Pilger, Voyeure und Touristen
Zum Verhältnis von Reisen und touristischer Praxis in Ilija Trojanows An den inneren Ufern Indiens. Eine Reise entlang des Ganges
AbstractThis article explores the differences between the figures of the traveller and the tourist within tourism research. Taking Ilija Trojanow’s literary reportage An den inneren Ufern Indiens. Eine Reise entlang des Ganges (2003) as a literary example, common strategies of narrators and protagonists to differentiate between the two categories will be examined. It will be discussed whether it is actually possible to distinguish between these two forms of travel and in what respect the first person narrator, despite his attempts to present himself as a traditional traveller, might reveal tourist features in his approach to the other culture. Apart from this, the question will be raised if travelling in its traditional sense (as a counter practice to tourism) implies an intercultural access to the other culture and if the intercultural can be identified as an element of Trojanow’s text.
Title:Pilgrims, Voyeurs and Tourists. On the Relationship Between Travel and Tourist Practices in Ilija Trojanow’s An den inneren Ufern Indiens. Eine Reise entlang des Ganges (2003)
Keywords:tourist; traveller; travel literature; Trojanow, Ilija (* 1965); literature on India
»Jeder Tourist ist ein Künstler, eine Künstlerin« (Sareika 2013: 13) – diese Parität stellt Rüdiger Sareika in seinem Entwurf einer visionären Neuperspektivierung der Gesellschaft für das Jahr 2012 her, die das kurative Zusammenspiel von Kunst, Kultur und interkultureller Kommunikation als »Korrektiv« (ebd.) einer erratisch-enthemmten globalisierten Moderne zum Programm hat.1 Im Rekurs auf den mittelalterlichen Pilger, eine emblematische Vorgängererscheinung des Touristen, artikuliert sich Sareikas zukunftsweisender Reformierungsgedanke eines anderen Tourismus. Die Re-Orientierung an der Figur des Pilgers als einem frühen Exponenten des interkulturellen Dialogs ermöglicht einerseits einen künstlerischen Zugang zum modernen Tourismus, auf der anderen Seite führt die Transformation zu einem bildungsmotivierten Unterwegssein aber auch zu einer konkreten Ausdifferenzierung heutiger Reiseformen. Dabei versprechen die Implikationen einer kategorischen Pilgermobilität (beispielsweise der Verzicht auf Massenverkehrsmittel zugunsten eines Fortbewegens aus persönlicher physischer Kraft) einen merklichen Rückgang der negativen Auswirkungen des Tourismus auf Landschaft und Umwelt (vgl. ebd.: 14f.). Wie Sareika gegen Ende seiner Ausführungen erklärt und was sich bis dahin ebenso abzeichnet, zielt die z.T. stark hyperbolische Formulierung dieser idealtypischen Vorstellungen dezidiert darauf ab, nicht nur die Möglichkeiten des wechselseitigen Austauschs zwischen Kulturen aufzuzeigen, sondern dessen allseits propagierten Universalitätsanspruch auch in seine Schranken zu weisen (vgl. ebd.: 16). Dass in einem vermeintlichen Plädoyer für eine utopisch-idyllische Gesellschaft im 21. Jahrhundert – vor dem Hintergrund einer praktizierbaren Interkulturalität wohlgemerkt – eine Referenz auf das Reisen nicht fehlt, erscheint auf den ersten Blick nicht äußerst überraschend. Denn aller Trivialität zum Trotz stellt der Tourismus, abgesehen von globalen Handelskontakten und multiethnischen und -kulturellen Lebenskonstellationen in heterogenen (urbanen) Gesellschaften, als »moderne Form von Mobilität« (Heitmann / Schröder 2013: 10) den Kontext par excellence dar, in dem es zum Zusammentreffen von Menschen verschiedener Kulturen und damit zur Begegnung mit dem ›kulturell Anderen‹2 kommt (vgl. Weidemann 2010: 103). Auch die Kritik am Tourismus in seiner jetzigen massenhaften Ausprägung birgt wenig Neues, ist dem touristischen Diskurs doch schon seit seinen Anfängen im 19. Jahrhundert eine grundsätzlich geringschätzige Haltung gegenüber seinem eigenen Sujet eingeschrieben. So ist bereits der ursprünglich aus dem Englischen stammende und dann ins Französische und in andere europäische Sprachen entlehnte Begriff tourist seit seinem Erscheinen eindeutig negativ konnotiert. Es bildet sich mit Beginn des modernen Tourismus gleichzeitig auch ein Antitourismus heraus, dessen publizistisch-expressive Plattformen zunächst in der Literatur und im Journalismus angesiedelt sind (vgl. Henning 1999: 18). Eklatant in jedem Fall ist jedoch Sareikas Ausruf eines Tourismus, der einen substantiellen Beitrag zum interkulturellen Dialog zu liefern vermag. Dieser Anspruch verwundert, da das Verhältnis zwischen Interkulturalität und Tourismus im Grunde nur als konträr beschrieben werden kann und Letzterer schließlich als eine kommerzialisierte Art des Kulturkontakts generell an einer Festschreibung (und Vermarktung) kultureller Identität im Sinne des Kulturalismus interessiert ist, was den Leitsätzen der Interkulturalität zweifelsohne entgegenläuft. Wenngleich sich die interkulturelle Kommunikationsforschung mit der dem Tourismus inhärenten Alteritätsdynamik (vgl. Heitmann / Schröder 2013: 10) beschäftigt und – vorwiegend aus handlungstheoretischer Perspektive und anhand empirischer Befunde – versucht, mögliche Lern- und Verstehenspotenziale der fremdkulturellen Interaktion zwischen Touristen und Bereisten3 auszumachen, spricht die Tourismuskritik ihrem Diskussionsgegenstand hingegen ebendieses Vermögen, interkulturelle Verstehensprozesse bewirken zu können, entschieden ab. Sie beschreibt ein diesem angedachten Fremdverstehen geradezu diametral entgegengesetzt verlaufendes Phänomen: Statt vorurteilsbehaftete Einstellungen aufseiten der Touristen abzubauen und Toleranz zu stiften, führt touristisches Reisen oftmals zu einer erheblichen Verfestigung von Vorurteilen und einer Ablehnung des kulturell Anderen (vgl. Herdin / Luger: 9). Ein Zusammendenken von Tourismus und Interkulturalität ist folglich nur unter verschobenen Suppositionen hinsichtlich der Art und Weise des Unterwegsseins praktikabel. Sareika trägt dem Rechnung, indem er das Streben nach Bildung und Erfahren des kulturell Anderen als Grundpfeiler eines reformierten Reisens postuliert. Inwiefern der Tourismus jedoch selbst unter diesen veränderten Rahmenbedingungen wirklich die Brücke zur Interkulturalität schlagen kann und überhaupt soll, bleibt trotzdem fragwürdig. Innerhalb der Tourismusforschung ist man mittlerweile davon abgekommen, lediglich die negativen Aspekte des Tourismus herauszustellen. Im Hinblick auf die Bereisten überwiegen sogar die positiven Auswirkungen, weil die Tourismusindustrie ungemein zur Anhebung des Lebensstandards in den Zielländern beiträgt (vgl. Opaschowski 2001: 27).
