Es war mir ein Anliegen, das Geheimnis nicht zu lüften

Sieben Formen von Unübersetzbarkeit in Ilija Trojanows Der Weltensammler

Martina Schwalm

Abstract

This article discusses the thesis, developed in Emily Apter’s Against World Literature (2013), on the limits of literary translation, using the example of Ilija Trojanow’s Der Weltensammler (2006). The tension between the multilingual worlds of experience in the novel and the seemingly dominant literary monolingualism of the first German publication is addressed in the novel itself as a problem of untranslatability. On the textual level, the novel refuses to be translatable and takes its refuge in Bhabha’s Third Space, »which makes the structure of meaning and reference an ambivalent process, destroys this mirror of representation in which cultural knowledge is continuously as an integrated, open, expanding code.« I will reveal seven forms of untranslatability that simultaneously open up different interpretive perspectives. In reference to Emily Apter’s monography, untranslatability will be decoded as a textual precondition, and hybridity will be seen as the fundament on which world literature is based upon.

Title:

It Was an Intention of Mine to not Disclose the Secret. Seven Forms of Untranslatability in Ilija Trojanow‘s The Collector of Worlds

Keywords:

translation; world literature; hybridity; monolingual; multilingual

Einführung

»Schreibst Du Weltliteratur? Oder ›deutsche‹ Literatur?

Gibt es da einen Unterschied? Die Sprache muss für den Autoren entscheidend sein, nicht aber für den Leser. Der Koreaner oder Brasilianer wird vielleicht gar nicht merken, dass ›Der Weltensammler‹ ursprünglich auf Deutsch verfasst wurde.«

Trojanow 2009: 254

Die Ebenbürtigkeit von Welt- und Nationalliteratur, auf die der bulgarischstämmige Autor und Übersetzer Ilija Trojanow hier in einem Interview aus dem Jahre 2009 im Kontext seines Bestsellerromans Der Weltensammler (2006) verweist, bezieht nach Trojanow ihre Berechtigung aus der Unterstellung sprachlicher Äquivalenzen und Transparenz durch absolute Übersetzbarkeit. Dieses Gleichstellen von Sprache durch das Moment der Übersetzung konzipiert das internationale Lesepublikum zu einer imaginierten transsprachlichen Gemeinschaft, welche sich aus der Annahme begründet, es gäbe literarische Tropen, »analogous to the wearisome lingua franca of special effects in contemporary cinema« (Parks 2010). Tim Parks, Professor für Literatur und Übersetzung an der Universität von Mailand, warnt in seinem Blogeintrag The Dull New Global Novel der New York Review of Books vor solch einer Wahrnehmung und Perspektivierung von Weltliteratur, da sie »the kind of work that revels in the subtle nuances of its own language and literary culture, the sort of writing that can savage or celebrate the way this or that linguistic group really lives [in]« (ebd.) prinzipiell negiert und verbannt. Parks prangert hierbei insbesondere die intentionale Adaption von Sprachästhetik und -stilistik im Sinne einer Sprachsimplifizierung seitens der Autoren an, welche bei jenen dann entstehe, wenn sie ihre »ultimate audience an international rather than national« (ebd.) wahrnehmen. Daraus resultiere die Leserperzeption »if people don’t want you elsewhere you can’t be that good« (ebd.).

Ilija Trojanow, dessen literarisches Werk bislang in mehr als zehn Sprachen, unter anderem ins Arabische, Englische, Russische, Chinesische und Bulgarische, übersetzt wurde, würde sich demnach in jenen Kreis von Autoren einordnen, die die sprach- und kulturästhetische Qualität ihrer Texte den »de-aestheticizing jaws of globalization« (Apter 2013: 1) opfern, »speed bumps of untranslatability« (ebd.: 3) einebnen und dadurch absolute Übersetzbarkeit unterstellen. Trojanow selbst dekuvriert jedoch im Oktober 2013 »übersetzen« als lediglich das Bestreben einer bestmöglichen Annäherung, als er auf Grund der Verweigerung seiner Einreise in die USA an der German Studies Association Conference nur mit Hilfe eines technischen Transmitters, dem Internet, beiwohnen kann. Diese Demonstration erzwungener geografischer Nichtübertragbarkeit korrespondiert mit der Annahme praktikabler absoluter Übersetzbarkeit und deckt diese als ein lediglich scheinhaftes Substitut auf, dem das Moment von Unübersetzbarkeit immanent ist. Ilija Trojanows Präsenz auf der Konferenz markiert sich also im Spannungsfeld gleichzeitiger An- und Abwesenheit. Auch in seinem Roman Der Weltensammler wird von Trojanow das Moment absoluter Übersetzbarkeit immer wieder, unter anderem figurenmetaphorisch, textuell kritisch reflektiert: »Du kannst dich verkleiden, soviel du willst, du wirst nie erfahren, wie es ist, einer von uns zu sein. Du kannst jederzeit deine Verkleidung ablegen, dir steht immer dieser letzte Ausweg offen. Wir aber sind in unserer Haut gefangen. Fasten ist nicht dasselbe wie hungern« (T: 212)1.

Einer der Sprachlehrer des Romanprotagonisten Richard Francis Burton weist diesen hier auf die Unmöglichkeit des Annehmens einer anderen kulturellen Identität hin, impliziert diese doch immer auch das Moment einer bewussten Freiwilligkeit und Selbstbestimmtheit eigener Grenzziehungen, sei es Empathie oder der Grad der Integration und Adaption. Schon beinahe vorwurfsvoll wird allein der Versuch Burtons aufgefasst und von dem Lehrer als Anmaßung verstanden: »Das ist nicht dein Kampf! Glaubst du, so einfach kannst du die Seiten wechseln. Was du getan hast, hast du allein deiner Eitelkeit zuliebe getan« (T: 211). Burton, welcher an dieser Stelle der Verkleidete ist, kann also nur eine Skizze, eine Eigeninterpretation des zu Übersetzenden absorbieren, ist und wird er doch stets an seinen britischen Ursprung rückgebunden. Jenen macht der Sprachlehrer als unüberwindbares Element von Burtons Identität geltend, die diesen stets als nicht zugehörig ausweist, wodurch Übersetzung lediglich als Schein entlarvt wird. Emily Apter spricht der Praxis literarischer Übersetzung Gültigkeit ohnehin nur unter Vorbehalt zu und greift in Against World Literature: On the Politics of Untranslatability (2013) das Phänomen der Unübersetzbarkeit auf.

Unübersetzbarkeit konzentriert sich auf sprachliche Elemente, die Apter als das bislang Ungesagte und Unausgesprochene der Übersetzung identifiziert, und versteht sich daher als Grenze des eigenen Sprachvermögens, wenn das eigene Sprachwissen nicht mehr ausreicht und der Übersetzer scheitern muss (vgl. Apter 2013: 9f.; Benjamin 1977 und Bhabha 2011). Wenngleich dieses Scheitern bei Apter als »failure« und nicht als »task« interpretiert wird, stellt es jedoch keineswegs einen Abbruch des Übersetzungsprozesses dar (vgl. Apter 2013: 9f.)2. Vielmehr geht es der Autorin um das Wollen bezüglich einer intensiveren Annäherung an und Auseinandersetzung mit Sprachverschachtelungen ohne die Intention, jene durch eine Übersetzung aufzulösen oder zu glätten. Hierin findet sich die Forderung nach einer Neureflexion eines bereits etablierten literarischen Korpus, der sich durch ein stets gleich übersetztes und kontinuierlich wiederholendes »Vocabulaire« (vgl. ebd.: 119f.) auszeichnet. Dieser Korpus müsse sich seiner semantischen Zwickmühle bewusst und Unübersetzbarkeit zu seinem epistemologischen Wendepunkt werden, einem »fulcrum for rethinking philosophical concepts and discourses of the humanities« (ebd.: 31), an welchem sich dann ebenso linguistische Diskurse (vgl. Bakhtin 1981: 269, 272) neu auszurichten hätten. Gleichzeitig wendet sich Apter mit dieser Forderung gegen eine von der Nation ausgehende Kanonisierung von Weltliteratur3 und spricht sich für eine Deprovinzialisierung eben jener aus, wodurch sich dem Geheimnis literarischer sowie auch kultureller Unübersetzbarkeit angenähert werden könne (vgl. Apter 2013: 2, 8).

