Kooperation und Wettbewerb – ein Widerspruch?

Verständigung und Übersetzung im Blickfeld ökonomischer Emotionsforschung

Gesine Lenore Schiewer

Die Auseinandersetzung mit Fragen der interkulturellen Kommunikation hat sich in Theorie und Praxis in den letzten Jahrzehnten beständig intensiviert und wird von wissenschaftlicher ebenso wie außen- und kulturpolitischer sowie wirtschaftlicher Seite getragen. Eigene Studiengänge wurden geschaffen, das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland ist involviert und es entstehen kontinuierlich neue Trainingsprogramme unterschiedlicher Orientierung und gewiss auch unterschiedlichen qualitativen Niveaus. Dass dabei die zentralen Begriffe der ›Kommunikation‹ und ›Verständigung‹ einschließlich der entsprechenden Theoriebildung stetig und möglichst breit zu diskutieren sind, steht außer Frage – die vorliegenden Überlegungen sollen hierzu einen Beitrag leisten.1

Ausgegangen wird mit Jürgen Habermas’ Begriff der ›Übersetzung‹ von einer spezifischen kommunikationstheoretischen Fassette, die auf die Frage nach der Einheitlichkeit von Wissensverteilungen und Semantiken innerhalb einer Gemeinschaft ebenso wie auf die Frage nach den Möglichkeiten der Herstellung übereinstimmenden Hintergrundwissens im kulturellen und interkulturellen Austausch verweist. Die bei Habermas aufgrund des von ihm herangezogenen besonderen Übersetzungsbegriffs vorherrschende Entproblematisierung semantischer Differenzen wird in diesem Beitrag ebenso kritisch reflektiert wie die einseitige Akzentuierung kooperativer Diskursrationalität. Ergänzt wird diese problemorientierte Perspektive daher um den Blick auf die Zweigleisigkeit mannigfacher Kommunikationssituationen, die sich nicht nur durch Kooperation, sondern auch durch Wettbewerb auszeichnen.

Es liegt daher nahe, in einem nächsten Schritt Ansätze aus dem Bereich der Unternehmenskommunikation unter diesem Aspekt zu beleuchten. Denn vor dem Hintergrund der in diesem Beitrag vertretenen Auffassung von Übersetzung als komplexer wissensbasierter Tätigkeit zeigt sich hier, dass voreilige Identifikationen von Wettbewerb, egoistischem Interesse und aggressiver Durchsetzung – von Kooperation und rationaler Argumentation – von Emotion, Empathie und Einverständnis ebenso wie von Ökonomie und Rationalität zu vermeiden sind. Es ergibt sich damit das Erfordernis einer fundierten Reflexion des Komplexes von Kommunikationstheorie und -praxis, Übersetzung, Aushandlung, Verhandlung, Kooperation und nicht zuletzt Konflikt.

1. Jürgen Habermas: »Alle Interpretationen sind Übersetzungen in nuce.«

»Nach dem 11. September bin ich oft gefragt worden, ob sich nicht angesichts solcher Gewaltphänomene die ganze Konzeption des verständigungsorientierten Handelns, wie ich sie in der Theorie des kommunikativen Handelns entwickelt habe, blamiere«, sagt Jürgen Habermas in einem Gespräch mit Giovanna Borradori. Er problematisiert auf diese Weise sein eigenes Konzept, um es dann doch – nicht überraschend – zu verteidigen (Habermas/Derrida 2004, 60).

Und zwar ruht seiner Ansicht nach die Praxis des täglichen Zusammenlebens – und, so wäre im Sinn von Habermas zu ergänzen, die Praxis reibungsloser, einvernehmlicher Kommunikation – auf einem Sockel gemeinsamer Hintergrundannahmen, kultureller Selbstverständlichkeiten und reziproker Erwartungen. Im Fall der interkulturellen Kommunikation bestehe aber prinzipiell ein Problem in der Fremdheit und Distanz der verschiedenen Nationen, Lebensformen und Kulturen, so dass ein Vertrauenskapital erst gebildet werden müsse, das Habermas zufolge ja Voraussetzung gelingender Kommunikation ist. Dabei soll es sich im Vergleich mit intrakulturellen Kommunikationsprozessen aber nur um eine graduelle Verschärfung handeln, denn:

Eine Interpretation muss in jedem Fall den Abstand zwischen dem hermeneutischen Vorverständnis der einen wie der anderen Seite überbrücken – ob nun die kulturellen und raumzeitlichen Distanzen kürzer oder länger, die semantischen Differenzen kleiner oder größer sind. Alle Interpretationen sind Übersetzungen in nuce. (Ebd., 62)

Habermas zeigt sich jedoch davon überzeugt, dass Gesprächsteilnehmer ihre Perspektiven zur Deckung bringen können. Schließlich hätten sie sich mit dem Gespräch »auf eine grundlegende Symmetrie eingelassen haben, die im Grunde alle Sprechsituationen fordern«. Denn in der Dynamik der gegenseitigen Perspektivübernahme, die jeder kompetente Sprecher bereits mit den Personalpronomina der ersten und zweiten Person erworben habe, gründet Habermas zufolge die kooperative Erzeugung eines gemeinsamen Deutungshorizontes, in dem beide Seiten – so Habermas’ optimistische Sicht – zu intersubjektiv geteilten Interpretationen gelangen könnten (vgl. Habermas/Derrida 2004, 63, und die kritische Diskussion in: Schiewer 2005a).

