Greuel schlimmster, sondern die Ausrottung der Gotteskindschaft in einem ganzen Volk. Das Schwert Envers hatte, als es die Armenier traf, Allah selbst getroffen. (Werfel 2002: 804)

Enver selbst ist keine Satansfigur, sondern steht »außerhalb der Schuld und ihrer Qualen« (ebd.: 168), er besitzt die »fast unschuldige Naivität der vollkommenen Gottlosigkeit.« (Ebd.: 169) Stellt Enver ein nur mit Oxymora beschreibbares Gegenbild zur Religion dar, sind die Türken, die sich gegen die Politik ihrer Regierung wenden, fest in die Religion eingebunden. Mit den »reine[n] Türken« (ebd.: 165) kontrastieren so die »wahren Türken«: »Alle, die ihre Religion noch nicht verloren haben« (ebd.: 653). Hier wird erneut die Willkürlichkeit und Schädlichkeit von Grenzziehungen betont, seien es nationale, ethnische oder auch konfessionelle. Denn die Muslime in der Türkei, die Derwische der Herzensdiebe und der evangelische Pastor Lepsius ergreifen gegen das nationalistische und atheistische Regime Partei für die altorientalischen Armenier – aus Gründen der Menschlichkeit.

Der Roman Die vierzig Tage des Musa Dagh wurde hier als Reaktion auf die Modernisierungsprozesse um 1900 gelesen, die der Roman auch inhaltlich abbildet. Er verhandelt Nationalismus und Rassenlehre, thematisiert die willkürliche Konstruktion beider und entlarvt so den Mechanismus des Völkermords als Produkt einer der Rationalität hörigen Moderne, die den Genozid im Namen einer zu schaffenden staatlichen Utopie organisiert, die sich durch die vermeintliche rassische Homogenität und Reinheit der Bevölkerung auszeichnet. Entgegengestellt wird dieser Fortschrittsorientierung nun ein Gesellschaftsmodell einer explizit reaktionären Moderne. Es ist dies eine kulturpessimistische, konservative und antidemokratische Richtung, die auf Konzepte der Volksgemeinschaft und des Blutes rekurriert, sich jedoch von Bewegungen wie dem Nationalsozialismus abgrenzt. So konnte Werfel diesen Impetus mit der humanitären Intention des Romans verbinden.

Mindestens dem heutigen Leser befremdlich bleibt dabei die rhetorische und strukturelle Nähe des Romans zur Blut-und-Boden-Literatur. Indem die armenischen Widerstandskämpfer in der Extremsituation des Überlebenskampfes als ein organisches Ganzes wie als primitive geistlose Masse entworfen werden, gerät Gabriel Bagradian aufgrund seiner Sonderstellung und auf Kosten seiner Individualität zur bewussten und willensstarken Verkörperung der Gemeinschaft. Gefasst ist das ebenfalls zeitspezifisch in das Motiv des Führers. Als Fluchtpunkt bietet der Roman schließlich Religion, religiöse Innerlichkeit, als Auflösung ideologischer Konflikte an, womit er zurück auf die Kritik am Nationalismus verweist: »Hier wie überall in der Welt war der herrschende Nationalismus am Werke, um ideenerfüllte, ja religiöse Reichsgebilde in ihre armseligen biologischen Bestandteile aufzulösen.« (Ebd.: 505)

Anmerkungen

1 | Mit dem Terminus wird Jeffrey Herf gefolgt, der ausführt, wie die »incorporation of technology into modern German nationalism brought a set of apparently discordant meanings together in a coherent and compelling ideology.« (Herf 1984: 226) Georg Bollenbeck nennt diese breite Strömung, die Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts »die Schattenseiten der Moderne« (Bollenbeck 2007: 202) herausstellt, »entzauberte Moderne« (ebd.: 201).

2 | Die Moderne als Begriff wie als zeitliche Epoche einzugrenzen, ist schwierig. Hier dient »Moderne« vorrangig zur »Bezeichnung einer als Durchgangspunkt empfundenen Gegenwart« (Gumbrecht 1978: 110): ein aufgrund gesellschaftlicher Beschleunigungserfahrungen verändertes Zeitbewusstsein, das nach Gumbrecht im europäischen Vormärz einsetzt – zeitgleich damit verändern sich der Nationalbegriff und die Ablehnung der Juden (vgl. Conze 1984, bes. 173-176).