Diesem Geheimnis versuchte sich auch Ilija Trojanow durch Recherchen zu seinem Roman anzunähern. Im Jahre 2001 begab der Autor sich auf einen dreimonatigen Fußmarsch durch Tansania, um den Spuren des britischen Offiziers, Entdeckers und Orientalisten Richard Francis Burton (1821-1890) nachzuspüren, welchen er zum Protagonisten seines Romans werden lässt (vgl. Trojanow: Die Recherche o.J.c). Der historische Burton gelangte Mitte des 19. Jahrhunderts nach Indien und habe, so Trojanow, zu Lebzeiten den Anspruch gehabt, »in die Fremde einzudringen, kulturelle Unterschiede zu erkennen, zu begreifen, zu benennen und sie – sei es durch Maskerade, sei es durch Verwandlung – zu überwinden« (vgl. Trojanow: Die Figur o.J.b), wozu auch das Sprachenlernen von mehr als zwanzig Sprachen, unter anderem Hindustani, Gujarati, Marathi, Farsi, Arabisch und Sanskrit, gehörten. Die Intensität, mit welcher sich Burton der Kultur Indiens, Ostafrikas und Arabiens annahm, nicht nur durch Reise und Sprache, beschreibt Trojanow als den Versuch des Hineinschlüpfens in die Haut der Menschen, dem Tragen ihrer Kleidung, des Adaptierens von Ritualen und Traditionen bis hin zum Ertragen der Folter der britischen Armee, ohne sich als einer von ihnen (vgl. T: 206-208) zu erkennen zu geben. Dennoch erhält der Leser an keiner Stelle Informationen über die Intentionen Burtons oder darüber, wie er diesen Versuch des Hineinschlüpfens für sich wahrnimmt und reflektiert. Vielmehr lässt Trojanow die narrative Erzählinstanz seines Romans als

eine unsichtbare Eule [erscheinen, die; M.S.] auf der rechten Schulter von Burton sitzt, d[ie] alles beobachtet und wahrnimmt, d[ie] auch hört, wie Burton dieses und jenes ausplaudert, wie er laut vor sich her redet, wie er im Schlaf spricht, d[ie] aber keinen Zugang zu den geheimsten Gedanken der Hauptfigur hat. (Trojanow 2008: 8)

Der Autor nähert sich also durch seinen Schreibprozess der Figur Burtons lediglich an, hat keinen Anspruch, ihr Inneres preiszugeben: »Es war mir ein Anliegen, das Geheimnis dieses Menschen nicht zu lüften, keine Innenschau zu wagen« (Trojanow: Die Figur o.J.b). Ilija Trojanow veranschaulicht hiermit bereits mittels seines Protagonisten, dass jedwedes Annähern an ein Innenleben der Romanfigur ein Übersetzen impliziert, dass auf eine Interpretation des historischen Burton durch den Autor zurückzuführen wäre. Indem Trojanow jedoch in seinem Schreiben sich diesem Schritt verweigert, gesteht er Burton Unübersetzbarkeit zu, wodurch dieser weder für den Autor noch für den Leser vollständig entschlüsselbar ist. In den Roman Der Weltensammler, so die These, werden literarische und kulturelle Unübersetzbarkeiten unmittelbar in den Text eingeschrieben. Diese manifestieren sich bereits durch und während des Entstehungsprozesses, der Recherche zum Roman. Durch diese Recherche nähert sich Trojanow nicht nur der einstigen geografischen Lebenswelt Burtons an, sondern ebenso auch der mehrsprachigen (vgl. Gramling 2014: 11), die in dessen eigenen literarischen Texten zum Ausdruck kommt.4 Dementsprechend soll der von Emily Apter bereitgestellte interpretatorische Denkansatz der literarischen Unübersetzbarkeit angewendet werden, um weiterführende Überlegungen anzubieten. Dazu werden zunächst sechs Formen herangezogen, um eben jene Sprachhybridität des Textes zu untermauern und sie als unübersetzbar zu bestimmen. Diese lassen sind jedoch lediglich als Stichprobe verstehen und liefern nur einen bruchstückhaften Einblick, wie Unübersetzbarkeit auf textueller Ebene erörtert werden könnte. Als siebte Form von Unübersetzbarkeit gilt abschließend die transhybride Übersetzung selbst, ein Konzept, für das mittels Analyse ein Exempel bereitgestellt werden soll. Diese sieben Formen sollen der Versuch sein, sich dem Gestaltungsmoment eines deprovinzialisierten nationalen Kanons anzunähern.

Sechs Formen von Unübersetzbarkeit

Transkription

Eine Übersetzungsmethode stellen die Transkriptionen indischer Schrifttradition im Text dar, welche im Folgenden exemplarisch zur Interpretation von Unübersetzbarkeit herangezogen werden sollen. Im ersten Teil des Romans, Britisch-Indien, werden die mehrfach auftretenden Kapitel mit der Betitelung Naukaram, welche Unterhaltungen zwischen dem ehemaligen Diener Burtons, Ramji Naukaram, und dem Schreiber Lahiya beinhalten, durch verschiedene Hindi-Mantra in transkribierter Form eingeleitet. Den Mantras selbst ist keine weitere Erklärung hinzugefügt, der Leser erhält nicht einmal die Information, dass es sich um Mantras handelt5: »II Aum Ekaaksharaaya namaha I Sarvavighnopashantaye namaha I Aum Ganeshaya namaha II« (T: 38)6. Die Positionierungen der Mantras sind weder als Kapitelüberschriften zu verstehen, noch sind sie in den Fließtext der Unterhaltung eingebunden. Sie bewegen sich vielmehr auf metatextueller Ebene und verleihen dem jeweiligen Kapitel eine zusätzliche Erzählstimme, die im eigentlichen Text nicht explizit figural auftritt, ihm aber dennoch interpretatorisch eingeschrieben ist. Dem Leser wird vermeintlich erlernbares kulturelles Wissen7 nicht leichtfertig zugänglich gemacht, sondern eingebettet in ein Dazwischen, in eine Grauzone der Unübersetzbarkeit, die sich gegen die Annahme stellt, alles könne und müsse übersetzt werden (vgl. Apter 2013: 3). Dem Leser ist es freigestellt, diese Grauzone zu verlassen, sie sich selbst zugänglich zu machen, um den Naukaram-Kapiteln weitere interpretatorische Bedeutungskonnotationen beizufügen. Hierdurch wird versucht, ein Gleichgewicht zwischen zu viel und zu wenig Information oder, um es »orientalistisch« auszudrücken, zwischen Domestizierung und Überfremdung eines Textes zu finden, um das Lesepublikum nicht in den orientalistischen Genuss des eigenen kulturellen Geschmacks zu führen (vgl. Chittiphalangsri 2014: 52), sondern es vielmehr herauszufordern, dem eigenen Lesen Tiefe zu verleihen.

