Die GiG-Jahrestagung wurde in diesem Jahr in Partnerschaft mit zwei Germanistikabteilungen aus der Region Westafrika ausgerichtet: dem Département d’Etudes Germaniques der Université d’Abomey-Calavi / Bénin und dem Département d’Allemand der Université de Lomé / Togo. Dabei wurde der Küstenort Ouidah in Benin als eine passende Kulisse für die Aushandlung der Interkulturalität ausgewählt. Ouidah spielte eine zentrale Rolle im transatlantischen Sklavenhandel und erinnert deswegen an die schmerzhafte Geschichte der erzwungenen kulturellen Öffnung Afrikas. Heute ist Ouidah ein wichtiger Ort, der nicht nur viele Afroamerikanerinnen und -amerikaner an gemeinsame kulturelle Wurzeln mit Afrika erinnert.
Es war den Veranstaltern ein Anliegen, die internationalen Germanistinnen und Germanisten, die Fachvertreterinnen und -vertreter der anglophonen und frankophonen Länder Westafrikas ebenso wie die Kolleginnen und Kollegen aus Nord-, Ost- und Südafrika einschließlich der sprachvermittelnden Einrichtungen mit dem Call for Papers breit anzusprechen.
Das Thema lautete: Die Welt und Afrika – Neue Wege interkultureller Sprach- und Literaturforschung. Drei Schwerpunkte wurden dabei gesetzt: Im Bereich Linguistik wurde die Frage nach der Stellung der deutschen Sprache, Literatur und Kultur in multilingualen Umfeldern mit Französisch, Englisch und afrikanischen bzw. indigenen Sprachen und Kulturen sowie entsprechenden interkulturellen Prozessen gestellt.
Im Bereich Literatur sollten »aktuelle Utopien zwischen Globalität und isolationistischen Tendenzen« untersucht werden. In dieser Sektion wurde darauf eingegangen, inwiefern Literatur solche Konstellationen nicht nur reflektiert, sondern auch an diesen partizipiert. Erfragt waren besonders Beiträge, die sich mit der Analyse und Interpretation von Texten aus der deutschen bzw. deutschsprachigen Literatur und aus der interkulturellen Literatur (Migrantenliteratur, Exilliteratur, Reiseliteratur, Weltliteratur, postkoloniale Literatur etc.) beschäftigen.
Im Bereich der Kulturstudien wurden koloniale und postkoloniale Gesellschaften als Ort der Kulturbegegnungen, des Kulturtransfers und des Kulturaustausches in den Mittelpunkt gerückt. Bei solchen kulturellen Zusammenstößen kommt es häufig zu interkulturellen Prozessen, welche allerdings unter den Bedingungen kultureller Hegemonie performt werden und zu Konflikten kultureller Provenienz führen.
Insgesamt wurden rund 110 Abstracts eingereicht, letztendlich nahmen an der Tagung 76 Vortragende und zahlreiche Gäste aus 25 verschiedenen Ländern teil. Viele Kolleginnen und Kollegen aus Afrika konnten aufgrund der thematischen Relevanz an der Tagung teilnehmen.
Den Auftakt bildete ein informelles Abendessen im Restaurant des Tagungshotels »Diaspora«, die offizielle Eröffnung wurde am Vormittag des 5. September im großen Tagungsraum 1 gefeiert. Anwesend waren neben den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, den Plenarvortragenden und einem Vorstandsmitglied die Präsidentin der Gesellschaft für interkulturelle Germanistik, Frau Prof. Gesine Lenore Schiewer, die Ministerin für Hochschulbildung von Benin, Frau Prof. Odile Athanasso, der Rektor der Universität Abomey-Calavi (Benin), Herr Prof. Maxim da Cruz, der Dekan der sprachwissenschaftlichen Fakultät der Universität Abomey-Calavi, Herr Prof. Flavien Gbeto, sowie die Leiter der beiden Deutschabteilungen aus Benin, Herr Dr. Simplice Agossavi, und Togo, Herr Dr. Akila Ahouli, sowie die DAAD-Lektorinnen Friederike Heinz (Benin) und Ursula Logossou (Togo). Die Eröffnungszeremonie wurde durch den Studierendenchor des Zentrums »Deutsch bei Uns« sowie durch die Tanzgruppe Toffodji kulturell abgerundet und von Pressevertreterinnen und -vertretern begleitet.