3 | Den Menschen zoologisch zu klassifizieren unternahm erstmals Carl von Linné 1735. Operationalisiert wird der Begriff »Rasse« ebenso von Philosophen wie Voltaire und Kant. Vgl. zur Begriffsgeschichte Conze 1984, vgl. zum europäischen Rassismus Mosse 1990.

4 | Berlin / Klenner sprechen von »Zwangstürkisierung« (Berlin / Klenner 2006: 28).

5 | Vgl. Jungk 1987: 205. Einen detaillierten Überblick über Werfels Quellen gibt Schulz-Behrend (1951).

6 | Indes missbilligt Buch selbst das permanente »Rauschen des Blutes« (Buch 1990: 27).

7 | Der Lexikonartikel Volkskörper weist darauf hin, dass auch Kritiker des Nationalsozialismus diesen Begriff benutzten (vgl. Schmitz-Berning 2007: 670). Zu den biologischen Grundlagen und biopolitischen Konnotationen vgl. Geulen 2004: 256-271.

8 | Diese Randnotiz im Manuskript zitiert Jungk 1987: 211 (Hervorh. i.O.).

9 | Unter den europäischen Mächten macht sich insbesondere das Deutsche Reich der Duldung des Völkermords, wenn nicht gar der Beihilfe schuldig. Damit forciert der Roman einerseits eine zeitkritische Lektüre, anderseits setzt er einen Endpunkt unter das westliche Stereotyp des barbarischen, gewalttätigen Orients (vgl. Honold 2014: 119-122).

10 | Fairerweise sei erwähnt, dass sich die Anmerkung für Mendès und Loti auf die Lebensdaten, Lotis Klarnamen und die Erklärung »französische Schriftsteller« beschränkt (vgl. Werfel 2002: 982).

11 | Danach führt der Okzident einen von machtpolitischen Interessen geleiteten Diskurs über den Orient, durch den er ihn erst als Kulturraum konstruiert. Als Anschauungen formendes und tradierendes Medium ist auch die Literatur an diesem Diskurs beteiligt (vgl. Said 2003).

12 | Dass »die Vorstellungen von Okzident und Orient, Europa und Asien untereinander bis zum Schluss antipodisch« bleiben, ist für Eugenio Spedicato »Werfels trostlos[e] Bilanz über das Kulturthema ›Fremdheit‹« (Spedicato 2014: 171).

13 | Den Umgang der Gemeinschaft des Musa Dagh mit Außenseitern – den Wahnsinnigen, Blinden und Bettlern, Sato und den Deserteuren –, die (erfolglos) ferngehalten werden sollen, untersucht scharfsichtig Kugler 2000, bes. 143f.

14 | Die Begriffe »Intellekt« und »Intellektueller« kennen die 1920er- und 1930er-Jahre nahezu ausschließlich abwertend als Ursache und Symptom für Wurzellosigkeit und fehlende Schöpferkraft (vgl. die entsprechenden Artikel in Schmitz-Berning 2007: 315-317 und 317-322).

15 | An diesem »sonderbaren Kontrast« (Spedicato 2014: 163) arbeitet sich Eugenio Spedicato ab: »Es ist, als würde Werfel behaupten, dass ›Rasse‹ an und für sich ein natürlicher Trennungsfaktor ist, der nicht durch Ideologeme verschärft werden sollte.« (Ebd.: 164)

16 | Für Donna K. Heizer besitzt Gabriel »the best qualities of Eastern and Western cultures« (Heizer: 1996: 71). Auch Alexander Honold begreift ihn als eine Figur, die »östliche Herkunft und westliche Bildung auf idealtypische Weise in sich vereint« (Honold 2014: 116).

17 | Bartl untersucht die psychische Verfassung Gabriels inklusive der körperlichen Krankheitssymptome und erkennt eine posttraumatische Belastungsstörung (vgl. Bartl 2012). Auch der Mensch Gabriel Bagradian ist ein Opfer der Belagerung des Musa Dagh.

18 | Steiner (vgl. 1992) arbeitet vor allem biblische Parallelen in Aufbau und Struktur des Romans heraus.