Wie nun ein spezifisch interkulturell konzipiertes Reisen genau aussehen könnte, lässt Sareika in seinem eigenwilligen Zukunftstraum weitestgehend offen. Die angedeutete Pilgermetaphorik lässt jedoch tendenziell vermuten, dass die Antwort darauf einerseits in den verschiedenen Modi des Reisens und andererseits (und im Besonderen) in der Annäherungsweise an den kulturell Anderen zu finden ist. Eine Dechiffrierung dieser beiden Komponenten der Reiseaktivität öffnet den Weg zu relevanten Folgerungen, wie sich ein Reisen unter touristischen Vorzeichen bzw. im Umkehrschluss ein sich gerade davon distanzierendes, nichttouristisches Unterwegssein konstituiert. Indem sich Sareika in seiner imaginären Tourismusreform der Figur des Pilgers zuwendet, macht er letztendlich Gebrauch von einem sowohl in der Reiseliteratur als auch in der Tourismusforschung, die ihrerseits ihren Ursprung in der Literatur hat,4 gemeinhin bekannten Gegensatzpaar: das des Touristen und des Reisenden.
Von der Grundannahme ausgehend, dass ein vermeintlich echtes Reisen durch den Einbruch des Massentourismus unmöglich geworden ist,5 etabliert sich im antitouristischen Diskurs eine programmatische, retrospektive Profilierung der Figur des Reisenden, eine diskursive Nebenwirkung sozusagen, die in klarer Opposition zum Touristen entworfen und von diesem mittels Parametern wie Reisemotivationen und -praktiken explizit unterschieden wird. In der jüngeren Tourismusforschung spielt die Differenzierung dieser beiden Kategorien nur mehr eine untergeordnete Rolle und der Reisende gilt hier bereits als totgesagt (vgl. Löfgren 2002: 266; Biernat 2004: 12). Ein blasses Pseudoäquivalent hat sich höchstens im Individualtouristen erhalten, der das Spektrum massentouristischer Reisepraktiken aber lediglich erweitert (vgl. Opaschowski 2001: 16). Demgegenüber bleibt die Vorstellung dieses Gegensatzes im literarischen und öffentlichen Diskurs in all ihrer Wirkmächtigkeit aber bis heute bestehen.
Die einzelnen Differenzierungsstrategien manifestieren sich dabei im Grunde auf den beiden bereits angesprochenen Ebenen: der (u.a. auch infrastrukturellen) Ausgestaltung der eigenen Reiseunternehmung einerseits und der Form der persönlichen Begegnung mit den fremdkulturellen Subjekten andererseits. Hinsichtlich dieser ersten Ebene ist beispielsweise der Rückgriff auf Beschreibungskategorien, die im Wesentlichen allem Vergnüglichen oppositär sind, besonders typisch bei der Herausstellung eines genuinen Reisens. So charakterisiert Daniel J. Boorstin das einstige Reisen, das er in From Traveler to Tourist: The Lost Art of Travel, einem Kapitel in seinem Werk The Image. A Guide to Pseudo-events in America, verloren glaubt, als »unbequem«,6 »schwierig« und »teuer« (Boorstin 1961: 80). Inkonvenienzen nahm der Reisende früherer Zeiten jedoch bereitwillig auf sich, weil jede Reise damals noch einem echten »Abenteuer« (ebd.: 84) glich. Nur Subjekte, die sich aus dem Kontext angenehmer, komfortabler und erholsamer Erfahrung herauszulösen vermögen, sind folglich reisend und nicht massentouristisch unterwegs (vgl. ebd.: 116). Unter der Prämisse, Risiken und Gefahren, die im früheren Reisen vermieden oder überwunden werden mussten, nun selbst und freiwillig zu generieren, ist ursprüngliches Reisen für Boorstin noch denkbar (vgl. ebd.: 116f.).
Die wohl elementarste Unterscheidungsdeterminante des früheren vs. des touristischen Reisens liegt laut Boorstin im jeweiligen Aktivitätsgrad. Der einstmalige Reisende musste aktiv sein. Lange Planungsphasen, hohe Kosten, ein immenser Zeitaufwand sowie enorme Risiken waren in jeder Reiseunternehmung inbegriffen. Technische Innovationen und nun auch die dadurch bedingten Annehmlichkeiten des Mobilseins ließen den Reisenden jedoch im Laufe des 19. Jahrhunderts passiv werden. Eine vormals »athletische Übung« sei zu einem »Zuschauersport« (ebd.: 84f.) degeneriert, so Boorstin, und der Tourist geboren.