Habermas geht also davon aus, dass auf der Grundlage der rein grammatischen Unterscheidung von ›Ich‹ und ›Du‹ die Überwindung semantischer Divergenzen möglich sei – eine Annahme, die allerdings aus linguistischer Sicht gewiss nicht überzeugen kann, da in ihr die Felder der Grammatik als einer Strukturbeschreibung der Sprache und der Semantik mit den interaktiven Prozessen der Verständigung in übermäßig verkürzter Form miteinander verschränkt werden. Als eine Übersetzung versteht Habermas weiterhin auch die Aneignung religiöser Gehalte durch die Philosophie:

Diese Aneignungsarbeit hat sich in schwer beladenen normativen Begriffsnetzen wie Verantwortung, Autonomie und Rechtfertigung, wie Geschichte und Erinnerung, Neubeginn, Innovation und Wiederkehr, wie Emanzipation und Erfüllung, wie Entäußerung, Verinnerlichung und Verkörperung, Individualität und Gemeinschaft niedergeschlagen. Sie hat den ursprünglich religiösen Sinn zwar transformiert, aber nicht auf eine entleerende Weise deflationiert und aufgezehrt. Die Übersetzung der Gottesebenbildlichkeit des Menschen in die gleich und unbedingt zu achtende Würde aller Menschen ist eine solche rettende Übersetzung. (Habermas/Ratzinger 2005, 32)

Mit der Übersetzung originär religiöser Werte und Begriffe soll eine entscheidende Vermittlungsleistung einhergehen, die darin besteht, dass der Gehalt dieser Begriffe über die Grenzen einer Religionsgemeinschaft hinweg einem allgemeinen Publikum von »Andersgläubigen und Ungläubigen« erschlossen werde. Es seien daher Anstrengungen zu unternehmen, »relevante Beiträge aus der religiösen in eine öffentlich zugängliche Sprache zu übersetzen« (vgl. Habermas/Ratzinger 2005, 32 u. 36).

Habermas zufolge können also auf dem Weg der Übersetzung auch die zunächst nur einer Glaubensgemeinschaft zugänglichen Semantiken in intersubjektiv geteilte Interpretationen überführt werden und somit Gegenstand verständigungs- und konsensorientierter Kommunikations- und Diskursprozesse werden.2 Das »bessere Argument« soll es dann ermöglichen, zu überzeugen, zur einvernehmlichen Verständigung und im besten Fall zum gemeinsam getragenen Konsens zu gelangen: »Kommunikative Vernunft bringt sich in der Bindungskraft intersubjektiver Verständigung und reziproker Anerkennung zur Geltung; sie umschreibt zugleich das Universum einer gemeinsamen Lebensform.« (Habermas 1988, 377)3

Allerdings sah sich Habermas in seiner oben erwähnten Verteidigung der Eignung seines Dialogmodells für den interkulturellen Austausch nach den Attentaten vom 11. September 2001 zu einer Äußerung veranlasst, die durchaus als Zurücknahme des mit der Übersetzung verbundenen Anspruchs auf intersubjektiv geteilte Interpretationen zu werten ist:

In der Selektivität, der Erweiterungsfähigkeit und Korrekturbedürftigkeit der erzielten Deutungen äußert sich natürlich meistens nur die unvermeidliche Fallibilität des endlichen Geistes; aber oft sind sie ununterscheidbar von jenem Moment Blindheit, das Interpretationen den ungetilgten Spuren einer gewaltsamen Assimilation an den Stärkeren verdanken. Insofern ist Kommunikation immer zweideutig, eben auch ein Ausdruck latenter Gewalt. (Habermas/Derrida 2004, 63)

In dieser einigermaßen verklausulierten Passage wird erstens neben der universalen Rationalitätsannahme nun die Fehlbarkeit der Vernunft in Anschlag gebracht. Zudem wird hier zweitens die Voraussetzung der unter den symmetrischen Bedingungen der gegenseitigen Perspektivübernahme stattfindenden idealen Kommunikation relativiert durch die Anpassung des schwächeren an den stärkeren, überlegenen, mächtigeren Dialogpartner. Außerdem wird drittens mit der Korrekturbedürftigkeit der erzielten Deutungen die Überführung in intersubjektiv geteilte Interpretationen in Frage gestellt.

So gesehen, werden hier tatsächlich weit reichende Zugeständnisse gemacht, die die Eignung des Habermas-Modells für den interkulturellen Dialog wesentlich problematischer erscheinen lassen, als es von Habermas dargestellt wird.4

Es zeichnet sich ein erhebliches kommunikationstheoretisches Defizit ab, das wesentlich auf den problematischen und nicht ausreichend explizierten Übersetzungsbegriff Habermas’ zurückzuführen ist. Die Auseinandersetzung mit Kommunikationsformen, die es ermöglichen können, divergierenden Semantiken, die für jede entwickelte Gesellschaft konstitutiv sind, Rechnung zu tragen, bleibt hier Desiderat. Damit werden alle Formen der Konfliktkommunikation ausgeblendet, so dass gerade die oft explosiven und kommunikativ gefährdeten Aushandlungsprozesse sich selbst respektive dem Spiel von Durchsetzungskraft, Macht und Dominanz überlassen bleiben.

Dass die Herstellung von ›Einheitssemantiken‹ bei genauer Betrachtung nicht einmal als Desiderat zu betrachten ist, kann an dieser Stelle nur erwähnt werden. Zu verweisen ist jedoch auf die religionssoziologischen Ausführungen des in der Linguistik erhebliche Beachtung findenden Wissenssoziologen und Alfred-Schütz-Schülers Thomas Luckmann. In einem gemeinsam mit der Linguistin Susanne Günthner publizierten Beitrag erläutert Luckmann den Begriff der ›Wissensasymmetrie‹:

Definitionsgemäß dürften in einer geschlossenen Gesellschaft mit vollkommen gleicher Wissensverteilung keine Interaktionsprobleme, die auf unterschiedliches Wissen ihrer Mitglieder zurückzuführen sind, auftreten. Ferner dürften in einer solchen Gesellschaft auch keine spezifisch kommunikativen Probleme auftauchen, da alle Mitglieder selbstverständlich auch alles kommunikationsbezogene Wissen im gleichen Maße besäßen.