19 | Eine Würdigung dieser Gedanken bietet Roy Knocke (2015).

Literatur

Adorno, Theodor W. (1997): Erziehung nach Auschwitz. In: Ders.: Gesammelte Schriften. Hg. v. Rolf Tiedemann unter Mitwirkung v. Gretel Adorno, Susan Buck-Morss u. Klaus Schultz. Bd. 10.2: Kulturkritik und Gesellschaft II. Eingriffe – Stichworte – Anhang. Frankfurt a.M., S. 674-690.

Arendt, Hannah (1986): Elemente und Ursprünge totalitärer Herrschaft. I. Antisemitismus. II. Kolonialismus. III. Imperialismus. München.

Bartl, Andrea (2012): Psychologie der Verfolgung. Die Figuren Gabriel, Iskuhi, Juliette und Stephan in Franz Werfels Roman Die vierzig Tage des Musa Dagh. In: Revista de Filología Alemana 20, S. 67-82.

Bauman, Zygmunt (1992): Dialektik der Ordnung. Die Moderne und der Holocaust. Hamburg.

Berlin, Jörg / Adrian Klenner (Hg.; 2006): Völkermord oder Umsiedlung? Das Schicksal der Armenier im Osmanischen Reich. Darstellung und Dokumente. Köln.

Bollenbeck, Georg (2007): Eine Geschichte der Kulturkritik. Von J. J. Rousseau bis G. Anders. München.

Buch, Christoph (1990): Ein Genozid, der offiziell nie stattgefunden hat. Franz Werfel: Die vierzig Tage des Musa Dagh (1933). In: Marcel Reich-Ranicki (Hg.): Romane von gestern – heute gelesen. Bd. 3. 1933-1945. Frankfurt a.M., S. 18-30.

Conze, Werner (1984): [Art.] »Rasse«. In: Otto Brunner / Werner Conze / Reinhart Koselleck (Hg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Bd 5. Pro-Soz. Stuttgart, S. 135-178.

Dabag, Mihran (1998): Jungtürkische Visionen und der Völkermord an den Armeniern. In: Ders. / Kristin Platt (Hg.): Genozid und Moderne. Bd. 1: Strukturen kollektiver Gewalt im 20. Jahrhundert. Opladen, S. 152-205.

Eke, Norbert Otto (1997): Planziel Vernichtung. Zwei Versuche über das Unfaßbare des Völkermords: Franz Werfels Die vierzig Tage des Musa Dagh (1933) und Edgar Hilsenraths Das Märchen vom letzten Gedanken (1989). In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 71, H. 4, S. 701-723.

Geulen, Christian (2004): Wahlverwandte. Rassendiskurs und Nationalismus im späten 19. Jahrhundert. Hamburg.

Giesen, Bernhard (1999): Kollektive Identität. Die Intellektuellen und die Nation 2. Frankfurt a.M.

Gumbrecht, Hans Ulrich (1978): [Art.] »Modern«. In: Otto Brunner u.a. (Hg.): Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland. Bd. 4. Mi-Pre. Stuttgart, S. 93-131.

Heizer, Donna K. (1996): »Bad« Orientals, »Good« Orientals, and Franz Werfel. In: Dies.: Jewish-German Identity in the Orientalist Literature of Else Lasker-Schüler, Friedrich Wolf and Franz Werfel. Columbia SC, S. 68-88.

Herf, Jeffrey (1984): Reactionary Modernism. Technology, culture, and politics in Weimar and the Third Reich. Cambridge / New York / Melbourne.

Hesse, Eva (1995): Die literarische Reproduktion des Führerprinzips. Anhänger und Rivalen des Faschismus. In: Rolf Grimminger (Hg.): Literarische Moderne. Europäische Literatur im 19. und 20. Jahrhundert. Reinbek b. Hamburg, S. 479-521.

Honold, Alexander (2014): Orientalismus am Wendepunkt. Zur kulturellen Topographie von Franz Werfels Roman Die vierzig Tage des Musa Dagh. In: Axel Dunker / Michael Hofmann (Hg.): Morgenland und Moderne. Orient-Diskurse in der deutschsprachigen Literatur von 1890 bis zur Gegenwart. Frankfurt a.M. 2014, S. 103-128.