Trojanow schreibt seinem Text also eine weitere Ebene ein, indem er ihn nicht durch schriftsprachliche Aufschlüsselungen scheinbarer kultureller Universalität unterwirft, sondern ihn gerade so weit zugänglich macht, dass der Leser den Klang der Wörter erahnen kann, welcher durch die Transkription lediglich angedeutet und evoziert werden kann. Inhalt und Wortbedeutung der Mantras bleiben dem Leser verborgen, sofern er sich diese Informationen nicht selbst beschafft. Die einzige Information, die er erhält, ist das in lateinischen Buchstaben und der deutschen Sprache angepasste8 transkribierte Hindi. Entscheidend ist hierbei das Moment der Wiederholung der auftretenden verschiedenen Mantras als einleitendes Moment eines jeden dieser Kapitel. Erst das ständige wiederkehrende Auftreten der unterschiedlichen Mantras weist in seiner Signifikanz auf ein Textverständnis hin, das über den Rand des Romans hinausreicht. Hinter den Transkriptionen bleibt jedoch nicht nur die inhaltliche Bedeutung der Mantras zurück, sondern die visuelle Ästhetik der Kaligrafie des Hindi selbst. Diese wird durch die Transkription ins Verborgene manövriert, hinter den lateinischen Schriftcode zurückgedrängt und durch seine Verwendung eingeebnet (vgl. Apter 2013: 3). Dennoch findet hier keine kulturelle Gleichmachung statt, sondern lediglich eine Verringerung, ohne dass kulturelle Verschiedenheit gänzlich ausgemerzt wird und gänzlich verschwindet (vgl. Bhabha 2011). Der Leser erhält somit gerade so viel Information, dass es ihm möglich ist, in wenigen Schritten zu der Erkenntnis zu gelangen, dass es sich um ein indisches Mantra handelt. Dieses Mehr an Information transportiert den Inhalt der Naukaram-Kapitel auf die Ebene spirituell konnotierter Interpretationsansätze, welche nicht nur den Kapiteln zusätzliche Bedeutungsebenen verleihen, sondern sich auch auf den gesamten Text ausweiten lassen und weitaus vielfältiger gedeutet werden können, als wenn der Autor eine persönliche Übersetzung der Mantras voranstellen und dem Text somit übersetzungspragmatisch zugänglich machen würde. Um auch hier jedoch vor voreiligen orientalistischen Interpretationsansätzen zu warnen, entlarvt der Text die Mantras als Teil eines kulturellen Diskurses, den es nicht nur seitens »des Fremden« zu verstehen gilt:

Die fremden Traditionen hingegen seien faszinierend, weil er sie noch nicht durchschaut habe. – Hat er so lange gebraucht, unseren Aberglauben zu durchschauen? Du hättest ihn zu mir bringen sollen. Die Mantras sind Steine, die sich unsere Brahmanen aus dem Mund ziehen, und wir erstarren in Ehrfurcht, als würden sie uns etwas Wertvolles überreichen. Ist dir aufgefallen, die Zauberer schwenken bei ihren Kniffen oft Fackeln, um uns abzulenken, genauso wie es die Priester während des Aarti tun. Gleiche Handhabung, gleiche Illusion. (T: 63)

Trojanow erzeugt also durch die Transkription des geschriebenen Hindi einerseits einen Bruch mit der indischen Schrifttradition, indem er sie zum einen in lesbare Laute lateinischer Schrifttradition übersetzt und seinem Leser somit den Hauch des Zugangs zu einer Klangwelt der Wörter und Laute der Fremdsprache gewährt. Zum anderen ummantelt er sie jedoch mit dem Geheimnis der Unübersetzbarkeit, dekonstruiert sie nicht gänzlich und erweckt dadurch nicht den Anschein kultureller Gleichmachung.

Das Glossar

Eine der wohl offensichtlichsten Formen von Unübersetzbarkeit eröffnet sich dem Leser zum Ende des Romans. Trojanow stellt hier ein Glossar bereit, das an die eigentliche Romanhandlung anschließt und dem Leser Vokabular erläutert, das innerhalb des Romantextes nicht weiter erläutert wurde (vgl. T: 519-524). Das Glossar ist alphabetisch geordnet, nimmt jedoch keinerlei Bezug zu den Seiten im Roman, auf denen die Begriffe zu finden sind. Dieses Glossar bietet nun dem Leser die Möglichkeit, sich erneut mit dem Text auseinanderzusetzen. Eventuell aufgetretene Missverständnisse, wie beispielsweise »Lahiya« für den Namen des Schreibers zu halten, treten nun deutlich hervor »Lahiya: öffentlicher Schreiber« (T: 522). Der Roman eröffnet durch das Glossar, hier exemplarisch am Beispiel des Schreibers, ein unerwartetes Mehr an Analyseansätzen und -möglichkeiten, macht es doch einen immensen interpretatorischen Unterschied, ob es sich bei Lahiya um einen Namen oder den Berufsstand einer Person handelt. Das Glossar kann als Anlehnung an das von Barbara Cassin initiierte Dictionary of Untranslatable Terms verstanden werden. Solch ein Diktionär »clarifies the contradictions and places them face-to-face in reflections; it is a pluralist and comparative work in its non-enclosing gesture« (Apter 2013: 3, 119; nach Cassin 2010: 18).

Die Bereitstellung des Diktionärs verweist eindeutig darauf, dass der scheinbar abgeriegelte Kanon dringlichst geöffnet und neu reflektiert werden muss, damit Sprachalteritäten sichtbar gemacht werden können. Hierin ließe sich auch ein Ansatz zur Neuinterpretation literarischer Werke finden, die in einen nationalen Kanon eingegliedert sind, untersucht man jene hingehend vorkommender »fremdsprachlicher« Phänomene. Solche Analyseansätze eröffnen darüber hinaus auch die Möglichkeit einer Neubestückung des an »Nationalliteratur« orientierten Kanons (vgl. Apter 2013: 31f.; Kontje 2007: 11, 14, 229, 231, 241, 244), wodurch eine Verschränkung verschiedener nationaler Literaturen ermöglicht wird. Solch ein Ineinandergreifen von Nationalliteraturen ließe sich im Kontext eines kulturellen Verständnisses nach Bhabhas »Third Space« verstehen, »which makes the structure of meaning and reference an ambivalent process, destroys this mirror of representation in which cultural knowledge is continuously revealed as an integrated, open, expanding code« (Bhabha 2011).

Dem Text wird durch das erläuternde Glossar das Recht auf seine Unübersetzbarkeit ohne Frage zugestanden, nicht im Sinne einer ästhetischen Fremdmachung des dominierend deutschen Textes, sondern vielmehr im Sinne einer Ansprache und Aufforderung an den Leser, sich der Welt des Weltensammlers literarisch selbst weiter anzunähern und zu deuten, wodurch der Text einer absoluten kulturellen Gleichmachung aus dem Weg geht.