Freilich hat es eine solche Gesellschaft niemals gegeben, noch könnte es sie soziologisch gesehen jemals geben. Aber da wir schon beim »Als-Ob« sind, könnten wir uns neben einer solchen geschlossenen Gesellschaft auch noch eine umfassende Weltgesellschaft vorstellen, in der alles Wissen gerecht und gleich verteilt wäre. Am Ende dieses Regenbogens gäbe es dann weder Probleme der »intrakulturellen« noch der »interkulturellen« Kommunikation. (Günthner/Luckmann 2002, 215)

Dieses Bild einer welteinheitlichen Kommunikationsgemeinschaft konterkarieren Luckmann und Günthner umgehend:

Aber entgegen gewissen Globalisierungstendenzen auf bestimmten Ebenen und Gebieten sozio-ökonomischer Organisation gab, gibt und wird es auch in Zukunft zahlreiche eigenständige Gesellschaften geben. Und ein Merkmal dieser Gesellschaften ist und wird eine relativ hohe Ungleichheit der Verteilung des sozialen Grundwissens sein. (Günthner/Luckmann 2002, 216)

Es steht damit außer Frage, dass jede Übersetzung – sei es im Sinn eines weiten Übersetzungsbegriffs des innersprachlichen Abgleichs von Bedeutungen oder im Sinn eines engen Verständnisses der Übertragung und Vermittlung verschiedener Sprachen – eine komplexe wissensbasierte Tätigkeit darstellt, so dass die Suche nach neuen Wegen insbesondere in der interkulturellen Kommunikation erforderlich ist.

2. Kooperation und Wettbewerb in der Unternehmenskommunikation

Dabei gilt es, vor allem den Aspekt nicht geteilter Orientierungsrahmen, der Wissensasymmetrien oder divergierenden Semantiken, der sich im bisherigen Ansatz als äußerst voraussetzungsreich gezeigt hat, in verstärktem Maß zu berücksichtigen.

Da mit dem Übersetzungsbegriff Habermas’ auch die Grundlagen seines konsensorientierten Verständigungskonzeptes problematisch werden, sollte neben dem Streben nach Kooperation – das ohne jeden Zweifel als eine Conditio humana zu betrachten ist – auch die zweite menschliche Grundgegebenheit berücksichtigt werden: das Verfolgen eigener und egoistischer Interessen respektive die wettbewerbsorientierte Konkurrenzsituation. Dies ist eine Situation, die gewiss für alle Arten von politisch-gesellschaftlicher und organisationsgebundener Kommunikation gilt; ja, womöglich letztlich für nahezu jede Kommunikationssituation.

Es stellt sich die Frage, ob dabei von der Unternehmenskommunikation zu lernen ist, in der ja in jedem Fall das Verfolgen eigener Interessen mit dem Streben nach Kooperation vereinbart werden muss und soll.5 Denn hier wird explizit oder implizit nicht einseitig vom kooperationsbereiten Menschen respektive der kooperierenden Organisation ausgegangen, sondern auch egoistischen respektive wettbewerbsorientierten Motiven Rechnung getragen.6 Insbesondere können in der Verfolgung beider Ziele – d.h. erstens der Kooperation mit Geschäftspartnern, Zulieferern, Behörden etc. und der Förderung des Ansehens bei relevanten gesellschaftlichen und politischen Institutionen sowie zweitens der erfolgreichen Durchsetzung unter Konkurrenzbedingungen – divergierende Orientierungsrahmen und kulturelle Unterschiede nicht dauerhaft klein geredet werden, denn das wäre so etwas wie unternehmerischer Suizid (Zerfaß 2006, 16).

So wird konkret in Public-Relations-Aktivitäten aller Art natürlich geprüft, ob die Zielgruppe positiv, negativ oder überhaupt auf bestimmte Reize reagiert. Und in der Vorbereitung von Verhandlungen mit Geschäftspartnern wird kulturellen Besonderheiten – wenn man sie denn kennt – möglichst Rechnung getragen, um zum Erfolg zu kommen. Differierende Perspektiven und Semantiken werden daher beobachtet, um sie sowohl in den eigenen Bemühungen um Kooperation als auch in der erfolgreichen Durchsetzung im Wettbewerb angemessen berücksichtigen zu können. Denn selbstverständlich wird hier insbesondere in internationalen und interkulturellen Umfeldern nicht von dem vorgängigen Gegebensein übereinstimmender Deutungen, Perspektiven, Grundannahmen etc. ausgegangen. Vielmehr wird »die Abstimmung von Zweck- und Mittelwahlen und die Erarbeitung gemeinsamer Deutungsrahmen als jenes Ziel ausgezeichnet […], dem die soziale Einflussnahme qua Kommunikation in letzter Konsequenz verpflichtet bleiben muß.« (Ebd. 2006, 232f.)7

Ansätze zur Abklärung von Eigen- und Fremdbildern von Personen, Organisationen und sozialen Institutionen sowie von Einstellungen zu bestimmten Sachverhalten werden beispielsweise in der Image- und Meinungsforschung angewendet. Sie fragt mit anderen Worten nach den dominanten oder von wichtigen Akteuren vertretenen Vorstellungen und Einstellungen im gesellschaftspolitischen Umfeld (ebd., 337ff.). Zum Einsatz kommen dabei vielfältige Vorgehensweisen wie etwa Befragungen auf der Basis des ursprünglich für die Beschreibung von Wortbedeutungen entwickelten semantischen Differentials. Immer wird davon ausgegangen, dass gerade in ausdifferenzierten Gesellschaften unter Umständen die Kommunikationspartner »in verschiedenen Welten leben« und es so zu Missverständnissen kommen kann.8 Erst auf dieser Basis werden dann Strategien für kooperations- und wettbewerbsorientierte Public-Relations-Programme entwickelt.