Den ersten Plenarvortrag hielt Herr Prof. Roche (LMU München): Er referierte zu den Mehrwerten digitaler Medien im Fremdsprachenerwerb – über komplexe Theorien und eine (oft) minimalistische Praxis. Im Anschluss an die Plenarvorträge wurden immer vier parallel stattfindende, je 90-minütige Sektionen abgehalten zu Themen wie beispielsweise: Kolonialliteratur, Interkulturelle und kontrastive Linguistik in mehrsprachigen / afrikanischen Kontexten, Aspekte des Deutsch-als-Fremdsprache-Unterrichts in Afrika, Entwicklungspolitische Wahrnehmungsmuster oder Reiseliteratur.
Am Abend fand eine Autorenlesung statt: Der aus Benin stammende Germanist Vincent Atabavikpo präsentierte seine beiden Kurzromane »Ama, der Senegalese« und »Der Schulweg«.
Der zweite Tag wurde von zwei Plenarvorträgen umrahmt: Herr Prof. Hans-Peter Hahn, Ethnologe der Universität Frankfurt, führte in seinem Vortrag anschaulich den kolonialen Alltag der sogenannten Intermediäre vor Augen, den er zwischen Konfrontation und Aushandlung verortete.
Im Sektionenprogramm wurden Themen wie Erinnerungskultur und Postkoloniale Literatur sowie eine Sektion zu Translationswissenschaft präsentiert und diskutiert. Am Schluss des Sektionenprogramms stand der Plenarvortrag von Herrn Dr. Shaban Mayanja, der eine rege Diskussion zur Ausrichtung und Verortung der afrikanischen Germanistik auslöste und die Frage nach der Rolle der Translationswissenschaft in der afrikanischen Germanistik stellte.
Am Abend wurde der Dürrenmatt-Klassiker »Der Besuch der alten Dame« von einer 30-köpfigen Studententheatergruppe aus Benin unter der Leitung von Friederike Heinz am Strand von Ouidah aufgeführt. Das Stück wurde von den Studierenden interpretiert und in einen beninischen Kontext übersetzt. Anschließend empfing der deutsche Botschafter, Herr Achim Tröster, gemeinsam mit seiner Frau auf der Terrasse die Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmer und Studierende.
Am 7. September 2018 hielt Frau Prof. von Maltzan einen Plenarvortrag, der die Situation von Geflüchteten und deren Identitätsverortung in aktueller deutschsprachiger Literatur darstellte. Im Lauf des Tages wurden in den vier parallel stattfindenden Sektionen Themen wie Postkoloniale Diskurse, Inter- und Transkulturalität: Schwerpunkt Westafrika, Afrikareisen in der Literatur oder Erinnerungskultur verhandelt.
Den Abschluss des Tages bildete ein Konzert der studentischen Live-Band »Les Kasseurs«, bei dem getanzt und der erfolgreiche Abschluss gefeiert wurde.
Am Samstag bot das Organisationsteam Exkursionen an, durchgeführt von den Mitarbeitern der Deutschabteilungen aus Togo und Benin. Eine Exkursion führte nach Lomé: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten auf dem Weg die Spuren der deutschen Kolonialzeit besichtigen.
Weitere Exkursionen wurden in die kulturelle Hauptstadt Benins, nach Abomey angeboten, eine weitere führte nach Calavi, um dort die Universität sowie die schwimmende Stadt »Ganvié« zu besichtigen. Die Exkursion nach Ouidah bot die Möglichkeit, den Vodoun-Kult in Ouidah sowie die kulturellen Verflechtungen zwischen Benin und weiteren Erdteilen der Welt zu erkunden.
Die Tagung wurde größtenteils finanziert durch den DAAD und die Universität Bayreuth, zusätzliche Unterstützung zur Durchführung der Tagung kam von Seiten der Fakultät für Sprache und Kommunikation (FLLAC) der Universität Abomey-Calavi, der Universität Lomé und des deutschen Botschafters sowie der KfW in Benin.
Insgesamt rückte die Tagung erfolgreich die afrikanische(n) Germanistik(en) in den Fokus des Interesses und zeigte zugleich auf, wie vielfältig die Forschung zu afrikanischen Themen auch im Bereich der Germanistik sein kann, welche interdisziplinären Ansätze und Perspektiven es gibt und wie (afrikanische) Antworten auf aktuelle Fragestellungen im Bereich der interkulturellen Forschung lauten könnten.
Die Tagung wurde als rundum gelungene Veranstaltung bewertet, denn sie hat auch zur Bekräftigung bereits vorhandener und zur Anknüpfung neuer Kontakte zwischen »Afrika und der Welt« geführt und damit hoffentlich zur nachhaltigen Verflechtung der Wissenschaftskooperationen beigetragen.
Eine Publikation der Tagungsakten ist in Planung und wird vom transcript Verlag veröffentlicht werden.