Oralität

Wenngleich Apter nicht explizit auf einen Zusammenhang zwischen dem Phänomen oraler Traditionen (vgl. Ong 1987) und literarischer Unübersetzbarkeit verweist, spielt diese Form im ersten Teil des Romans, Britisch-Indien, jedoch eine maßgebliche Rolle:

Aus dem peinigenden Licht heraus […] beginnt die zaghafte Stimme zu erzählen. Aus Vermutungen werden Andeutungen, aus Andeutungen werden Schemen, aus Schemen werden Personen, aus Unbekannten werden Menschen mit Namen, Eigenschaften und Gesichtern. Der Lahiya hält die Feder fest zwischen den Fingern, doch er versteht weder Ausgang noch Grund der Lebensgeschichte, die dieser Mann vor ihm ausbreitet. Es ergibt keinen Sinn, diese konfusen Umrisse aufzuschreiben. (T: 30)

Durch Naukaram, welcher hier, auf Grund seines Analphabetismus (vgl. Trojanow 2008: 10), seine Geschichte der oralen Erzähltradition nach weiterträgt, wird deutlich, dass das Gesprochene im Vergleich zum Schriftlichen eine andere Strukturiertheit aufweist, die auch Trojanow hier nicht wiedergibt, sondern lediglich deskriptiv auf sie referiert. Das von Naukaram eigentlich Erzählte verschwindet hinter dieser Beschreibung, wodurch der Autor implizit darauf hinweist, dass der schriftlichen Deskription oralen Erzählens bereits das Moment von Nichtübertragbarkeit immanent ist. Der Dialog beider hebt hervor, dass Struktur den Rahmen des jeweiligen schriftlichen Genres, hier zunächst das Empfehlungsschreiben, darstellt, dessen Konventionen gefolgt werden muss, und das Gesprochene dementsprechend in das Muster der Textkonventionen eingepresst wird: »Nein! So doch nicht. Bist du Sayajirao der Zweite, daß du gleich losschwatzt, als kenne dich jeder? Wir müssen dich zuerst vorstellen. Deine Herkunft, deine Familie, damit die Empfänger wissen, von wem das Schreiben stammt« (T: 38).

Die Wichtigkeit des Einhaltens von Struktur und der Hierarchie der Chronologie auch im Mündlichen, damit der Schreiber die Ereignisse nachvollziehen und verschriftlichen kann, ist bereits ein erster Schritt der Übertragung, den Naukaram hier vornehmen muss, wodurch orales Erzählen gleichzeitig in seiner Authentizität zum Unübersetzbaren wird. Es ist möglich, dass Naukaram sich in der weiteren Arbeit mit dem Schreiber zunehmend sprachlich an Schriftkonventionen annähert, sein Worte überlegt ausgewählt und sein Sprechen strukturell den Bedürfnissen des Schreibers anpasst. Dieses hätte jedoch zur Folge, dass sich die orale Erzähltradition hinter der Verschriftlichung zunehmend verliert, an die Schriftsprache angenähert wird und sich in ihr auflöst. Es ist dennoch nicht nur die Struktur und Authentizität des oral Erzählten im Moment des Sprechens, welche hinter der Verschriftlichung zurückgedrängt werden. Mit der Verwendung des Mediums Schrift geht auch der Verlust von Stimme und Klang der gesprochenen Sprache einher:

Die Schrift erscheint gleichsam als Behältnis für die abwesende Stimme dessen, der sein Wort an uns richtet, sie ist das mediale Substitut einer realen Sprechhandlung. So verstanden, besteht ein geschriebener Text aus kodierten, graphischen Symbolen, die dazu angetan sind, im Bewußtsein des schriftkundigen Lesers Klänge zu evozieren: eine Imagination der Rede des Textautors. Zugespitzt ließe sich sagen: wer liest, hört Stimmen im Kopf. Diese Re-Oralisierung der Schrift im Lektürevorgang verweist zugleich auf den primär phonemischen Charakter der Sprache – Wörter sind zunächst Klänge, Zeichen in zweiter Linie: eine Binsenwahrheit, die in unserer literal dominierten Kultur allzuoft in Vergessenheit zu geraten droht. (Döring 1996: 226)

Dem Germanisten Jörg Döring geht es in diesem Zitat um ein bewusstes Lesen, welches einen geschriebenen Text partiell durch die Verwendung von Codes als orales Segment erscheinen lässt, jedoch nur durch das Erkennen der Codes und ihre Umsetzung, der Re-Oralisierung, während des Lesevorgangs durch den Rezipienten einen individuell gefärbten Klang im Kopf erzeugen. Der Leser imaginiert also nachträglich textuelle Oralität durch Schrifteffekte der simulierten Mündlichkeit im Text (vgl. ebd.: 227, 231).

Im Weltensammler tritt diese Simulation nur in reduzierter Form auf:

Das Gespräch zwischen Naukaram und dem Lahiya weist, bis auf Markierungen durch Spiegelstriche, die auf eine dialogische Konversation beider hinweisen, keine Verwendungen von Schreibeffekten auf, die auf direktes Imaginieren von Mündlichkeit hindeuten. Vielmehr kann diese Unterhaltung ähnlich wie eine aufbereitete quantitative Transkription gelesen werden, deren Konvention Löschungen von Pausen oder Räuspern verlangt, wodurch der gesprochene Text eingeebnet wird, um leserfreundlich zu werden.

Auffällig ist, dass der Text, gerade auch auf Grund der Ungeduld, die in der Reaktion des Lahiyas auf die langwierige Erzählung Naukarams zu lesen ist, keinerlei Spuren simulierter Mündlichkeit aufweist, wie in solch einer Situation ein Ins-Wort-Fallen seitens des Lahiyas zu vermuten wäre. Vielmehr ist der Text ohne jegliche Lesestolpersteine angelegt. Diese Weglassungen verhindern dennoch nicht, dass der Anschein erweckt wird, es herrsche keine Distanz zwischen Mündlich- und Schriftlichkeit. Die Übertragung in den finalen Text, den der Lahiya hier ankündigt, bleibt dem Leser jedoch genauso verborgen wie die tatsächliche Konversation beider Romanfiguren, welche vermutlich ebenso wenig in deutscher Sprache gehalten worden wäre, da sich hier das Schriftzeichen vordergründig vor Klang und Stimme des Sprechers bewegt. Erst durch bewusste Re-Oralisierung im Kopf des Lesers wird die Stimme der Sprecher nachträglich revitalisiert.

Orale Literatur, als zusammengesetzter Terminus, wird als Paradox angesehen und erfüllt häufig einen Zweck von »colorful, oral-style narrative[s] [that] bring […] new imagery into German-language literature to those who use it as an example of migrant, feminist, hybrid and / or minor literature« (Johnson 2001: 37). Hierdurch soll beim Leser ein besonders hohes Maß des Gefühls kultureller Authentizität und »native informance« (vgl. Apter 2013: 325) evoziert werden. Diese stehen jedoch scheinbar insofern »at odds with the cosmopolitan principles of World Literature« (ebd.), als sie bislang noch als Sonderform betrachtet werden und ihnen daher ein kanonischer Zuspruch verwehrt bleibt. Hierbei werden die Differenzen zwischen extratextueller Kommunikation, Schriftlichkeit der Übersetzung und Sprachgrenzen überschreitender Kommunikation, für den Fall dieser Text würde übersetzt werden, nur noch vergrößert und die einst beabsichtigte Authentizität aufgelöst. Im Weltensammler wird jedoch vielmehr über Oralität reflektiert, ohne dass der Text selbst in scheinbar orales Schreiben verfällt, sondern Oralität als unübersetzbar entlarvt.