Es ist zu betonen, dass an dieser Stelle weder Nutzen noch Legitimität der angewendeten Verfahren sowie der betreffenden Ziele solcher Erhebungen Gegenstand des Interesses sein kann. Es soll zunächst ausschließlich der Blick darauf gelenkt werden, dass überhaupt erprobte Ansätze existieren, die in Wettbewerb und unternehmerischer Kooperation auf die Offenlegung von divergierenden Semantiken, Selbst- und Fremdbildern abzielen. Inwieweit diese oder auch anderen Konzepte auch für die Erhellung von Wissensasymmetrien und divergierenden Semantiken in interkulturellen Austausch- und Kommunikationsprozessen aller Art geeignet sein können, wird im Einzelfall zu überprüfen sein.

Deutlich wurde damit bisher, dass einerseits Kooperation ebenso wenig mit Einheitssemantiken zu identifizieren ist, wie andererseits Wettbewerb mit der einseitig-persuasiven oder gar gewaltsamen Durchsetzung von Kommunikationszielen. Ausschlussreich ist die Berücksichtigung der Unternehmenskommunikation auch insofern, als hier unmittelbar einsichtig wird, dass sowohl Kooperationsbereitschaft als auch Konkurrenz und Wettbewerb gleichermaßen von Interessen geprägt sind.9

Die zweite geläufige Identifikation von kooperationsbereitem Konsens mit dem rationalen Argument in Habermas’ Modell – in strikter Abgrenzung von der strategisch-persuasiven und damit nicht rational kontrollierten Kommunikation – wird hier ebenfalls brüchig. Schließlich wird in dieser Identifikation davon ausgegangen, dass Interessen zugunsten des »besseren Arguments« zurückzustellen sind. Hier wird universelle Rationalität mit Kooperation identifiziert und mehr oder weniger explizit gegen die unkontrolliert-emotionale strategische Durchsetzung egoistischer Ziele ausgespielt. Dass hier zu kurz geschlossen wird, wird in jüngster Zeit ebenfalls im ökonomischen Kontext offen gelegt; die Dimension der Emotion findet dabei zunehmend Eingang in die entsprechende Theoriebildung.

3. Zur Berücksichtigung von Emotionen in der Volkswirtschaftslehre und Ökonomie: Das Beispiel der Empathie

Uwe Mummert und Friedrich L. Sell haben in dem 2005 herausgegebenen Band Emotionen, Markt und Moral aus volkswirtschaftlicher Perspektive akzentuiert, dass das gesamte wirtschaftliche Verhalten von Emotionen mitgeprägt ist. Dies beziehen sie ebenso auf die Wettbewerbstüchtigkeit wie die Kooperationsfähigkeit, d.h. mit anderen Worten sowohl auf die oben angesprochene Aggressivität in der Erzielung unternehmerischen Profits als auch auf die auch strategisch notwendige und auf gegenseitigen Mehrwert hin orientierte Kooperationshaltung von wirtschaftlich Handelnden. Marktprozesse, so betonen Mummert und Sell, sind durch Austausch und Wettbewerb gekennzeichnet, wobei der Wettbewerb ebenso wie Koordinations- und Kooperationsprozesse zu den betreffenden Marktergebnissen beitragen.

Schon die Intensität, mit der sich die wirtschaftlichen Akteure kooperierend ebenso wie wettbewerblich engagieren, wird unter anderem von Emotionen bestimmt. Dabei werden solche Emotionen, die wie zum Beispiel Hass, Egoismus, Machttrieb und Gier den Wettbewerb eher begünstigen, von anderen unterschieden, die wie Altruismus, Unterwerfung, Bescheidenheit, Mitleid respektive Empathie und Zuneigung umgekehrt eher gegenteilige Wirkungen auf den Wettbewerb haben und statt dessen die Kooperation begünstigen.

Auch auf das Zustandekommen von kooperativen oder eben nichtkooperativen Lösungen und Verhandlungsergebnissen haben Emotionen Einfluss. Hier ist es so, dass Emotionen wie Altruismus, Bescheidenheit, Mitleid beziehungsweise Empathie und Zuneigung eher das Zustandekommen optimaler Ergebnisse begünstigen, indem sie zu entgegenkommender Verhandlungsbereitschaft und Vertrauen beitragen, während Hass etc. ungünstig wirken.10

Die Empathie, der oftmals erhebliche Bedeutung für gelingende Kommunikation zugesprochen wird, soll hier genauer betrachtet werden. Grundsätzlich mag dabei zutreffen, dass Empathie einen günstigen Einfluss auf die Bereitschaft zur Kooperation hat – vorausgesetzt natürlich, dass sich die empathischen Gefühle auf den entsprechenden Interaktions- und Kooperationspartner richten und nicht womöglich auf einen Dritten, der mit dem Interaktionspartner einen bestehenden Konflikt ausagiert.

Nun handelt es aber bei ›Empathie‹ nicht nur um einen Begriff mit einer erstaunlichen Übersetzungsgeschichte von der seit dem 18. Jahrhundert unter anderem durch Herder eingeführten ›Einfühlung‹ zur ›empathy‹ im 20. Jahrhundert im englischsprachigen Raum und zurück zur heute im Deutschen geläufigen ›Empathie‹, sondern es geht zugleich um einen Begriff mit komplexen sowohl historischen als auch aktuellen Definitionen, Verwendungsweisen und Grundlagen in der Theoriebildung.