Versuche, die Figur des Reisenden vom Touristen abzugrenzen, kursieren im Besonderen um die jeweiligen Fortbewegungs- und Verhaltensmodi des reisenden Subjekts. Metaphorische Stilisierungen des echten Reisenden als einem »treibenden Schwimmer im Meer« (Helminger 2015: 138), der zwar wisse, wo sich das Ufer befindet, es aber zeitweise aus den Augen verloren hat, kristallisieren eine dominante Praxis heraus, die seit der Entstehung des modernen Tourismus im Laufe des 19. Jahrhunderts direkt mit dem Reisenden verbunden wird: das Reisen um des Reisens willen bzw. konkreter noch: das Unterwegssein um des Unterwegsseins willen, bei dem das Ziel vorläufig an Bedeutung verliert. Schon Goethe soll, noch bevor modernes touristisches Reisen in Erscheinung trat, konstatiert haben, dass man nicht reise, »um anzukommen [sic] sondern um zu reisen« (Goethe 1977: 237). Der gewissermaßen pragmatischen Abarbeitung einer Liste sehenswerter Destinationen im touristischen Reisen weicht eine Konzentration auf die Reiseaktivität an sich im genuin reisenden Unterwegssein. Damit kann zum einen die paradoxe, vielkritisierte Situation, dass vorwiegend der Erholung dienendes Reisen im Tourismus aufgrund normativer und zeitlich limitierter Routen oftmals in Stress ausartet, umgangen werden, auf der anderen Seite eröffnet die Fokusverschiebung für den Reisenden ein vermeintlich weites Feld an alternativen Reisepraktiken. Wird das eigentliche Ziel sozusagen gleichgültig, rückt unwillkürlich die Art und Weise des Reisens weitestgehend in den Vordergrund. Der Anbruch des Tourismus ist vor allem dem technischen Fortschritt und den Erneuerungen insbesondere im Bereich der Beförderungsmittel geschuldet. In dem am Anfang des 19. Jahrhunderts aufkommenden Eisenbahnverkehr treffen attestierte Zielzentriertheit und Passivität des Touristen idealerweise aufeinander. Geradewegs und ohne »interessante Umwege« (Dann 1998: 167) gestaltet sich der Reiseverlauf. Es scheint daher nur folgerichtiger Umkehrschluss, diese neueren Formen des Mobilseins, die lediglich ein »transitorisches, flüchtiges und oberflächliches« (ebd.) Erfahrungskonglomerat zulassen, auszudifferenzieren oder gänzlich zu umgehen, will man als Reisender gelten. Als Grundbedingung für ein Reisen im ursprünglichen Sinne gilt es, substantiell anders unterwegs zu sein als der Tourist, was aufs engste an die Kategorien Raum und Zeit gekoppelt ist (vgl. hierzu auch Kracauer 1977: 40-50). Daher sind gerade die Umwege bei der Durchschreitung des Raums, die Wege, »von denen er nicht weiß, wohin sie führen« (Helminger 2015: 138), für den Reisenden in seiner Abgrenzung von der Figur des Touristen besonders attraktiv. Daran knüpft sich daneben auch die Vorstellung eines Reisens jenseits ›ausgetretener Pfade‹ mit seinen repetitiven und vorhersehbaren Erfahrungsmomenten (vgl. Dann 1998: 166) an, das die zentralen Versprechen eines »echten Unterschieds«, einer »Selbstverwirklichung« und einer unkonventionellen »Freiheit« im genuinen Reisen realiter einlösbar erscheinen lässt (ebd).
Es ist dieses periphere Reisen, das im Prinzip jeden Ort, jede Einheit der Wegstrecke als eine sehenswürdige, besuchenswerte Station versteht (vgl. ebd.). Fungiert der Weg als Ziel, gestaltet sich also die Route selbst zum universellen Maß der Reise, fällt ein differenzstrategisches Beiprodukt an, das eine zeitdimensionale Abweichung zum touristischen Unterwegssein darstellt. So kommt es beim willentlich ziellosen Fortbewegen im Raum nämlich automatisch zu einer Verlangsamung, besonders dann, wenn auf reisebeschleunigende Transportmittel größtenteils verzichtet wird. Diese reduzierte Reisegeschwindigkeit löst darüber hinaus eine Intensivierung des Erlebens aus, die James Buzard als »sensation« (»Sinnesempfindung«) bezeichnet (Buzard 1993: 190) und der die Semantik einer minutiösen Erfahrbarkeit eines jeden Momentes des Reisepfads eingeschrieben ist (vgl. Dann 1998: 167). Ein derart konzipiertes, gemächliches und wahrnehmungsintensives Reisen kennt daneben eine weitere temporale Implikation, nämlich die einer entsprechend verlängerten Aufenthaltsdauer (vgl. ebd.: 168), schließlich geht es beim genuinen Reisen nicht um eine quantitative Agglomeration verschiedener besuchter Bestimmungsorte, sondern um einen qualitativen Mehrwert der Reiseerfahrung, der immer auch mit einem Mehr an Zeit verbunden ist. Die Substitution herkömmlicher Touristendestinationen durch das Aufsuchen dezentraler Orte schürt die Hoffnung des Reisenden, gänzlich unberührte Regionen aufzuspüren – eine Sehnsucht, der ein Paradox immanent ist, transformiert sich schließlich jede Neuentdeckung letztendlich zum touristischen Kanon (vgl. ebd.: 160).
Am Ende ist die Grenzziehung zwischen Tourist und Reisendem immer auch eine chronologische: Der Reisende ebnet den Weg, dem der Tourist folgt (vgl. ebd.: 169). Wesentliche Motivkraft hinsichtlich der Vorreiterfunktion des Reisenden ist sein Wunsch nach einer radikalen (vgl. ebd.: 167) räumlichen und zeitlichen Distanzierung von den Touristenmassen. Hinter dem Anspruch, als vorgeblich Erster in unbekannte Territorien vorzudringen, verbirgt sich zugleich auch ein uneingeschränktes Verlangen nach Originalität und Authentizität der Erfahrung.
Gerade an der Raum-Zeit-Achse konturiert sich, dass die systematischen Differenzierungsbemühungen zwischen einem touristischen und einem nichttouristischen Reisen nicht nur auf besagten zwei reflexiven Ebenen ablaufen, sondern sich diese auch gegenseitig bedingen – immerhin determinieren die Art und Weise, wie man sich auf Reisen fortbewegt und unterwegs ist, ganz maßgeblich die jeweiligen Verhaltensmuster bei der Kontaktaufnahme und dem Umgang mit dem kulturell Anderen. Folglich ergeben sich aus den skizzierten Grenzziehungsoperationen (dezimiertes Reisetempo, verlängerter Aufenthalt und die Erkundung entlegener geografischer Gebiete) völlig andere Begegnungsmöglichkeiten mit Einheimischen, als ein touristischer Kontext dies vermag. Laut Boorstin befindet sich der Tourist in einem gänzlich isolierten Zustand;7 abgesondert vom Raum, den er durchquert, offerieren sich ihm im Prinzip kaum Chancen, auf Bereiste zu treffen (vgl. Boorstin: 91f.). Zugespitzt formuliert, tritt der Tourist lediglich als ökonomisches Subjekt bei Handelsgeschäften mit dem kulturell Anderen in Kontakt und gestaltet sich die touristische Erfahrung als insuffizientes »Pseudoerlebnis« (ebd.: 117). Dabei ist aber doch gerade die kulturelle Differenz, die Suche nach etwas Neuem und gänzlich Anderem (vgl. Opaschowski 2002: 67-69), zentrales Movens des touristischen Reisens. Paradoxerweise sieht sich der Tourismus jedoch einer derartigen »Konfektionierung und Standardisierung« (Mörth 2004: 21) unterworfen, dass das Reiseziel letztendlich gar nicht so radikal anders erscheint bzw. dass der Wunsch, den Anderen realiter kennenzulernen, vor dem Verlangen, kollektive Fantasien in der materiellen Welt auf Reisen sozusagen (wieder-)zuerkennen, zurückgedrängt wird (vgl. Weidemann 2010: 109). Die Haltung des Touristen gegenüber kultureller Differenz zeichnet sich in besonderer Weise durch stereotype Sehnsüchte und kollektive Fiktionen aus, die Berichterstattungen und Bilddokumentationen der Touristen real werden lassen, wodurch sie sich letztlich stetig perpetuieren. Eine spezifische Rolle spielt dabei die Erzeugung passender Eindrücke, die die »Realität der Fiktion« zu beglaubigen suchen (vgl. ebd.: 110), was Hans Magnus Enzensberger bereits in seiner frühen Tourismuskritik Vergebliche Brandung der Ferne: Eine Theorie des Tourismus (1958) attestiert, wenn er in der »Bestätigung des Vorgespielten als eines Wahren« die »eigentliche Arbeit« (Enzensberger 1958: 719f.) des Touristen erkennt. Zugunsten dieser Verifikation und Reproduktion mitgebrachter Bilder rückt das Verlangen des Touristen, den Anderen tatsächlich zu ergründen oder etwas »vollständig Neues zu sehen« (Henning 1997: 95f.), in die bedeutungslose Ferne.