Welt-Theologie

Im Zusammenhang mit politisch bedingten sprachlichen und historischen Umbruchsphasen erhält Unübersetzbarkeit weitere konzeptionelle Anreicherungen, wie Missverstehen oder Unverständlichkeit. In solch historischen Krisenzeiten, in welchen der Verlust von Geschichte zur fehlenden Verknüpfung religiöser Traditionen sowie linguistischer Vergangenheit und Gegenwart wird, kann sich Unübersetzbarkeit manifestieren (vgl. ebd.: 194f.). Der historische Zeitpunkt, zu welchem Burton nach Indien gelangt, ist jener der Kolonialisierung Indiens durch die Briten und das wirft den Protagonisten selbst in eine Sprachverwirrung:

Nach Monaten auf See, zufälligen Bekanntschaften ausgesetzt, Gerede ohne Maß, bei Wellengang die Lektüre rationiert, Tauschgeschäfte mit den Dienern aus Hindustan: Portwein gegen Wortschatz: aste, aste im Kalmengürtel, was für ein Kater!, khatarnak und khabardar im Sturm vor dem Kap, […] manches war schwer auszusprechen, die Tage wurden zunehmend fremder, jeder redete mit sich selbst, so trieben sie dahin, über den indischen Teich. (T: 21)

Wenngleich Theologie an dieser Stelle noch unerwähnt bleibt, stellt das Sprachgewirr unter Berücksichtigung der eingeschränkten Lesemöglichkeiten während der Fahrt über den indischen Ozean das einleitende Moment des Beginns der Neuorientierung Burtons dar. Burton befindet sich auf dem (wahrscheinlich) britischen Schiff zwar außerhalb eines Bezugsrahmens von Nation oder politisch geografischer Zuordnung, einem Niemands- oder Transitort (vgl. Bartl 2010: 281), aber dennoch bereits mittelbar dem Ziel seiner Reise, dem indischen Subkontinent, ausgeliefert. Das Einfließen neuer Worte und der Versuch sie auszusprechen, findet also in jenem Moment nationaler Dislokation statt (vgl. Apter 2013: 198)9, in welchem die fremden Wortfetzen dem Protagonisten Stabilität verleihen, da die mitgenommenen Bücher unter dem Einfluss des Indischen Ozeans nur bedingt bewältigt werden konnte. Weiterhin wird hier die Umkehrung der Kolonialisierungs- und Missionierungsintention latent angedeutet, ist es doch der Indische Ozean, dem das Schiff ausgeliefert ist. Nach Auerbach lässt sich dieses Moment als einleitende Allegorie auf Odysseus / Abraham verstehen, durch welches Dislokation und das Verarmtsein von Welt zum entscheidenden Element der Geburt einer Vision von Kultur, der figura, wird (vgl. Auerbach 2015: 5-7, und vgl. Apter 2013: 205). Und tatsächlich ist es gerade jenes Ausgeliefertsein auf dem Indischen Ozean, einhergehend mit seinen sprachlichen Wirrungen, das den Grundstein für die weitere religiöse Entwicklung Burtons legt: »An der Sprache sollst du sie erkennen, heißt es nicht so? In unserer Sprache offenbaren wir uns als Nachkommen zweier Geschlechter. Was könnte uns das für eine Stärke geben! Wäre es dieser Argumentation gemäß nicht folgerichtig, […] daß jeder Inder sowohl Hindu als auch Moslem ist«? (T: 91)

Durch das sich entwickelnde Interesse Burtons an den religiösen Traditionen in Indien (vgl. T: 62f.) und sein späteres Konvertieren zum Islam (vgl. T: 193) kann für Burton eine Art hybrider Religiosität geltend gemacht werden, die sich an das Konzept der figura, »according to which ›an occurrence on earth signifies not only itself but at the same time another, which it predicts or confirms, without prejudice to the power of its concrete reality here and now‹« (Apter 2013: 197), anlehnt:

Ich denke dieser Mann steht außerhalb des Glaubens. Nicht nur unseres Glaubens. […] Er kann sich an dem Glauben anderer bedienen, er kann annehmen und verwerfen, auflesen, weglegen, wie es ihm beliebt, als wäre er auf einem Marktplatz. Als wären die Mauern, die uns umgeben, weggefallen, als stünden wir draußen auf einer endlosen Ebene und hätten Sicht in alle Richtungen. Und weil er an alles und an nichts glaubt, kann er sich, zumindest dem Äußeren nach, nicht aber in der Festigkeit, in jeden Edelstein verwandeln. (T: 290f.)

Burton ist keiner Religion mehr eindeutig zuzuordnen. Seine Religiosität erscheint Außenstehenden als ein Bedienen von Teilen verschiedener Glaubensrichtungen, als wären sie willkürlich austauschbare Ware (vgl. T: 165-167, 287, 448f.). Religionsvertretern stellt sich dieses eigenständige Sammeln und Neukonzipieren Burtons als Angriff auf die Glaubensessenz. Sie fühlen sich dadurch entlarvt und schutzlos. Wenngleich sie somit das Gefühl absoluter Transparenz erhalten, ist dieses doch auch gleichzeitig von einem Moment der Offenheit begleitet, welches sie über die eigenen Mauern hinausblicken lässt.

Die erweiterte Perspektive wird hier jedoch nicht als Gewinn betrachtet, sondern als Gefahr, die eigene Festigkeit bzw. Seele zu verlieren (T: 212), was hier zum Unübersetzbaren wird. Burton jedoch nimmt Züge der von Auerbach beschriebenen figura Christi, bzw. Taubes Davidic Messiah an, indem er jenes Moment der Neugeburt von Kultur zu verkörpern beginnt, welches mehr als nur eine Trope typologischer Präfiguration ist, sondern »a performative of believe, a proof of the leap of faith that enables opposing positions to be held together in non-contradiction, permanently resisting sublation« (Apter 2013: 205). Die Möglichkeit der Neuschreibung von Geschichte (vgl. ebd.: 200) ist auch den Romanfiguren bewusst: »So ein Kampf würde unseren Glauben erneuern« (T: 350), weshalb sie eine direkte Konfrontation mit Burton meiden: »Wir sollten nie vergessen, wieviel wir alle zu verlieren haben« (T: 350). Wenngleich der Roman keine explizite Erneuerung von Glauben oder Kultur bereitstellt, wird diese zum Ende hin dennoch angedeutet. Kehrt Burton physisch nach Großbritannien zurück, erhält er als »Weltensammler« in Form einer figura Eingang in orale Erzähltraditionen (T: 503-505) und manifestiert sich dadurch in den Erzählungen als unübersetzbare Figur.

Genre und Gender

Ein anderes Element der Unübersetzbarkeit, welches durch Übersetzung gänzlich eingeebnet werden würde, ist jenes des grammatikalischen Geschlechts, welches bei Apter als weitere literarische Interpretationsmöglichkeit, ausgehend von Simone de Beauvoirs Le deuxième sexe, auf den Zusammenhang der Termini »genre, gender and sex« (Apter 2013: 156) verweist. Durch diese Termini wird »sexe into service as a multiused term« eingestanzt, welcher »the way for thinking about it as a philosophical Untranslatable« vorbereitete, »that lends itself to the contresense, a translation that reverses the logic or meaning of the original sentence« (ebd.: 156f.). Um jene Form von Unübersetzbarkeit zu verdeutlichen, soll sich ebenso der Unterhaltung zwischen Naukaram und dem Lahiya bedient werden, durch welche das Recht auf Unübersetzbarkeit des grammatikalischen Geschlechts im Zusammenhang mit dem Begriff des Genres besonders deutlich hervortritt (vgl. ebd.: 167).

Das Schriftstück, das von dem Schreiber aufgesetzt wird, durchläuft während seines Entstehungsprozesses verschiedene Genres, die allesamt durch grammatikalische Gender markiert werden. Angefangen mit dem Wunsch Naukarams, einen Brief geschrieben zu bekommen, durchwandert der Text jedes grammatikalische Geschlecht der deutschen Sprache, unter anderem: der Brief (Maskulinum) (T: 29), das Empfehlungsschreiben (Neutrum) (T: 133) bis schließlich eine Kurzgeschichte bzw. Biografie entsteht (Femininum): »- Ich bin noch nicht fertig mit dem vorherigen Kapitel. / – Kapitel? Was für Kapitel? / – Eine Redewendung. Sieh mich an. Fällt dir nichts auf? Ich schreibe gar nicht mit« (T: 81). Der Schreiber beginnt eigenmächtig zu agieren, wodurch das oral Erzählte des Kunden Naukaram hinter der Verschriftlichung verschwindet (T: 161) und sich schließlich so weit von seinem Erzähler entfernt, dass der Schreiber den Text als den eigenen betrachtet (T: 219). Der ursprünglich gedachte Brief verändert sich demnach nicht selbstständig, sondern durch intendiertes eigenwilliges Eingreifen, Formulieren, Anpassen der Sprache, der Länge des Schriftstücks durch den Schreiber / Lahiya. Wenngleich der materielle Gegenstand gleichbleibend ist, verändert sich das grammatikalische Geschlecht des Schriftstücks, nicht zuletzt auf Grund der Veränderung der Autorschaft, die sich nach Butler nicht nur allein auf das »I« bezieht, sondern immer auch außerhalb des Selbst bestimmt wird: »What I call my ›own‹ gender, appears perhaps at times as something that I author, or indeed, own. But the terms that make up one’s own gender are, from the start, outside oneself, beyond oneself in a sociality that has no single author (and that radically contents the notion of authorship itself)« (Apter 2013: 303; nach Butler 2004: 1).