Eine sorgfältige Auffächerung unterschiedlichster Bedeutungsdimensionen insbesondere deutschsprachiger Traditionen hat Fritz Hermanns jüngst in dem von ihm und Werner Holly herausgegebenen Band Linguistische Hermeneutik. Theorie und Praxis des Verstehens und Interpretierens vorgelegt; sie kann hier natürlich nicht im Einzelnen nachgezeichnet werden. Vielmehr ist zunächst eine spezifische der zahlreichen Bedeutungsangaben und Wortverwendungen aufzugreifen, bei der es sich um den Begriff der ›kollektiven Empathie‹ handelt (vgl. Hermanns 2007, 138):

Massenerlebnisse etwa bei Kundgebungen, Demonstrationen, Sportveranstaltungen und Konzerten, wo sich Menschen kollektiv empören oder kollektiv begeistern, sich kollektiv freuen (Jubel) oder kollektiv enttäuscht sind (so, wenn ein ganzen Stadion aufstöhnt). […] Deshalb sind z.B. ›mitreißende‹ Reden sehr wahrscheinlich nur deshalb mitreißend, weil man sie nicht einsam erlebt, sondern kollektiv, d.h. in einem Kollektiverlebnis, für das sie zwar die Auslöser sind, das aber ohne das empathische Mitgehen der ZuhörerInnen nicht nur mit der Rede, sondern auch den Emotionen aller anderen ZuhörerInnen nicht zustande kommen würde.

Fritz Hermanns Erläuterung der ›kollektiven Empathie‹ kann um ein zweites Zitat ergänzt werden. Es handelt sich um eine Darstellung des Wissenssoziologen Karl Mannheim aus dem Jahr 1924/25, die in der Sache verblüffende Korrespondenzen aufweist:

Es ist bekannt, daß insbesondere bedeutende Revolutionsreden, wenn sie nur gedruckt gelesen werden, oft als nichtssagend und unbedeutend erscheinen, während sie in der Versammlung, wo der konjunktive Erfahrungsraum noch vorhanden war und die Rede sozusagen nur die hinweisende Funktion auf gemeinsam Erlebtes hatte, als ein adäquater Ausdruck erlebt wurden. Die Rede wird in solchen Fällen bei der Lektüre nicht mehr wirklich verstanden, weil wir nachträglich kaum mehr restlos in die konjunktive Verfahrungsgemeinschaft einzudringen imstande sind und den spezifischen Funktionalitätsbezug der Wortzusammenhänge nicht mehr adäquat zu erfassen vermögen. Wir erfassen die Worte mehr oder minder nur von ihren uns allein zugänglichen Allgemeinbedeutungen her und nicht aus ihrer einmaligen Bezogenheit auf den zusammen erlebten Erfahrungszusammenhang, der in allen Zuhörern zur Zeit der lebendigen Auseinandersetzung noch vibrierte. (Mannheim 1980, 219)

Mannheim akzentuiert hier eine Besonderheit dessen, was er ›konjunktives Denken‹ nennt und das er dem nicht konjunktiven oder rationalen Denken an die Seite stellt: Das konjunktive Denken ist nämlich gerade nicht universell orientiert, sondern von der spezifischen Situation und den jeweils Beteiligten abhängig. Und dies trifft natürlich auch auf die von Hermanns skizzierte ›kollektive Empathie‹ zu.11 Empathie ist somit zumindest in spezifischen Auffassungen und Erscheinungsformen in hohem Maß auf die vorgegebene vermittelnde Situation angewiesen, so dass sie nicht willkürlich aktiviert und gesteuert werden kann.

Damit ist nun jedoch davon auszugehen, dass weder das Feld des forciert Rationalen noch das des Empathischen per se universelle Verständigung zu garantieren vermag. Es kommt ferner hinzu, dass eine der zentralen Diskussionen des Begriffs der ›Empathie‹, die im Zuge seiner vielfältigen Differenzierungen stattfinden, um die Frage kreist, ob es sich hier überhaupt um primär affektive beziehungsweise primär kognitive Aspekte handelt oder vielmehr um eine Integration beider Fassetten – die Apostrophierung der Empathie als Emotion muss nämlich keineswegs ausschließen, dass kognitive Aspekte dabei eine Rolle spielen können. Vielmehr gehört die theoretische Orientierung der ›kognitiven Emotionstheorien‹, d.h. von Emotionstheorien, die ganz allgemein Emotionen als Folge kognitiver Bewertungen konzipieren, gegenwärtig zu der prominentesten Richtung der Emotionsforschung; hier wird auch die Empathie berücksichtigt.12

Wenn nun eingangs auf Habermas’ Kommunikationstheorie unter Akzentuierung ihrer rationalen Fundierung und des entproblematisierenden, auf Einheitssemantiken abzielenden Übersetzungsbegriffs rekurriert wurde, dann fügen sich auch die knappen Hinweise in Habermas’ Werk auf den ›Empathie‹-Begriff in die entsprechende Logik ein. Er spricht zwar von einer »Integration von Erkenntnisleistungen und Gefühlseinstellungen bei der Begründung und der Anwendung von Normen«, bezieht dies jedoch auf die »ideale [!] Rollenübernahme« in der für seinen Ansatz zentralen Annahme der idealen Kommunikationssituation. Das Empathische berücksichtigt Habermas dabei als eine Bedingung des Kognitiven:

Sie [die ideale Rollenübernahme] verlangt anspruchsvolle kognitive Operationen. Diese stehen wiederum in internen Beziehungen zu Motiven und Gefühlseinstellungen wie z.B. der Empathie. Anteilnahme am Schicksal des »Nächsten«, der oft der Fernste ist, ist in Fällen soziokultureller Distanz eine notwendige emotionale Bedingung für die vom Diskursteilnehmer erwarteten kognitiven Leistungen.