Vor diesem Hintergrund offenbart sich in der Art des Zugangs zum Anderen die eigentliche Abgrenzung zwischen dem Touristen und seiner Kontrastfigur und schlussendlich die Essenz eines interkulturellen Reisens. So nimmt es nicht wunder, wenn der Reiseschriftsteller und -journalist Andreas Altmann in einem Abriss über die Differenz zwischen Reisendem und Touristen die Modi des Mobilseins als vornehmlich nebensächlich deklariert: »Es ist eher belanglos, wie jemand unterwegs ist« (Altmann 2012: 25; Hervorh. i. O.). Stattdessen stehen Neugierde, Wissensdrang, Entdeckerfreude und ein »Hunger nach allem« (ebd.: 25) für ein nichttouristisches bzw. ein selbst wenn als touristisch tituliertes, so doch als genuin reisend konzipiertes Fortbewegen ein. Obgleich nicht mit dem entsprechenden terminologischen Arsenal operiert wird, belaufen sich die weiteren Ausführungen auf einen primär interkulturellen Zugriff auf den Anderen. Um diesem näherzukommen, ist Altmann zufolge die Investition einer Kraftanstrengung notwendig sowie das Entgegenbringen von Respekt und die Suche des vollkommen Anderen (vgl. ebd.: 24-27). Gemeinhin echte Reisende sind als solche aufzufassen, die »in den Schatten dessen treten wollen, was sie nicht wissen, womöglich nie wissen und verstehen werden« (ebd.: 27). Mit dem scheinbar beiläufigen Zusatz »Das soll keinen von uns stören« (ebd.) erfahren mögliche Wissenslücken beim Kontakt mit der anderen Kultur eine Aufwertung, gar Würdigung. Indem ein denkbares Nichtverstehen und Nichtwissen und deren Respektierung als konstitutiv erklärt werden, sind hier Konvergenzen mit der aktuellen (literarischen) Interkulturalitätsforschung zu verzeichnen, die Interkulturalität in einem »Modus des Nichtwissens« (Heimböckel / Weinberg 2014: 133) auffasst, bei dem das Zulassen von Nichtwissen das Normative und Vereinnahmende am Wissen zu revidieren versucht und so schließlich eine »Anerkennung des Nichtgewussten« (ebd.: 136) intendiert wird. Anders als der Tourismus, der nur auf Basis einer Festschreibung, Aneignung und Tradierung von Wissensbeständen funktioniert, ist ein Reisen, das sich der Legitimation von Nichtwissen verschreibt, reformierend.
Interkulturalität meint ferner ein Transzendieren und Aufheben von (Verstehens-)Grenzen – ein Akt, der darauf abzielt, ein gewöhnliches Denken zu entkräften (vgl. ebd.: 122). Die Bewusstwerdung des eigenen begrenzten Wissens ermöglicht gerade das Übertreten von Grenzen und den Zugang zu neuen Denkweisen. Um den Moment dieser Eingebung und Blicköffnung zu erfassen, machen Dieter Heimböckel und Manfred Weinberg das Konzept des Staunens produktiv, das grundlegende interkulturelle Positionen wie das Eigene und das Fremde und deren Repräsentationen (vgl. ebd.: 126) nicht nur hinterfragt, sondern dekonstruiert und zu einem »auf absolute Wertmaßstäbe verzichtenden Kulturvergleich« ( ebd.: 123) befähigt.
Unvoreingenommenheit sieht auch der Luxemburger Schriftsteller Guy Helminger in seinem literarischen Essay Unterwegs in den Poren der Fläche. Reisen als Phänomen der Interkulturalität als Grundbedingung für einen interkulturellen Zugang zum Anderen, jedoch unter der Voraussetzung, sich der eigenen Kultur zuerst bewusst zu sein (vgl. Helminger 2015: 140). Interkulturelles Reisen ist für ihn ein »dialektischer Vorgang« zwischen dem eigenkulturellen Ich und dem fremdkulturellen Nicht-Ich:
Reisen ist die Möglichkeit, sich durch das Erleben der Fremde zu ändern und dabei gleichzeitig die eigene Identität zu stärken. Aber Reisen verändert genauso den Fremden durch mein Auftauchen und stärkt dessen Identität. Gesetzt, beide sind bereit für einen solchen Austausch, für eine Neutralität, die erst einmal wahrnimmt, reflektiert, fühlt, ehe sie sich verhält und urteilt. Dabei ist die Wahrung der eigenen Person genauso wichtig wie die Akzeptanz des Gegenübers in seiner Fremdheit. Erst in einem weiteren Schritt kann es bei beiden zu Veränderungen kommen, zu einer Interaktion (ebd.: 140).
