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Zeitschrift für interkulturelle Germanistik - 8. Jahrgang, 2017, Heft 2: GiG im Gespräch 2017 / 2

Zeitschrift für interkulturelle Germanistik - 8. Jahrgang, 2017, Heft 2

GiG im Gespräch 2017 / 2

GiG im Gespräch 2017 / 2

Gesine Lenore Schiewer

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

liebe Mitglieder der Gesellschaft für interkulturelle Germanistik,

sehr geehrte Leserinnen und Leser der Zeitschrift für interkulturelle Germanistik,

an einigen spätsommerlichen Tagen im August schreibe ich jetzt kurz vor der GiG-Jahrestagung 2017 in Flensburg diesen Beitrag für GiG im Gespräch. Allerdings liegt auch der Redaktionsschluss des aktuellen Hefts der ZiG 2017 / 2 vor der GiG-Tagung, die ja dieses Mal wegen des Semestertakts an der Universität Flensburg schon im September stattfindet, so dass ich meinen Tagungsbericht und die Informationen zu der GiG-Tagung 2018, die gemeinsam von den Kolleginnen und Kollegen in Togo und Benin veranstaltet und in Benin stattfinden wird, erst in der Frühjahrsausgabe der ZiG publizieren kann.

Diese Gelegenheit möchte ich nutzen, um in der vorliegenden GiG im Gespräch-Rubrik – in lockerem Anschluss an meine Skizze des neuen Forschungsschwerpunkts der GiG im Bereich der historischen Translationsforschung im letzten ZiG-Heft – einige Überlegungen zu einem Themenfeld vorzustellen, das wie schon die Translationswissenschaft im Rahmen der GiG bisher weniger Beachtung fand: die Interkulturelle Kommunikation. Natürlich sollen auch mögliche Korrespondenzen zur Interkulturellen Germanistik umrissen werden, auch wenn dies im Rahmen dieser Rubrik mit wenigen Seiten nur in allergröbsten Zügen möglich ist. Dabei geht es mir zugleich darum, eine Brücke zu schlagen zu dem Fokusthema »Theorie der Interkulturalität« der GiG-Tagung 2016 in Ústí nad Labem und Prag, das auch im thematischen Teil dieser ZiG-Ausgabe mit den schriftlichen Fassungen einiger Referate präsent ist.

Theoriebildungen der Interkulturellen Kommunikation und vor allem auch praktische Anwendungsbezüge wie entsprechende Trainings haben in den vergangenen Jahrzehnten große Aufmerksamkeit erhalten, was sich unter anderem darin abbildet, dass an verschiedenen Universitäten eigene Institute mit eigenständigen Studiengängen etabliert wurden, die je nachdem z.B. kulturwissenschaftlich oder wirtschaftswissenschaftlich akzentuiert sein können. Verbindungen mit den Fachrichtungen Deutsch als Fremdsprache und Deutsch als Zweitsprache sind dabei sehr wohl anzutreffen, während Bezüge etwa zur Angewandten Linguistik alles andere als die Regel sind, wie Helen Spencer-Oatey und Helga Kotthoff in der Einleitung zu dem von ihnen 2007 herausgegebenen Handbook of Intercultural Communication kritisch anmerken: »For example, many handbooks and manuals of intercultural communication training include no mention of applied linguistics research at all, even though there are many relevant insights for such training.« (Spencer-Oatey / Kotthoff 2007: 4). Gleichzeitig machen die beiden Herausgeberinnen in angemessener und ansprechender Ausgewogenheit deutlich, dass sie keineswegs der Ansicht sind, die Zuständigkeit könne allein bei der Angewandten Linguistik liegen. Vielmehr sind aus ihrer Sicht multidisziplinäre Zugänge erforderlich, um »real-life intercultural communication problems«(ebd.) zu untersuchen.

Nicht abgebildet wird im diesem Band unter den in Sektion I aufgezeigten »Multidisciplinary perspectives on intercultural communication« die Germanistik beziehungsweise die Interkulturelle Germanistik, was nicht wirklich überrascht, zumal wie eingangs erwähnt auch in der GiG dieser Themenkomplex bisher nicht breit repräsentiert ist.

Gleichwohl werden schon in der Einleitung der beiden Herausgeberinnen Ansatzpunkte genannt, die ohne weiteres zu den Fragestellungen auch der Interkulturellen Germanistik gehören und gerade im Zugriff der internationalen Germanistiken bestens bearbeitet werden können und von zentraler Bedeutung unter anderem für Bereiche der interkulturellen Bildung sind:

Many social issues remain largely covert within a society, because they are regarded as normal within that culture. These include, for example, the fact that women and foreigners in many fields less often advance to the centre of power, and that they rarely reach the executive suites anywhere. Admission is not explicitly denied to them; rather, they are impeded in access through a low evaluation of their habitus (Bourdieu 1984), to which speech behaviour belongs. In the evaluation of a communication-stylistic habitus, conflicts of historicity and interests come into play. Not all social institutions necessarily value equality of opportunity. Culture is a system of diversities and tensions, and includes differences of power, differences in access to legitimate means of expressing power, and struggles over these means. (Spencer-Oatey / Kotthoff 2007: 3; vgl. auch Halualai / Nakayama 2010: 1).