Hierdurch stellt sich nicht nur die Frage, wer am Ende das Schriftstück verfasst hat, sondern ebenso die nach der Autorschaft des Weltensammlers selbst. Veranschaulicht das Schreiben des Briefes, wie während des gesamten Schreibprozesses das Genre des Textes sich wandelt und bis zum Ende unklar bleibt, was tatsächlich geschrieben wurde, gilt dieses Durchwandeln der grammatikalischen Geschlechter lediglich für den Roman in deutscher Sprache. Überträgt man diesen Prozess auf das Englische, so fällt dieser Teil der möglichen Gender / Genre-Interpretation weg, besitzt das Englische doch lediglich einen geschlechtsneutralen Artikel (the oder a[n]), welcher gleichwertig für alle Genre gültig ist (vgl. Apter 2013: 158f.). Die grammatikalische Genusbestimmung hängt demnach mit der Sprache zusammen, in welcher der Romantext geschrieben ist, und kann nicht universal abgetrennt werden. Das Geschlecht bedingt sich durch den Text und ist Ausdruck unmittelbarer Verbindung der Sprache des Autors und des jeweiligen sozialen Diskurses, aus welchem er die Sprache seines Textes schöpft (vgl. Bakhtin 1981: 286), was das Schriftstück, gleich welchem Genre es zugehörig ist, zum Unübersetzbaren macht. Sind Gender und Genre im Deutschen also interpretatorisch aneinander gebunden und bedingen einander, ist diese Relevanz im Englischen nicht gegeben, schwingt jedoch interpretatorisch unterschwellig mit.

Man mag geneigt sein, Ilija Trojanow zuzustimmen, wenn er behauptet, dass die Sprache der Übersetzung seines Romans ins Portugiesische oder Koreanische auf einen brasilianischen oder koreanischen Leser keinen Einfluss hat bzw. für ihn nicht relevant sei. Dennoch darf auch hier nicht außer Acht gelassen werden, dass Der Weltensammler ein Übersetzungsgebilde darstellt, dass Teile aus den Werken Richard Burtons enthält, somit die englische Sprache den deutschen Text kontinuierlich unterläuft und stets als Interpretationsvariable mitgedacht werden muss. Hierdurch lässt sich ebenso eine hybride Autorschaft Trojanows und Burtons bestimmen, die die Frage nach der literaturkanonischen Zugehörigkeit des Romans erweitert.

Die Dominanz der deutschen Sprache

Übersetzungsversuche im Kontext von Orientalismus weisen zwei polarisierende Ansätze auf, einen orientalischen Text in eine andere Sprache transformieren zu wollen: das Domestizieren oder das Überfremden (vgl. Chittiphalangsri 2014: 51). Es handelt sich hierbei um unterschiedliche Methoden, mit denen sich der orientalistische Übersetzer innerhalb des von Edward Said aufgezeigten Innerhalb- / Außerhalb-Paradoxes (vgl. ebd.: 53, nach Said 1979: 222) positioniert und den übersetzten Text virtualisiert, ihn also versucht angemessen zu repräsentieren oder das Original sogar durch die Übersetzung zu ersetzen (vgl. ebd.: 58)10. Während Textdomestizierung häufig unter dem Bestreben der imperialistischen Macht, die angeblich unterlegene Kultur zu unterwerfen und zu dominieren, kritisiert wird (vgl. ebd.: 51)11, erhält das Überfremden des orientalischen Textes die zusätzliche Komponente des Unterstreichens der Andersheit, die zur Übertreibung im Sinne von Unlesbarkeit führen kann (vgl. ebd.: 52).

Für seinen Roman bedient sich Ilija Trojanow ähnlicher Ansätze, stellt er seinem Leser doch beispielsweise Übersetzungen aus dem Arabischen ins Deutsche bereit (vgl. T: 265, 319). Dennoch ist Trojanows Roman nicht als orientalistischer Text zu verstehen. Der Autor ist vielmehr bemüht, dem Leser bewusst zu machen, dass seine ins Deutsche übersetzten Textpassagen sich zu keiner Zeit dem Anschein eines sprachlichen Übersetzungssubstituts bedienen, und bereitet den Leser beinahe etappenweise darauf vor, diese Art von Textverständnis zu entwickeln. Hierzu verwendet Trojanow Gegenüberstellungen von Übersetzungstechniken: »Rath ki rani, sagte sie, es war leicht zu verstehen, Königin der Nacht, aber was bedeutete es? Ihr Name vielleicht, ihr Kurtisanentitel?« (T: 37) Durch diese Form der Übersetzung wird eine Sensibilität für die Unterscheidung zwischen wörtlicher und sinnhafter Übersetzung vermittelt sowie auf deren Ambivalenz in der Bedeutung aufmerksam gemacht. Trojanow legt den Schwerpunkt der Übersetzungsleistung des Romantextes auf eine sinnhafte Vermittlung des Inhaltes: »Und sie, sie ergriff seine linke Hand, sie spielte mit den Fingern, verschränkte sie, zog an den unteren Enden, bis sie knackten, und glitt in einen Gesang, der erst allmählich aus dem Summen heraus seinen Sinn entfaltete« (T: 155, vgl. auch 365), wodurch der Text indirekt an die Unmöglichkeit einer sprachlichen Gleichmachung durch Übersetzung erinnert. Der Anspruch ist vielmehr ein sensibler Umgang mit Übersetzung auf textreflexiver Ebene, die dem Übersetzten so wenig wie möglich abspricht, und zum Anspruch gehört auch, zum Zwecke der kulturellen Gleichmachung geschaffen zu sein: »Wovor hast du Angst, Baba Sidi? Vor der Sprache der Einfaltspinsel, in die du und deinesgleichen jede Erfahrung übersetzen. Was ich alles gesehen habe, das findet keinen Platz in den kleinen, kahlen Räumen, die du einrichtest« (T: 356f.).