Im Vorlauf zu diesen Überlegungen äußert sich Helminger auch zum Kontrast zwischen Touristen und Reisenden, wobei er dezidiert für eine Grenzziehung zwischen den beiden Reisekonzepten plädiert (vgl. ebd.: 137). Zwar räumt er ein, dass es den Pauschaltouristen, der im antitouristischen Diskurs gerne aufgewartet wird, so nicht gebe, doch sind auch Reiseentwürfe, die sich z.B. am Bildungsprinzip und damit an Sareikas Figur des Pilgers orientieren, für ihn aufgrund des Souvenircharakters des neu angeworbenen Wissens grundsätzlich touristisch (vgl. ebd.: 138). Repetition, Organisiertheit, ein »Mangel an Mängeln« (ebd.) sowie eine allgemeine Einförmigkeit, um nur einige Beispiele zu nennen, werden von Helminger expressis verbis mit dem Tourismus in Beziehung gebracht; sie wurden hier eingangs bereits skizziert. Dagegen sei das Reisen stets ein »Flug ins Ungewisse, ein Sprung ins kalte Wasser« (ebd.).
Einen buchstäblichen Satz ins Wasser (in einen Seitenarm des Ganges, um genau zu sein), der sich durch keine drastischere Ungewissheit auszeichnen könnte als die über Leben und Tod, verlangt die Reise dem Ich-Erzähler und seiner Reisebegleiterin in Ilija Trojanows An den inneren Ufern Indiens. Eine Reise entlang des Ganges (2003) ab. In der literarischen Reisereportage folgt das Paar dem Lauf des Ganges quer durch Indien von seiner Quelle im Himalaya bis zur Mündung in den Golf von Bengalen. In der episodenhaften Reiseschilderung geraten der Erzähler und seine Freundin Pac u.a. bei einer waghalsigen Schlauchboottour in einen eigenverschuldeten und lebensgefährlichen Unfall. Nur einem glücklichen Umstand ist es zu verdanken, dass die beiden überleben. Ausgehend von diesem Text, einer Gemengelage aus montageartigen Versatzstücken persönlicher Reiseeindrücke, mythologischen Geschichten und journalistischem Material, das die zunehmende ökologische Verschmutzung des Flusses dokumentiert, sollen im Folgenden die eingangs erstellten Analyseparameter vor dem Hintergrund einer möglichen Differenzierung zwischen touristischem und reisendem Unterwegssein näher betrachtet werden. Dabei wird auch ergründet, ob und inwiefern sich interkulturelle Austauschmomente im Werk darbieten. Dies ist gerade deshalb von so großer Signifikanz, weil die Grenzziehung zwischen Reisenden und Touristen (wenngleich sich diese ohnehin nur schwerlich vornehmen lässt) bis in die Forschung hineinreicht: Die Figur des Reisenden sowie die Reiseliteratur gehören traditionsgemäß zum Feld der erweiterten Literaturwissenschaften, während der Tourismus lediglich in den sozialwissenschaftlich und geografisch orientierten Forschungsdisziplinen eine Rolle spielt (vgl. Karentzos 2010: 281). Es wird hier ein Versuch vorgelegt, diese Dichotomie zu durchbrechen und mithilfe einer literarischen Analyse dezidiert touristische Praktiken aufzuspüren.
In der riskanten Bootsfahrt konzentriert sich exemplarisch ein weitläufiges Spektrum spezifisch nichttouristischer Reisepraktiken, die sich mehrfach im Text abzeichnen. Die geografische Marginalität einer Flussreise impliziert dabei zunächst eine Bewegung auf Pfaden jenseits der üblichen Touristenströme. Der damit gesetzte Tenor, eine räumliche Distanz zu den touristischen Massen zu wahren, wird weiter potenziert, indem die Reisenden individuell und größtenteils unbegleitet unterwegs sind. Umwege und »Irr[gänge]« (Trojanow 2006: 10) sowie daraus resultierend eine exponentielle Entschleunigung der Fortbewegung und zeitliche Extension der Reise sind natürliche Nebeneffekte. Unklar ist ad interim, inwiefern diese hier demonstrierte, als genuin einzustufende Reiseaktivität und ihre Folgen vonseiten des Erzählers überhaupt bewusst auf Divergenz zielen. Die Bootsfahrt ist jedoch kein Einzelfall. Schon vorher gestaltet sich die Reise fernab jeglichen Komfortanspruchs (z.B. durch Zelten, vgl. ebd.: 10) und wird von einer erheblichen Risikobereitschaft dominiert, z.B. als der Ich-Erzähler und Pac während der Monsunperiode den Gangotri-Gletscher besteigen wollen – ein Unterfangen, von dem ihnen mehrmals von Einheimischen abgeraten wird (ebd.: 10f.) – oder als sie im von terroristischen Anschlägen gezeichneten Bundesstaat Bihar eine Autopanne erleiden und trotz wiederholter Warnungen sich auch nachts noch auf der Straße aufhalten. Im weiteren Verlauf der Reise nimmt diese Inklination zu Risiko und Gefahr extreme Formen an und manifestiert sich ein rigoroser Drang nach dem Unberechenbaren, der sich zur Planmäßigkeit und Vorstrukturiertheit der touristischen Reise kaum konträrer verhalten könnte, als absolute Maxime: »Manchmal brach ein Stück der gegenüberliegenden Uferböschung ab und rutschte ins Wasser. Das Geräusch beunruhigte uns jedesmal wieder. Es symbolisierte eine Ungewißheit, die über die Rastlosigkeit des Ganges hinausging.« (Ebd.: 63) Dem eigenen anspruchslosen Reisen – Einheimische reagieren aufs Höchste erstaunt, dass das Paar mit einem Paddelboot unterwegs ist (vgl. ebd.: 65) – wird in einer starken Kontrastierung die Art und Weise, wie andere Touristen und Touristinnen agieren, illustrativ gegenübergestellt. Damit erhärtet sich schließlich die Annahme, dass der Erzähler seine Abgrenzung vom herkömmlichen touristischen Unterwegsseins zweifelsohne wissentlich forciert. Die Grundkoordinaten der Selbstprofilierung des Erzählers als Reisender in Opposition zum Touristen werden in der Episode der Gletscherbesteigung gelegt. Während der Erzähler und seine Freundin in einem geradezu meditativen Habitus die sie umgebende Natur auf sich wirken lassen und »noch lange vor Gaumukh [Tor zur Gletscherhöhle; D.D.], wie vor einem Wunder« (ebd.: 12) verweilen, drängt es eine koreanische Touristengruppe, der es nicht gelungen war, den Gipfel zu erreichen, zurück ins Tal: »Den Anblick des Gletschers hatten sie nicht genießen können – beim Aufstieg hatte es ihnen an Zeit gemangelt, beim Abstieg an Interesse« (ebd.: 13). Ausdauernde Geduld, ein Hang zur Gemächlichkeit und ein tiefgreifendes Interesse an der eigentlichen Sehenswürdigkeit als Marker des Reisens in seinem originären Sinn sehen sich hier mit der bloßen, primär touristischen Ziel- und Zeitorientiertheit konfrontiert. Gerade der Zeitfaktor als Differenzkategorie wird breit ausgespielt. Bei einem verbalen Schlagabtausch mit Rampratap, einem hinduistischen Priester, der nach der Armbanduhr des Erzählers verlangt, erwidert Letzterer: »Wieso denn? Was für eine Rolle spielt es in Gaumukh, ob es Viertel vor oder Viertel nach fünf ist?« (Ebd.: 12) Diese Einsicht zeugt einerseits von einem grundlegenden Verständnis des Erzählers für die jeweiligen fremdkulturellen Gegebenheiten, dem andererseits ein Prozess der Anpassung folgt: Nicht nur verbringt das Paar eine beträchtliche Weile vor der Gletscherhöhle und wird Zeit als eine schlechthin bedeutungslose Größe gehandhabt, der längere Aufenthalt birgt daneben auch das Potenzial, mit Einheimischen, in diesem Fall mit Sadhus, hinduistischen (Wander-)Mönchen, ins Gespräch zu kommen (vgl. ebd.: 12).