Der Theologe Hanspeter Schmitt hat einer umfangreichen Monografie zum Komplex von Empathie und Wertkommunikation vermutlich zu Recht betont, dass ein abschließendes Urteil darüber, wie Habermas die Funktion der Empathie sehe, nur schwer zu fällen sei. Schmitts Lesart zielt aber mit guten Argumenten darauf ab, dass Habermas zufolge die Empathie auf der Ebene von Motiven und Gefühlseinstellungen im Sinne einer vorgängigen emotionalen Bereitschaft anzusiedeln sei, welche unabhängig von der eigentlich kognitiven Leistung des kommunikativen Handelns ablaufe. Schmitt folgert, dass hier letztlich ein Gegensatz von Empathie und Kognition aufgebaut werde (Schmitt 2003, 253f.).

Schmitt geht in seiner kritischen Auseinandersetzung mit Habermas’ Konzept zunächst davon aus, dass es durchaus entscheidende Aspekte alltäglich stattfindender Kommunikationsprozesse theoretisch integrieren könne. Denn es gehe Habermas ja darum, die inneren hermeneutischen Prozeduren und Bedingungen der Verständigung unter Menschen, wie sie im Vollzug der Alltagskommunikation eo ipso stattfinden, herauszuarbeiten (ebd., 61). Dabei verkürze er aber, so die Kritik Schmitts, den Begriff der Kommunikation insgesamt auf das rationale Verständigungshandeln und setze das »evaluative Verstehen« selbst einfach voraus (ebd., 69). Schmitt geht es demgegenüber um die Frage, wie aus der Erlebensperspektive kommunikativ handelnder Subjekte heraus von ihnen der Stellenwert sozialer Phänomene und Ereignisse eingeschätzt und erörtert werde (ebd., 20). Schmitt zielt mit anderen Worten auf die Frage ab, wie das – und im Anschluss an die Erläuterungen zur Religionssoziologie oben ist hier zu ergänzen: heterogene – Bedeutungswissen einer Gesellschaft aufgebaut und verhandelt wird. Schmitt zufolge ist in diesem Zusammenhang eine intensive Berücksichtigung des Empathie-Begriff unerlässlich und zwar in einer Konzeption, welche die möglichen Verschränkungen von Kognition und Emotion in der sozialen Verstehensleistung selbst integriert (ebd., 252f.). Unabhängig davon, ob man sich Schmitt in seinen grundsätzlichen Annahmen und seinen Argumentationsschritten im Detail anschließen will, ist Empathie – und hierin ist ihm zu folgen – gewiss weder zu verwechseln mit der Bereitschaft zu universellem Verstehen als Garant gelingender Verständigung noch mit einer der eigentlichen rational gesteuerten Kommunikation vorgängig ablaufender Emotionalität oder Intuition; dies zeigt sich auch anhand der oben erwähnten Form der »kollektiven Empathie«, die wie gezeigt vielmehr die gemeinsam erlebte Situation voraussetzt.

Was bedeutet dies nun für die Fragen nach Rationalität und Emotion in Kooperation und Wettbewerb? Es zeigt sich, dass weder der »rationale Diskurs«, der das »bessere Argument« verabsolutiert, noch die Empathie als solche eine mühe- und reibungslose Überwindung von divergierenden Semantiken und Orientierungsrahmen ermöglichen. Weder Ratio noch Emotionen beziehungsweise Empathie erlauben mit anderen Worten die Herstellung universeller Verständigung und sind insofern weder gegeneinander auszuspielen noch als schlichtweg komplementär zu betrachten.

Es zeichnet sich damit ab, dass sich gezielte vergleichende semantische Analysen unter Rückgriff etwa auf die Methoden des Konzepts der kontrastiven und historischen Semantik als unverzichtbare Basis gelingender Verständigung in Kooperation und Wettbewerb erweisen. Denn sie stellen eine wichtige Fassette aller Übersetzungskonzepte und -tätigkeiten dar, die – anders als Habermas – Übersetzen als eine wissensbasierte Aufgabe begreifen, in der kulturspezifische Aspekte sorgsam zu erforschen und zu berücksichtigen sind.

Dem Übersetzungsbegriff kommt damit eine zentrale Rolle für die Offenlegung divergierender Semantiken in der innersprachlichen ebenso wie der zwischensprachlichen Verständigung zu, die weder durch universelle Rationalität noch durch als rein emotional aufgefasste Empathie ausgefüllt werden kann. Damit stellt er eine entscheidende Fassette tragfähiger interkultureller Kommunikationskonzepte dar, die in jedem Fall größte Aufmerksamkeit verlangt und als konstitutiver Aspekt aller Dialog-, Verhandlungs-, diplomatischen Austausch- und Konfliktprozesse sowohl in Theorie als auch Praxis verstärkt zu berücksichtigen ist. Denn mit der Konzentration auf eine Abklärung von Wissens- und Bedeutungsasymmetrien kann das erforderliche Problembewusstsein für angemessene Vermittlungs- und Übersetzungsprozeduren sowohl innerhalb als auch zwischen Gesellschaften an der entscheidenden Basis der Verständigungsbemühungen geschaffen werden. Die interaktive Aushandlung von Semantiken mit den betreffenden Verständigungs- und Fragestrategien rückt so in das Zentrum der Auseinandersetzung mit dynamischen Kommunikationsformen, die im gegenseitigen Austausch den Zuwachs an Kenntnissen, Lernen und interaktiven Gewinn im Sinn einer wohlverstandenen distributed cognition für alle Beteiligten ermöglichen.