Vielmehr weist Trojanow direkt darauf hin, dass Unübersetzbarkeit in diesem Kontext eine feste Schreibkomponente ist, die stets im »Gebüsch der Kompromisse« (T: 341) oszilliert: »Es ist nicht mein Land, sagte ich zu ihm, und ich kann die Ängste der Menschen nicht übersetzen« (T: 434). Der Leser wird immer wieder daran erinnert, dass die Metaphorik von Wörtern sich an mehr als nur einer Entsprechung orientieren, deren Bedeutungen nicht eins zu eins in eine andere Sprache zu transformieren sind, und die dominierende Sprache daher auch als Marginalisierung des eigentlich Gemeinten gelten kann (vgl. T: 80, 92, 114). Dieser Ansatz lässt sich mit den Schriften des historischen Burton in Relation setzen, versteht Tarek Shamma doch dessen Arabian Nights im Sinne von Venutis »foreignization« (Chittiphalangsri 2014: 51) als Text, der durch die Verwendung veralteter arabischer Wörter und dem Simulieren arabischer Satzstrukturen »an impression of the exotic culture« (ebd.: 52) darbietet. »Foreignization, in this sense, does not undermine the hegemonic reading practice of the British readership, but instead underscores the otherness of the Arab« (ebd.). Im Vergleich kann Trojanows Vorgehen als alternative Übersetzungsmethode betrachtet werden, die dem Fremden mehr Respekt zollt, »by signalling the text’s foreignness to readers, who are encouraged to accept its peculiarities rather than transforming them into supposedly more palatable forms« (ebd.: 51). Trojanow unterläuft die Methode des Fremdmachens, indem er durch stetige Reflexion über sprachliche (Un-)Möglichkeiten zu keiner Zeit dem Leser einen Text vorsetzt, der sich von sprachlicher Dominanz zu distanzieren versucht (vgl. T: 424), sondern vielmehr Übersetzung grundlegend als unmöglich entlarvt:

Glaubt ihr etwa, wir müssen die Hindus nur als Europäer oder Christen verkleiden und sie etwas trainieren, damit ihre Gedanken und Gefühle europäisch und christlich werden? Mumpitz. Wie ist es mit den Sepoy? Fühlen die sich nicht verdammt unwohl in dem dicken Stoff, in den wir sie hineingezwängt haben? (T: 168)

Trojanow begibt sich mit dem Weltensammler auf eine Ebene der Übersetzung, die immer wieder über ihre eigenen sprachlichen Grenzen reflektiert, welche im Romantext stellenweise lediglich deskriptiv realisiert werden und sich dadurch der Unübersetzbarkeit zuwenden: »Nie sagte er genau, was er meinte. Er redete in Ornamenten, die nur aus einem gewissen Abstand betrachtet einen Sinn ergaben« (T: 442). Wenngleich auch Trojanow als unsichtbarer Übersetzer seinen Text durch die dominierende Sprache Deutsch zu domestizieren scheint, kann der Roman als ein transhybrides Übersetzungsgebilde verstanden werden, das auf die Frage, ob die Modifikation eines Textes bereits ausreicht, um zu unterstellen, dieser Akt wäre die Unterwerfung »of the native« (vgl. Chittiphalangsri 2014: 51)12, die Gegenfrage stellt, was denn eigentlich »native« sei.

Transhybride Übersetzung als siebte Form von Unübersetzbarkeit: ein Fazit

Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, wie verschiedene Formen literarischer Unübersetzbarkeit im Roman Der Weltensammler verhandelt werden und neue interpretatorische Ansätze hervorbringen können. Es sind die Vermischungen und wechselseitigen Durchdringungen des englischsprachigen autobiografischen Schreibens Richard Burtons, der nachträglichen Rückverfolgung von Burtons Route (vgl. Trojanow 2009: 253, und Trojanow: Die Recherche o.J.c), durch welche sich der Text als ein hybrides Textgebilde aus (auto-)biografischen Erfahrungen und individueller Mehrsprachigkeit (Goethe-Institut 2012a und 2012b) konstituiert. Dieses Selbstverständnis der Dichte von Leben, Sprache und Denken, die sich auf das Schreiben projizieren, unterläuft die Scheinbarkeit literarischer Einsprachigkeit, bereitet ihr ein mehrsprachiges netzartiges Fundament, das seine sprachlichen Fühler bis in den Text ausstreckt.

Die Addition dieser Elemente ist also dem Schreiben vorangestellt, setzt sich stets selbst in Szene und ist daher im Leseprozess immer mitzudenken. Der Roman unterläuft daher die Annahme, dass Nationalliteratur an der Sprache des Textes zu erkennen sei, indem er der Hybridität des Textes auch ebenso eine hybride Autorschaft einschreibt (vgl. Gramling 2014: 11)13. Dadurch wird der Roman zu einem figurativen Textkörper stetiger Übersetzungsleistung, dem ein Phänomen von außen einwirkender textexterner Sprachhybridität14 von Grund auf immanent ist und somit durch den Terminus der transhybriden Übersetzung gedeutet werden kann. Transhybride Übersetzung setzt sich anfangs aus der Kombination der geografischen und literarisch lebensweltlichen Spurensuche zusammenzusetzen, die dann zum Hypotext (vgl. Genette 1993: 14f.) des Romans wird:

Dieser Roman ist inspiriert vom Leben und Werk des Richard Francis Burton (1821-1890). Die Handlung folgt der Biographie seiner jungen Jahre manchmal bis ins Detail, manchmal entfernt sie sich weit von dem Überlieferten. Obwohl einige Äußerungen und Formulierungen von Burton in den Text eingeflochten wurden, sind die Romanfiguren sowie Handlungen überwiegend ein Produkt der Phantasie des Autors und erheben keinen Anspruch, an den biographischen Realitäten gemessen zu werden. (T: 7)

Der Weltensammler selbst ist daher als der daraus resultierende Hypertext zu verstehen, der sich »durch eine einfache Transformation […] oder durch eine indirekte Transformation« (Genette 1993: 18) eben dieses Hypotextes, zumindest fragmentarisch, von dem verwendeten autobiografischen Werk Richard Burtons ableitet. Durch diese hypertextuelle Komposition entfaltet sich die »manifeste oder geheime Beziehung zu anderen Texten« (ebd.: 9), was einen interpretatorischen Fokus auf textuelle Sprachschichten richtet. Diese Schichten beruhen auf einer Übersetzung multilingualer Erfahrungen Burtons und ziehen sich durch die textuelle Oberfläche als ein translinguales Fundament. Hierdurch erscheint der scheinbar dominierende literarische Monolingualismus der deutschen Sprache schon beinahe als eine gewaltvolle sprachtextuelle Simplifizierung des eigentlich unterlaufenden hybriden Sprachnetzes, stellt das Deutsche doch nicht zuletzt, zumindest partiell, eine Übersetzung (vgl. Kühl 2014: 113) verwendeter literarischer englischsprachiger Texte Burtons dar. Es ist an dem Rezipienten selbst, die Ästhetik der transhybriden Übersetzung zu entdecken, wodurch er zu einem Textarchäologen wird, der die verborgenen Strukturen sichtbar macht. Hierdurch wird ebenso das Konzept einer einsprachigen Autorschaft (vgl. Gramling 2014: 15) in Frage gestellt und gleichzeitig erweitert, wird die multilingual geprägte Recherche des Autors mit der mehrsprachigen Lebenswelt Richard Burtons verwoben.

Durch Berücksichtigung der multilingualen Erfahrungswelten, aus welchen sowohl Burtons als dann auch Trojanows Text entspringen, wird das linguistische Textgewebe des Weltensammlers als ein hybrides verstanden (vgl. Bhabha 2011 und Bakhtin 1981: 269, 278). Dieses ließe sich mit Emily Apters »›trans to trans‹ comparatism« erfassen, das die Metropole umgeht und dabei Übersetzungen zwischen »[M]inor«- oder »[M]icro-minority«-Sprachen und -Literaturen bevorzugt und sich in einer »world diaspora from within and outside national borders« verortet (Apter 2013: 71).

Ilija Trojanows Der Weltensammler kann somit als eine transhybride Übersetzung gelesen werden, die auf einem multilingualen Fundament basiert. Der Text erhebt daher für sich selbst keinen Anspruch auf Zugehörigkeit zu einem national ausgerichteten Literaturkanon, welcher sich an sprachlichen und / oder nationalen Grenzen orientiert. Damit stellt Ilija Trojanow eine interpretatorische Möglichkeit der Ausdeutung eines deprovinzialisierten nationalen Literaturkanons bereit, die jedoch gleichzeitig das Selbstverständnis Trojanows bezüglich der eigenen international ausgerichteten Autorschaft als widersprüchlich entlarvt und paralysiert, eben durch jene Unübersetzbarkeiten, die der Romantext aufweist. Der Roman bewegt sich vielmehr permanent in einem hybriden Raum, in welchem er sich semantisch und metaphorisch ständig neu entwirft.