Der eigenen Singularität der Reiseunternehmung bietet daneben das massenhafte Auftreten anderer Touristen eine entsprechende Kontrastfolie. Immer wieder wird auf den Tourismus als Gruppenphänomen hingewiesen, z.B. wenn eine »Gruppe Koreaner« (ebd.: 13) versucht, den Gipfel zu erklimmen oder eine »Touristengruppe« (ebd.: 123) enger zusammenrückt. Dem Reisen zu zweit ist zwangsläufig ein höheres Aktivitätsniveau eingeschrieben, das mit der Trägheit und Passivität größerer Touristenanhäufungen kollidiert: »Die Touristen werden in Gruppen zum Manikarni Ghat geführt« (ebd.: 122).
Vor dem Hintergrund der hier skizzierten Differenzierungsversuche erscheint es ironisch, dass, so der Konsens der Tourismusforschung, gerade das Ausschauhalten nach und Beobachten von anderen Touristen sowie das Bedürfnis nach einem radikalen »Othering« (Löfgren 2006: 264) eine zentrale touristische Praxis darstellt. Paradoxerweise sind es dabei die anderen Touristen, die sich als unabdingbares Element im Kriterieninventar eines genuin Reisenden konstituieren, denn zur Distinktion bedarf es zuallererst einer kontrastierenden Masse (vgl. ebd.: 264f.). Die folgerichtige Weiterführung dieser Argumentation läuft letztlich darauf hinaus, mit der Unterscheidung zwischen Reisendem und Touristen gänzlich aufzuräumen, was auch tatsächlich dem aktuellen Forschungsstand innerhalb der den Tourismus untersuchenden Disziplinen entspricht (vgl. ebd.: 266). Dabei wird auch der Kategorisierung verschiedener Touristentypen ein Ende gesetzt – Löfgren bezeichnet diese als eine »Taxonomienobsession« (ebd.: 267) –, weil sie der Diskussion darum, wie sich das Wesen des Touristen gestaltet, keineswegs zuträglich ist, und die Fixierung auf begrenzte Merkmalsrubriken den unterschiedlichen Kolorationen des heutigen Reisens nicht gerecht wird (vgl. ebd.). Doch trägt man dem Umstand Rechnung, dass sich die elaborierte Vorstellung von den differenzierbaren und einander gegenüberstellbaren Kategorien des authentischen und touristischen Reisens im literarischen und öffentlichen Diskurs bis heute aufrechterhält und vor allem Texte aus der Reiseliteratur und dem Reisejournalismus mitverantwortlich sind für die Kontinuität dieses schier unumstößlich scheinenden Gegensatzes, dann muss der pauschal postulierte ›Tod des Reisenden‹ zunächst mit Bedacht betrachtet werden. Statt die Figur des Reisenden von Grund auf zu negieren, stellt sich vielmehr die Frage, wie konsequent es literarischen und journalistischen Werken gelingt, die Differenzierung zwischen ihr und dem Touristen zu wahren.
In Trojanows Text funktioniert die Selbstdefinition als Reisender, wie bisher gezeigt werden konnte, zu einem gewissen Grad. Die Repräsentation gerät jedoch ins Wanken, sobald Merkmale des genuinen Reisens nicht stringent appliziert werden. Zwar nimmt der Erzähler keine semantische Unterscheidung zwischen dem Touristen und dem Reisenden vor – die beiden Begriffe sind mit Ausnahme der gezielten Abwertung anderer Touristen im Text weitgehend austauschbar –, doch durch die explizite Denunzierung anderer Touristen positioniert sich der Erzähler gezielt auf der entgegengesetzten Seite des Spektrums der Reiseformen. Als »Spiritualitätsathleten« (Trojanow 2006: 97) und »Voyeure« (ebd.: 123) wertet er andere touristisch Reisende ab. Wie sich hierbei abzeichnet, konzentriert sich seine Kritik an ihnen auf Praktiken des Sehens sowie des Festhaltens des Gesehenen, indem der Tourist z.B. allzeit fotografierbereit ist und sich dabei äußerst respektlos zeigt, wie der Erzähler mokant bemerkt: »[M]anche [sind; D.D.] erleichtert, andere zufrieden, daß es ihnen gelungen ist, das Photographierverbot zu überlisten« (ebd.). Dabei mutet es bedenklich an, dass die Reisebegleiterin des Erzählers Berufsfotografin ist, was eingangs kurz erwähnt wird (ebd.: 8). Parodistische Züge bekommt die Kritik gleich an mehreren Stellen im Text, z.B. wenn eine Reisegruppe aus Japan »ihre Pilgerschaft von den Kameras choreographieren« (ebd.: 152) lässt oder ein soeben abgelichteter Sadhu einem Touristen wutentbrannt die Kamera entreißt und einen rituellen Tanz um sie initiiert (ebd.: 100).