Hier genannte Aspekte wie a) die Ausgrenzung Fremder aufgrund ihres Sprachverhaltens und ihres allgemeinen Habitus, b) Interessen- und Konfliktlagen sowie c) der Zugang zu Macht und deren Sicherung sind gewiss Fragekomplexe der Interkulturalitätsforschung, die mit Ansätzen und methodischen Orientierungen germanistischer Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften bearbeitet werden können.

Wollte man den Bogen sogar noch etwas weiter spannen, dann ließe sich beispielsweise eine Thematik einbeziehen, die seit einigen Jahren verstärkt um die Begriffe ›Weltgesellschaft’, ›Weltgemeinschaft’, ›Weltbürgerschaft’ oder ›Global Citizenship’ kreist und z.B. 2005 im ersten Sonderheft überhaupt der Zeitschrift für Soziologie in einem breit angelegten Spektrum dargestellt wurde. Unter den jüngst erschienenen Publikationen zum Thema kann der von Roland Bernecker und Ronald Grätz herausgegebene Band Global Citizenship. Perspektiven einer Weltgemeinschaft genannt werden. Besonders explizit werden die Bezüge von Weltgesellschaft, -gemeinschaft oder -bürgerschaft einerseits – wobei die Plausibilität der jeweiligen Begriffswahl sowie Argumente dafür und dagegen an dieser Stelle gar nicht diskutiert werden sollen – und Kommunikation andererseits von Rudolf Stichweh eingebracht:

Wenn man das Konzept der Weltgesellschaft systematisch und nicht historisch einzuführen versucht, stößt man als erstes auf den Begriff der Kommunikation. […] Kommunikation kann auch über unbegrenzt große Distanzen erfolgen, sofern es ein geeignetes Medium der Verbreitung von Kommunikationen gibt, und sie kann Prozessoren aufeinander beziehen, die Tausende von Jahren voneinander trennen, wenn beispielsweise ein Leser einen Text studiert, der vor langer Zeit geschrieben worden ist. In dieser Überbrückung räumlicher und zeitlicher Distanzen durch Kommunikation zeigt sich bereits die Eignung von Kommunikation für die Eröffnung globaler Zusammenhänge. (Stichweh 2009: 11f.)

Auch hier liegt auf der Hand, dass es zahlreiche Anknüpfungspunkte für die Interkulturelle Germanistik geben kann, um sich der Thematik zu nähern, angefangen selbstverständlich schon bei dem bereits im 18. Jahrhundert bei Christoph Martin Wieland anzutreffenden Begriff der ›Weltliteratur’.

Wie eingangs erwähnt, könnte es lohnend sein, vielleicht zunächst im kleineren thematischen Rahmen abzuklopfen, wie die Forschung an den Schnittstellen von Interkultureller Germanistik und Interkultureller Kommunikation insgesamt intensiviert werden kann. Es würde mich sehr freuen, mit Ihnen darüber ins Gespräch zu kommen.

Zum Schluss verbleibe ich wieder mit allen guten Wünschen für Sie.

Sehr herzlich grüßt Sie

Ihre

Gesine Lenore Schiewer

Literatur

Bernecker, Roland / Grätz, Ronald (Hg.; 2017): Global Citizenship. Perspektiven einer Weltgemeinschaft. Göttingen.

Halualani, Rona Tamiko / Nakayama, Thomas K. (2010): Critical Intercultural Communication Studies. At a Crossroad. In: The Handbook of Critical Intercultural Communication. Hg. v. Thomas K. Nakayama u. Rona Tamiko Halualani. Malden, S. 1-16.

Heintz, Bettina / Münch, Richard / Tyrell, Hartmann (Hg.; 2005): Weltgesellschaft. Theoretische Zugänge und empirische Problemlagen. Sonderheft der Zeitschrift für Soziologie. Stuttgart.

Spencer-Oatey, Helen / Kotthoff, Helga (Hg.; 2007): Handbook of Intercultural Communication. Berlin / New York.

Stichweh, Rudolf (2009): Das Konzept der Weltgesellschaft. Genese und Strukturbildung eines globalen Gesellschaftssystems. Workingpaper des Soziologischen Seminars 01 / 09. Soziologisches Seminar der Universität Luzern.

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