Anmerkungen

1 Vgl. für einen knappen, gut fundierten Überblick: Nothdurft 2007.

2 Ganz ähnlich äußert sich der Historiker und Theologe Rudolf von Thadden: »Wenn schließlich stabile demokratische Grundlagen für ein Zusammenleben von Menschen verschiedener Religionen und Kulturen geschaffen werden sollen, dann müssen verstärkte Anstrengungen zur Übersetzung von Glaubensinhalten und Moralvorstellungen in eine der heutigen Zeit angemessene Sprache unternommen werden. Es muss deutlich gemacht werden, dass es in der modernen Welt – im Unterschied zum Mittelalter – weniger um Konflikte von Glauben und Unglauben als um Spannungen von Glauben und Wissen geht und dass alle Wahrheitserkenntnis unter Argumentationszwang steht.« (Von Thadden 2003, 83)

3 Ohne Frage sind dies weit reichende Annahmen, die nichts weniger als die Auffassung implizieren, dass es einen universalen philosophischen Diskurs unter den Angehörigen der verschiedenen Kulturen und Religionen geben kann.

4 Dass Habermas zudem seine gesamte Theorie des kommunikativen Handelns und seine Konsenstheorie der Wahrheit unmittelbar mit dem explizit als religiös aufgefassten Motiv der Bundesgenossenschaft in Verbindung gebracht hat, macht ebenfalls deutlich, dass Habermas eine Übersetzung religiösen Denkens in vernunft- und wahrheitsorientiertes Denkens für durchaus möglich hält. Es kann daher von einem Substrat des religiösen Gedankens universaler Bundesgenossenschaft in dem Konzept des auf Konsens abzielenden rationalen Diskurses gesprochen werden: »Erst Peirce und Mead haben dieses religiöse Motiv der Bundesgenossenschaft in den Gestalten einer Konsenstheorie der Wahrheit und einer Kommunikationstheorie der Gesellschaft zu philosophischem Rang erhoben. Die Theorie des kommunikativen Handelns knüpft an diese pragmatistische Tradition an« (Habermas 1988, 378).

5 Habermas’ Modell der Rationalität kann daher als eine Lesart von Max Webers Theorie der okzidentalen Rationalisierung verstanden werden (vgl. auch Habermas 2005, 121; vgl. zu der ähnlichen Sicht des US-amerikanischen Soziologen John W. Meyer die Darstelling von Dierkes/König 2006, 130f.; für eine vergleichende Skizze der religionssoziologischen Positionen von Max Weber und Emile Durkheim vgl. Luckmann 1991, 48f.).

6 Äußerst irritierend ist dabei, dass das Bemühen um »intersubjektiv geteilte Interpretationen«, das heißt um die Erzeugung einheitlicher Semantiken und Begriffsbedeutungen, in dieser nüchterneren Sicht auf das Bestehen möglicher Asymmetrien plötzlich gar nicht mehr ganz eindeutig von dem zu trennen ist, was Habermas in derselben Stellungnahme als »fundamentalistisch« bezeichnet hat: »Mit diesem Prädikat bezeichnen wir eine Geisteshaltung, die auf der politischen Durchsetzung von eigenen Überzeugungen und Gründen auch dann beharrt, wenn diese alles andere als allgemein akzeptabel sind.« (Habermas/Derrida 2004, 55)

7 Während in Habermas’ Konzept die kommunikativ – wenngleich eben nicht immer ohne »latente Gewalt« – hergestellten intersubjektiv geteilten Interpretationen als Grundlage der rationalen Argumentation und des anzustrebenden einvernehmlichen »Telos der Verständigung« (Habermas/Derrida 2004, 63) gesehen werden, verteidigt Habermas zufolge der durch religiösen ›Fundamentalismus‹ bedingte Terrorismus seine Einheitssemantiken »sogar mit Gewalt«, das heißt mit offener Gewalt (vgl. Habermas/Derrida 2004, 55; vgl. zu der Verteidigung von Einheitssemantiken durch Terror Albert/Stetter 2006, 72). Hier geht es darum, den anderen – zur Not mit Gewalt – dazu zu zwingen, so zu denken, wie man selbst; dort, sich – unter Umständen unter Anwendung latenter Gewalt – darauf zu einigen, welche gemeinsame Sicht einzunehmen ist. Vgl. hierzu Schiewer 2008.

8 Eine fundierte Auseinandersetzung mit kommunikationstheoretischen Grundlagen, Unternehmenskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit findet allerdings bislang erst in Ansätzen statt. Vgl. für einen Überblick über die Desiderata: Zerfaß 2006, 16ff.

9 Dies bezieht sich sowohl auf externe als auch die interne Kommunikationsprozesse: »Schlanke und flexible Strukturen, die infolge des internationalen Wettbewerbsdrucks allerorts eingeführt wurden, erfordern neue Formen der innerbetrieblichen Koordination. […] Unübersehbar sind ferner die Anstrengungen, sich in gesättigten und wenig innovationsträchtigen Märkten mit kommunikativen Mitteln zu profilieren. […] Bereits jetzt ist absehbar, dass klassische Werbeformen mehr und mehr durch innovative Formen der personalen und interaktive Kommunikation ergänzt werden. Schließlich hat die zunehmende ökologische und gesellschaftspolitische Sensibilität vieler Bürger dazu geführt, daß Unternehmen immer häufiger um die gesellschaftliche Akzeptanz konkreter Vorgehensweisen ringen müssen. Dies betrifft die Grundsatzdebatten um verschiedene Risikotechnologien, aber auch Auseinandersetzungen um die Ansiedlung oder Schließung einzelner Produktionsstätten, bei denen stets mit den Einwänden von Anrainern, Ökogruppen oder Gewerkschaften zu rechnen ist. Im Kreuzfeuer der Kritik stehen ferner Produkte, Produktionsprozesse und Vermarktungsmethoden, die aus moralischen Gründen (Umweltverträglichkeit, Kinderarbeit, Bestechung) bedenklich erscheinen. […] So kann es nicht verwundern, daß man sich in der Praxis und teilweise auch in der Wissenschaft verstärkt mit Fragen der Krisenkommunikation auseinandergesetzt hat. Dieses Diskussionsfeld steht stellvertretend für den gesamten Bereich der Öffentlichkeitsarbeit und Public Relations, deren empirische Bedeutung immer deutlicher erkannt wird.« Zerfaß 2004, 14f.