Mit dem Fotografieren verwandt sind das Betrachten und Beobachten. Vor allem das an Sensationellem orientierte Observieren, aber auch einfach die Schaulust der Touristen bemängelt der Erzähler, z.B. an den Verbrennungsghats in Varanasi, an denen man dem Kremationszeremoniell für verstorbene hinduistische Gläubige beiwohnen kann (ebd.: 122). Auch hier stößt man auf das Paradox, dass die Beschreibung beobachtender Touristen gerade ihre Betrachtung voraussetzt. In der Szene am Ghat verdeutlicht sich das in aller Drastik: Die Touristen inspizieren »lodernd[e] Scheiterhaufen« (ebd.) und verbrennende Knochen; der Erzähler aber sieht sogar noch mehr: »Hätten sie [die Touristen; D.D.] dem Tod etwas länger ins Auge geschaut, hätten sie gesehen, wie die Dom, die professionellen Leichenverbrenner, in der Asche stochern, um den Schmuck zu finden, den fromme Männer ihren verstorbenen Frauen nicht abnehmen« (ebd.: 123). Der Voyeurismus, den der Erzähler den anderen Touristen vorwirft, ist auch Voraussetzung der Tourismuskritik (vgl. Gokhale 2011: 98).
Dass die touristische Praxis stark auf eine vordergründig visuelle Wahrnehmung konzentriert ist, lässt sich in John Urrys theoretischem Konzept des touristischen Blicks fassen. Indem die Blicke der Touristen schließlich in Form von Fotografien, Postkarten, Filmen etc. festgehalten und vergegenständlicht werden, erfahren sie eine schier endlose Reproduktion (vgl. Urry 1990: 3). Sehenswürdigkeiten fungieren demnach wie »Symbole der Fremde« (Pagenstecher 2006: 170): »Der Blick setzt sich aus Zeichen zusammen und der Tourismus bedingt die Anhäufung von Zeichen« (Urry 1990: 3). Somit wird der Tourismus oftmals als eine Anhäufung von disparaten und unverbundenen Zeichen aufgefasst, wobei die Reklame für und das Sammeln von Zeichen das Reiseverhalten dominieren (vgl. Crawshaw / Urry 1997: 178; Urry 1990: 138-140). Urry fasst den touristischen Blick als Leitbild und Orientierungshilfe für Reiserouten und Verhaltensrituale auf (Pagenstecher 2006: 170). Auf dieses vorstrukturierte Aufspüren vorbereiteter Bilder und das Folgen von bewährten Pfaden richtet sich allerdings ein Großteil der Kritik an der touristischen Praxis des Blickens. Das Primat des Sehvermögens wird in der Tourismusforschung zunehmend kritisch hinterfragt. Das Sehen wird als eine auf das Visuell-Oberflächliche reduzierte Auseinandersetzung mit der Fremde umgedeutet, die den Touristen daran hindert, »echte Erfahrungen zu machen« (Crawshaw / Urry: 178). Der touristische Blick, der den Kontakt des Touristen mit dem Anderen spezifisch strukturiert und einschränkt, ist ein Beispiel dafür, wie die Fremde im touristischen Kontext gezähmt, kanalisiert bzw. kontrolliert wird (vgl. Mörth 2004: 2).
Einer vorstrukturierten Sichtweise und damit auch präfigurierten Erwartungshaltung kann sich der Erzähler in An den inneren Ufern Indiens nicht gänzlich entziehen. Den Anblick der Quelle des Ganges, zu der die Reise schließlich führt, imaginiert er in einem sensationellen Bild: »Wir hatten zu sehen gehofft, wie Ganga aus dem Eis bricht« (Trojanow 2006: 10). Die Realität steht dieser Hoffnung allerdings in vielseitiger Hinsicht nach: »Doch der untere Teil der abblätternden Gletscherfront war hinter einer Biegung versteckt, je näher wir kamen, desto weniger konnten wir erkennen« (ebd.: 10). Erwartungen werden daneben mitunter durch die vorbereitende Lektüre von Reiseführern evoziert, die sich, einmal vor Ort angekommen, nicht bewahrheiten können: »Das Ghat am Zusammenfluß soll laut Reiseführer die Silhouette Indiens formen, doch das Hochwasser hatte die Küstenprovinzen überschwemmt« (ebd.: 31). Analog zur Sensationsorientiertheit lässt sich ebenso ein Verlangen nach dem Ungewöhnlichen diagnostizieren, das für eine touristisch ausgerichtete Reiseaktivität konstitutiv ist, wenn der Erzähler und seine Begleiterin z.B. eines Nachmittags im Ganges nackt schwimmen gehen (vgl. ebd.: 62). In derlei Aktionen spiegelt sich ein touristisches Motiv wider, der »Drang nach einem Bruch mit der Alltagswelt« und der damit verbundene Wunsch, auf Reisen Außergewöhnliches zu erleben (vgl. Hesse 2008: 4), worauf bereits Enzensberger hinweist, wenn er vom Tourismus als von einer »Flucht vor der selbstgeschaffenen Realität« (Enzensberger 1958: 709) spricht. Als touristisch ist auch die Manifestation von Wissensbeständen und deren Vermittlung zu betrachten. So werden beispielsweise Informationen aus Reiseführern vom Erzähler als unzutreffend ausgewiesen und durch ihn korrigiert.8 Dieser Korrektur liegt abermals eine Festschreibung zugrunde, denn indem sich der Erzähler als absolute Instanz des Wissens installiert, kommt es in ähnlicher Weise zu einer Fixierung dieses Wissens. Lediglich beim Anblick einer faulenden Leiche im Gangeswasser stößt der Erzähler auf entschiedene Grenzen seines Wissens, und es kommt zu einer tiefergreifenden Verunsicherung: »Ich war mir auf einmal nicht mehr ganz sicher, wie sich in Varanasi das Leben zum Tod verhielt.« (Trojanow 2006: 125). Dieses Zugeständnis einer Wissenslücke bzw. eines Missverständnisses, das sich in einem Akt des Staunens manifestiert, erlaubt tatsächlich eine interkulturelle Lesart. Es handelt sich hierbei jedoch um die einzige Situation während der gesamten Reise, in welcher der Erzähler die Universalien seiner Selbstprofilierung infrage stellt. Denn obwohl er eine Vielzahl genuiner Reisepraktiken realisiert, ist seine Haltung gegenüber den Bereisten weniger offen und unvoreingenommen, als angesichts seines eigenen Anspruchs, sich von allem Touristischen zu distanzieren, zu erwarten wäre. Diese Inkongruenz zeigt sich gerade in den zahlreichen Kommunikationsmomenten, die seine Reise (und seine Art zu reisen) bietet. Der Mission verschrieben, ökologische Fehltritte der Inder im Umgang mit dem Ganges aufzudecken (vgl. Gokhale 2011: 96-102), führt die Reise zu einer Aktivistengruppe in Haridwar. Beim gemeinsamen Gespräch setzt der Erzähler seine Hindikenntnisse primär dazu ein, sich über sein Gegenüber spöttisch zu äußern: »Mit dem ersten Satz Hindi, den ich sprach, wanderte die Zuständigkeit vom Gefreiten zum Offizier« (Trojanow 2006: 39). Ironisierungen dieser Art treten gehäuft auf. Hinsichtlich der Gletscherschmelze der Gangesquelle wird die rationale Erklärung der Wissenschaft in direkten Kontrast mit der naiv anmutenden Deutung Ramprataps, des dem Paar freundschaftlich vertrauten Führers, gesetzt: »Die Wissenschaftler behaupten, es liege an der globalen Erwärmung; Rampratap erklärte, wir lebten in dem düsteren Zeitalter, im Kali Yuga, von dem wir leider erst die Hälfte hinter uns gebracht hätten« (ebd.: 11). Diese herablassende Grundhaltung eines welterfahrenen Intellektuellen ist Dominante aller Beobachtungen des Erzählers. So wird z.B. die Tatsache, dass sich hinduistische Gläubige moderner Technik bedienten, um ihre religiösen Feste zu feiern, Angriffsfläche scharfer Kritik vonseiten des Ich-Erzählers: »Das wichtigste Instrument der zeitgenössischen Spiritualität ist der Lautsprecher, die Gesänge werden so laut gestellt, als sei die Welt schwerhörig« (ebd.: 34). Als echte Gläubige werden dagegen die Kalpvasis präsentiert, die »einfachen Pilger, die von der Rastlosigkeit und Ungeduld der Moderne noch nicht infiziert sind« (ebd.: 95). Das Motiv des Pilgers als Kontrastfolie wird auch für die Beschreibung der eigenen Reiseaktivität starkgemacht. Immer wieder trifft das Paar auf hinduistische Pilger und tritt in Kontakt mit ihnen. Daneben nimmt das eigene Unterwegssein von Station zu Station am sakralen Ganges die Form einer Pilgerreise (vgl. Gokhale 2011: 96) an.