Hosfeld, Rolf (2015a): Tod in der Wüste. Der Völkermord an den Armeniern. München.

Ders. (2015b): Völkermord und Moderne bei Franz Werfel. In: Roy Knocke / Werner Treß (Hg.): Franz Werfel und der Genozid an den Armeniern. Berlin, S. 76-85.

Jungk, Peter Stephan (21987): Franz Werfel. Eine Lebensgeschichte. Frankfurt a.M.

Knocke, Roy (2015): Franz Werfel als Kulturkritiker. Individualismus, Kollektivismus und die moralisch-ästhetische Stellung des Dichters. In: Ders. / Werner Treß (Hg.): Franz Werfel und der Genozid an den Armeniern. Berlin, S. 44-55.

Kugler, Stefani (2000): Kultur und Geschlecht in Franz Werfels Armenierroman Die vierzig Tage des Musa Dagh. In: Karl Hölz, Viktoria Schmidt-Linsenhoff, Herbert Uerlings (Hg.): Beschreiben und Erfinden. Figuren des Fremden vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Frankfurt a.M. u.a., S. 119-146.

Mann, Michael (2007): Die dunkle Seite der Demokratie. Eine Theorie der ethnischen Säuberung. Hamburg.

Mosse, George L. (1990): Die Geschichte des Rassismus in Europa. Frankfurt a.M.

O.A. (1930): [Art.] »Führer«. In: Der Große Brockhaus. Handbuch des Wissens in zwanzig Bänden. 15., völlig neubearb. Aufl. v. Brockhaus’ Konversations-Lexikon. Bd. VI. F-Gar. Leipzig, S. 670.

Prümm, Karl (1976): Das Erbe der Front. Der antidemokratische Kriegsroman der Weimarer Republik und seine nationalsozialistische Fortsetzung. In: Ders. / Horst Denkler (Hg.): Die deutsche Literatur im Dritten Reich. Themen – Traditionen – Wirkungen. Stuttgart, S. 138-164.

Robertson, Ritchie (1992): Leadership and Community in Werfel’s »Die Vierzig Tage des Musa Dagh«. In: Joseph Strelka / Robert Weigel (Hg.): Unser Fahrplan geht von Stern zu Stern. Zu Franz Werfels Stellung und Werk. Bern u.a., S. 249-269.

Said, Edward (102003): Orientalism. London.

Schmitz-Berning, Cornelia (2007): Das Vokabular des Nationalsozialismus. 2., durchges. u. überarb. Aufl. Berlin.

Schulz-Behrend, George (1951): Sources and Background of Werfel’s Novel Die vierzig Tage des Musa Dagh. In: Germanic Review 26, H. 2, S. 111-123.

Spedicato, Eugenio (2014): Fremdheitsprofile in Franz Werfels Die vierzig Tage des Musa Dagh. In: Gabriella Rácz / Klaus Schenk (Hg.): Erzählen und Erzähltheorie zwischen den Kulturen. Würzburg, S. 157-171.

Spengler, Oswald (172006): Der Untergang des Abendlandes. Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte. Nachw. v. Detlef Felken. München.

Steiner, Carl (1992): Religious Symbolism in Werfel’s »Die Vierzig Tage des Musa Dagh«. In: Joseph Strelka / Robert Weigel (Hg.): Unser Fahrplan geht von Stern zu Stern. Zu Franz Werfels Stellung und Werk. Bern u.a, S. 271-288.

Werfel, Franz (1975): Können wir ohne Gottesglauben leben? In: Ders.: Zwischen oben und unten. Prosa – Tagebücher – Aphorismen – Literarische Nachträge. Aus dem Nachlaß hg. v. Adolf D. Klarmann. München / Wien, S. 41-85.

Ders. (132002): Die vierzig Tage des Musa Dagh. Frankfurt a.M.

Next Chapter
Treue zwischen Sprachen und Kulturen anhand einer Analyse der deutschen Übersetzung von Aminata Sow Falls Roman L’appel des arènes (Louis Ndong)
PreviousNext
This text is licensed under a CC BY-NC-ND 4.0 license.
Powered by Manifold Scholarship. Learn more at manifoldapp.org