10 Wenngleich Zerfaß in seinen kommunikationstheoretischen Basisannahmen auf Jürgen Habermas’ Ansatz Bezug nimmt, so berücksichtigt er – was vor dem Hintergrund der Zielrichtung seiner Überlegungen zwingend ist – sowohl die Formen der Argumentation als auch der Persuasion und berücksichtigt weiterhin informierende Kommunikationsstile: »In methodischer Hinsicht handelt es sich hierbei um regulative Leitideen, die einander analytisch ausschließen, aber in der konkreten Interaktion durchaus vermischt werden können. […] In Beratungen und Diskursen orientieren sich die Beteiligten am Leitbild der Argumentation. In Verhandlungen setzt man übereinstimmend auf persuasive Muster. Manipulative Kommunikationssequenzen (z.B. Propaganda) können dagegen nur gelingen, wenn Ego seine persuasive Absicht verschleiert und Alter im Glauben gelassen wird, dass er überzeugt werden soll.« Zerfaß 2006, 184.

11 Dabei müssen die Befragten die jeweilige Imagedimension (z.B. die Mitarbeiterqualität einer Bank) auf ein polaren Skala mit mehreren Attributpaaren (»kompetent« – »inkompetent«, »bürokratisch« – »unbürokratisch«) verorten.

12 Wenn man die (durchschnittlich) angekreuzten Beurteilungen durch eine Linie miteinander verbindet, erhält man auf sehr einfache Weise ein grafisches Imageprofil, das mit den Einschätzungen anderer Akteure bzw. einem angestrebten Idealbild verglichen werden kann.

13 Der Profilvergleich ist ein erster Baustein für den Vergleich empirisch erhobener Images und Meinungen.

14 Dies betont auch Ansgar Zerfaß ohne Einschränkung, obwohl er informative, argumentative und persuasive Kommunikationsstile zumindest in analytischer Perspektive voneinander abzugrenzen bereit ist: »Die Alltäglichkeit von Kommunikationsprozessen versperrt häufig den Blick auf die nahe liegende Frage, warum wir überhaupt kommunizieren – genauer gesagt: welche Gründe uns dazu bewegen, mit Mitteilungs- und Verstehenshandlungen in den Lauf der Welt einzugreifen. Die Antwort liegt auf der Hand: Kommunikative Aktivitäten sind Handlungen, und als handelnde Akteure trachten wir stets danach, bestimmte Interessen [Hervorh. bei Zerfaß] zu realisieren, die sich entweder auf individuelle Bedürfnislagen oder soziale Erwartungshaltungen zurückführen lassen« (ebd. 2006, 209).

15 Diese Auswirkungen von Empathie bestätigt auch die Konflikt- und Friedenspsychologie, in der Formen kooperierenden und defektierenden beziehungsweise gewinn- und verlustfokussieren Verhaltens in der Verhandlungsführung sowie in Dilemma-Situationen im Allgemeinen und in außenpolitischen Dilemmata im Besonderen untersucht werden. Vgl. Fiedler 2004 u. Trötschel/Gollwitzer 2004.

16 Äußerst komplex werden die Dinge im interkulturellen Vergleich unter Berücksichtigung kulturell variabler Emotionsauffassungen. Die amerikanische Kommunikationswissenschaftlerin Sally Planalp macht zum Beispiel auf Unterschiede zwischen individualistisch und kollektivistisch geprägten Gesellschaften aufmerksam: »In collectivist cultures, empathy is not really an issue, but rather seems to be a normal and unproblematic part of everyday life. In individualized cultures you may have to go out of your way to take anogher person’s point of view and feeel his feelings, but in collectivist cultures, emotions are not as strictly divided between yours and mine. […] The fine distinctions that Western academics make among varieties of emotional connections also make little or no sense from many non-Western points of view. Chances are that these cultures do not dinstinguish among the feelings that you ›catch‹ from another person (contagion), the feelings that you adopt from imagining another’s situation (empathy), the feelings that you have about another’s situation (sympathy), or the thoughts that you have about another’s feelings (understanding). Their distinctions may instead be between socially appropriate feelings or socially inappropriate feelings, or between social feelings that count as emotions and individuealized feelings that count as only something comparable to what we would call ›sensations‹.« (Planalp 1999, 215f.)

17 So hat Karsten R. Stueber in seiner 2006 vorgelegten Monografie »Rediscovering Empathy. Agency, Folk Psychology, and the Human Sciences« für eine Differenzierung von ›basic empathy‹ und ›reenactive empathy‹ plädiert. ›Basic empathy‹ basiert Stueber zufolge auf der unmittelbaren Wahrnehmung von Formen des Emotionsausdrucks in Mimik und Verhalten des Gegenübers (vgl. Stueber 2006, u.a. 139 u. 219); dem liegt die von Paul Ekman in Orientierung an Charles Darwin formulierte Annahme des Bestehens einer kleinen Zahl von Basisemotionen zugrunde, deren mimischer Ausdruck universell gleich und zutreffend erkennbar sein soll. ›Reenactive empathy‹ setzt demgegenüber das Verstehen der Gründe für die betreffende von alter in Mimik und Verhalten zum Ausdruck gebrachte Emotion voraus: »We need to understand why that person is angry, why he is grasping the cup, or why he responded to a particular situation in a spezial manner; that is, we need to understand the reasons for his actions. Here we need to use the full realm of folk-psychological concepts, particularly belief and desire. And a theory theorist will claim that this involves a heavy dose of theory.« (Stueber 2006, 147 u. 219) Vgl. für einen ganz knappen Überblick über die amerikanische Forschungsdiskussion affektiver und kognitiver Fassetten des Empathischen: Nathanson 2003, 108ff.

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