Obwohl eine biografistische Interpretation grundsätzlich vermieden worden ist, kann hier angemerkt werden, dass sich die Affinität des Reisenden zur Figur des Pilgers bei Trojanow geradezu aufdrängt. Um den Spuren des britischen Offiziers und Orientalisten Sir Richard Francis Burtons nachzugehen, hat sich der Autor selbst auf einen dreimonatigen Fußmarsch durch Tansania gemacht und an dem Hadsch teilgenommen. Diese Unternehmungen stellten schließlich das Material für drei der bekanntesten Werke Trojanows: Zu den heiligen Quellen des Islams. Als Pilger nach Mekka und Medina (2004), Der Weltensammler (2006) und Nomade auf vier Kontinenten. Auf den Spuren von Sir Richard Francis Burton (2007). Das Faszinosum am pilgernden Reisen macht für Trojanow gerade die Begegnung mit Einheimischen (Trojanow 2009) aus, wodurch sich dieser Modus des Unterwegsseins zugleich zum Inbegriff eines offenen und interkulturellen Zugangs zum Anderen formiert. Damit kommt Trojanows Pilgerideal den originären Vorschlägen Sareikas sehr nahe. Wie jedoch gezeigt werden konnte, ist das Motivpotenzial so in An den inneren Ufern Indiens. Eine Reise entlang des Ganges nicht umgesetzt. Viel zu häufig säumen touristische Praktiken des Erzählers den Text, die das angedachte bedingungslose Einlassen auf das Andere immer wieder unterlaufen.
Anmerkungen
1 | Sareikas »Internationaler Kulturdialog – Visionen für das Jahr 2012: Ich habe einen Traum« wurde, eigenen Aussagen zufolge, auf Anregung des Kulturbüros Exile e.V. ausformuliert. Dabei sollte es vordergründig darum gehen, Ideen für neue Projekte zu entwickeln.
2 | Ausgehend von Polagscheggs Trennung zwischen dem auf Distanz basierenden Anderen und dem durch Distanz geschaffenen Fremden werden die beiden Konzepte im Folgenden strikt auseinandergehalten (vgl. Polagschegg 2005: 45).
3 | In der Tourismusforschung ist es gängige Praxis, die Einheimischen im Reisezielland als Bereiste zu bezeichnen.
4 | Kritik am Tourismus wurde zunächst in literarischen und journalistischen Werken geäußert. Dieser Antitourismus stellte schließlich die Ausgangsposition für eine sich entwickelnde wissenschaftliche Disziplin dar (vgl. Henning 1999: 18).
5 | Demzufolge hätte sich in chronologischer Entwicklung der Tourismus als am Vergnügen orientierte Reiseform vom vormaligen zweckmäßigen Reisen abgesetzt. Diese Annahme gilt jedoch als umstritten. Eine Fraktion von Forschern insistiert auf der parallelen Existenz beider Formen des Unterwegsseins (vgl. Karentzos 2010: 281).
6 | Hier und im Folgenden handelt es sich um eigene Übersetzungen.
7 | Der Tourismus bedingt als Projektionsfläche für die Sehnsüchte der Reisenden die kulturelle Differenz. Diese ist jedoch bestimmten Konditionen unterworfen: Nur, wenn sie vertraute und positive Formen annimmt, kann das vermeintliche Gelingen der Urlaubsreise gewährleistet werden (vgl. Weidemann 2010: 110). Touristen bewegen sich daher in einer von Urry als sogenannte touristische Blase (tourist bubble) beschriebenen »Sonderwelt«, die den Versuch darstellt, dem Touristen in der anderen, fremdkulturellen Umgebung eine vertraute zu gewährleisten. Zwar referiert Urry hier auf die weitgehende Abschirmung des Touristen von der Umgebung der Einheimischen im Gastland durch den Aufenthalt in Hotelanlagen, die Teilnahme an Gruppenführungen und die Immersion in anderweitige Pseudoereignisse in einer massentouristischen Situierung (vgl. Urry 1990: 7). Urry zufolge baut sich aber durch die kontinuierliche Zirkulation der durch touristische Sehweisen generierten Bilder über Werbung und Medien nach und nach ein »geschlossenes selbst-perpetuierendes System von Illusionen« (ebd.) auf. Dieses System kreiert beim Touristen antizipierbare Erwartungshaltungen und dient ihm als Grundlage für die Selektion und Evaluation potenzieller Besuchsorte (vgl. ebd.).
8 | Der Erzähler vermerkt hier: »Immer wieder kolportieren Reiseführer und -berichte den Mythos, der Tod sei in Varanasi allgegenwärtig« (Trojanow 2006: 123).
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