Dem Weltensammler ist Unübersetzbarkeit nicht nur auf textueller, sondern auch auf extra- und paratextueller Ebene eingeschrieben. Unübersetzbarkeit verdeutlicht die vermischten Ebenen literarischer Fiktion und (Auto-)Biografie und ihrer textuellen / sprachlichen Authentizität in Bezug auf die Sprachwahl des dominierenden Deutschen. Trojanow hebt seinen Roman aus dem bloßen deutschsprachigen Textdasein heraus, wodurch eine eindeutige nationale Kanonisierung des Textes nicht mehr möglich ist. Wenngleich Ilija Trojanow, wie aus dem vorangestellten Zitat hervorgeht, Weltliteratur nicht als Abgrenzung zu deutschsprachiger Literatur versteht, sondern als ein Ineinandergreifen sich gegenseitig bedingender und in Abhängigkeit zueinander stehender Literaturen, so bindet er die Unzuordenbarkeit zu einem nationalen Literaturkanon an das Moment der Übersetzung. Hierdurch greift Trojanow nicht zuletzt ein Paradox der Übersetzungstätigkeit auf, die zwischen »nichts ist übersetzbar und alles ist übersetzbar« (vgl. Apter 2006: 85-87 und 226-228) oszilliert.

Und in der Tat, Unübersetzbarkeit wird zur Präkondition von Trojanows transhybridem Schreiben, die den Romantext unterläuft und lediglich punktuell an der Oberfläche sichtbar wird. Die sprachliche extratextuelle Welt fließt mit jener Sprachwelt des Romans zusammen. Angefangen bei seiner allerersten visuellen Begegnung mit Burton (vgl. Trojanow: Die Figur o.J.b) bis hin zu dem eigenen darauf folgenden Erfahrungshorizont, basiert der Roman Der Weltensammler daher nicht nur auf einer Vermengung verschiedener textueller Übersetzungstätigkeiten von Burtons Text in die deutsche Sprache, sondern zusätzlich auf Ansammlungen verschiedenster akustischer und oraler Spracherlebnisse des Autors selbst. Diese lassen sich nicht nur auf die Recherchereise für den Roman reduzieren, sondern addieren sich zu der bereits existierenden Biografie Trojanows hinzu. Auf diesem transhybriden Fundament, welches durch Hypertextualität markiert ist, basiert das Schreiben des Romans.

Durch das Konzept der transhybriden Übersetzung werden im Text die Person des Autors, der selbst zu einer unterschwelligen Figur auf sprachlicher Ebene des Textes wird, und des Protagonisten Richard Francis Burton künstlerisch miteinander verwoben. Wenngleich die deutsche Sprache die dominierende des Textes ist, wird sie durch das Konzept der transhybriden Übersetzung von der Position der Dominanz enthoben. Der Roman verweigert sich daher einer Übersetzung von Grund auf, denn er verbleibt in Bedeutung und Struktur ambivalent und kann zu keiner Zeit als Spiegel kultureller Repräsentation fungieren.

Anmerkungen

1 | Die hier verwendete Ausgabe des Romans ist die 8. Auflage von 2012 aus dem Deutschen Taschenbuchverlag. Zitate und andere Referenzangaben werden mit (T: Seitenzahl) angegeben.

2 | Emily Apter interpretiert »aufgeben« mit dem englischen Begriff »failing« und nicht mit »to give up«. Erst durch eine Rückübersetzung von »failing« ins Deutsche (»versagen« oder »scheitern«), schwingt ein »failing« auf der Bedeutungsebene implizit mit. Hierdurch verdeutlicht die Autorin die Inkommensurabilität von Begriffsumfängen verschiedener Sprachen, hier dem Englischen und dem Deutschen, die nicht eine »lexikalisch identische Übersetzung dieses Worts« fordern können (Knott / Witte 2014: 8).

3 | Ähnliches fordert auch Todd Kontje in German Orientalisms (2007), wenn auch aus einer entgegengesetzten Perspektive. Kontje dringt auf eine Relektüre sogenannter Nationalliteratur, um sie auf Elemente von Deplatzierung, Diasporastatus und Postkolonialismus zu untersuchen und neu zu interpretieren. Der Autor fordert, dass Kategorisierungen und Klassifizierungen entlang künstlicher und ohnehin poröser politischer Ländergrenzen erneut befragt werden, um postkolonialistische Terminologie nicht weiterhin lediglich im Kontext sogenannter interkultureller oder Migrationsliteratur anzuwenden.

4 | Vgl. hierzu insbesondere Burton (1893). Burton verwendet in beiden Texten Fußnoten und ein Glossar, um fremdsprachliche Begriffe dem englischsprachigen Leser zu erläutern.

5 | Durch Internetrecherche ist es für den Leser möglich herauszufinden, dass es sich um Mantras handelt. Es bedarf somit Eigeninitiative, um hinter das Geheimnis der Transkription zu kommen, sie als solche zu erkennen, und auch dann bleibt dem Leser ihre Bedeutung verborgen.

6 | Bei dieser Transkription handelt es sich um das erste auftretende Mantra im Romantext. An dieser Stelle beginnt das Verfassen des Empfehlungsschreibens.

7 | Nach Bhabha ist kulturelles Wissen immer im Kontext von kulturellen Unterschieden zu verstehen: »Cultural diversity is an epistimological object – culture as an object of empirical knowledge – whereas cultural differences is the process of the enunciation of culture as ›knowledgeable‹, authoritative, adequate to the construction of systems of cultural identification« (Bhabha 2011).

8 | Um dieses Phänomen vertiefend auszuloten, könnte exemplarisch eine englischsprachige Übersetzung des Romans herangezogen werden. Das ermöglichte es, eventuelle Unterschiede der Transkriptionskonvention in Relation zur jeweiligen textdominierenden Sprache vergleichend zu interpretieren.

9 | Apter lehnt sich hier an das Zitat von Erich Auerbach an: »Jedenfalls aber ist unsere philologische Heimat die Erde; die Nation kann es nicht mehr sein« (Auerbach 1952: 49, und vgl. Apter 2013: 198).

10 | Chittiphalangsri kritisiert hier die Abwesenheit einer Wiederübersetzung von Śakuntalā für einen Zeitraum von 66 Jahren im Zusammenhang mit jener bereits existierenden von Sir William Jones (vgl. Chittiphalangsri 2014: 58). Diese Abwesenheit von Neuübersetzungen wird auch bei Kühl kritisiert: »Deshalb sollte auch [der Übersetzer; M.S.] – zwar keine Heidenangst, aber doch gehörigen Respekt haben, und zwar vor dem Neuübersetzer, der sich als nächster an dem Text versuchen wird. Genau das ist ja der Grund, aus dem Übersetzungen viel rascher altern als Originale – weil sie Deutungen sind« (Kühl 2014: 129).

11 | Ebenso weist Chittiphalangsri darauf hin, dass die Innen- / Außenposition des Orientalisten ebenso unter diesen Machtverhältnissen zu verstehen ist (vgl. Chittiphalangsri 2014: 54).

12 | An dieser Stelle soll ebenso die Frage aufgeworfen werden, ob nicht auch die englische Verwendung »native« ein Unübersetzbares darstellt.

13 | David Gramling spricht hier von einer mehrsprachigen Autorschaft, die eben in dem Text Trojanows konzeptuell ausgebaut wird.

14 | Im Zusammenhang mit der addierten multiplen Mehrsprachigkeit des Autors und seines Protagonisten.

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